Ein guter Draht zum Wasser

16. Mär 2011

Philippinen - Weltwassertag am 22. März: Wer auf den Philippinen einen Brunnen bauen will, bittet Pater Bernhard Kasselmann um Hilfe. Dieser kommt dem kühlen Nass per Winkelrute auf die Spur.

„Hier würde ich bohren, wenn ich Wasser bräuchte“, sagt Pater Bernhard Kasselmann. Und tatsächlich: Die beiden L-förmig gebogenen Hartlot-Drähte in seinen Händen überkreuzen sich. Mitten auf dem Klostergelände in Sankt Augustin ist die Winkelrute – eine moderne Form der Wünschelrute – ausgeschlagen. „Hundertprozentig verläuft hier eine Wasserader“, ist der Steyler Missionar überzeugt.

 

Seine „Stäbe“, sagt er, lügen niemals. Seit er sie vor vierzig Jahren für sechs Pesos gekauft hat, haben sie ihm schon den Weg zu so mancher Quelle gewiesen. „Die Philippinos waren erst kritisch, aber nach den ersten Treffern schnell überzeugt“, sagt Kasselmann. „Seitdem kommen die zu mir, wenn irgendwo ein Brunnen gebaut werden soll.“


Seit Pater Kasselmann vor Ort ist, hat sich etwas getan – auf Lubang, einer von über 7.000 Inseln der Philippinen. Seit 1968 lebt Kasselmann hier, 150 Kilometer südwestlich von Manila. Längst fühlt sich der Missionar auf Lubang zu Hause, nicht zuletzt, weil der Charakter der Philippinos „sagenhaft“ sei. „Wenn man dort Freunde hat, hat man sie fürs Leben“, sagt er. Gemeinsam mit ihnen hat er eine Kirche gebaut, die mit ihren 1000 Plätzen ausreichend Raum für die lebendige christliche Gemeinschaft bietet, als deren Teil sich Kasselmann selbst fühlt. Die Landbauern hat er angespornt, einen Kanal zur Bewässerung ihrer Reisfelder zu errichten. Viele Familien hat er mit seiner Winkelrute bei der Suche nach Wasser unterstützt – und damit den Startschuss für zahlreiche Brunnenbauprojekte gegeben.


Wegen der schlecht ausgebauten Wege in der Region Looc, in der Kasselmann seit mehreren Jahrzehnten arbeitet, legt er die meisten Strecken auf seinem Motorrad zurück. „Mit dem bin ich seit 1989 schon über 126.000 Kilometer gefahren“, sagt Kasselmann. In den verstreuten Dörfern feiert er die heilige Messe, hält Taufen, Trauungen und Beerdigungen, hat für jedes Anliegen der Menschen ein offenes Ohr und hilft mit Medizin aus. „Denn das Krankenhaus in Lubang ist 40 Kilometer entfernt, eine Fahrt dorthin kostet 1.500 Pesos, also rund 20 Euro“, sagt er. „Und für diese Summe muss ein Philippino lange, lange arbeiten.“


Die Situation im Süden der Insel beschreibt Kasselmann als „immer noch schlichtweg miserabel“. „Die Menschen in Looc leben quasi von Luft“, sagt er. „Die Gewässer sind überfischt, der Boden ist unfruchtbar, Kunstdünger unerschwinglich. Von den 770 Highschool-Absolventen, die wir jedes Jahr haben, gehen die meisten binnen einer Woche weg, um in Manila zu studieren oder zu arbeiten.“


Kasselmann spricht jenen Mut zu, die auf der Insel zurückbleiben, und verzichtet dabei auf jeglichen Luxus, auf Fleisch, auf Strom. Bis vor wenigen Jahren konnte der Missionar lediglich auf dem Postweg Kontakt zu seiner Familie in Deutschland halten – zwei Wochen brauchte ein Brief. Erst seit Kurzem hat er ein Handy. „Ich erinnere mich noch, wie ich mitten im Dschungel meinen ersten Anruf aus der Heimat bekam“, sagt Kasselmann lächelnd. „Das war ein Ding!“


Dass die Philippinen nach wie vor zu den gefährlichsten Ländern der Erde gehören – aufgrund zahlloser Anschläge der terroristischen Abu Sayaf Gruppe rät das Auswärtige Amt nach wie vor von Reisen in bestimmte Gebiete des Inselstaates ab – musste Pater Kasselmann vor einigen Jahren am eigenen Leib erfahren. Kurz nach der Geiselnahme der deutschen Familie Wallert aus Göttingen flatterte Kasselmann ein Erpresserbrief ins Haus. Unbekannte forderten zwei Millionen Pesos.


Der Missionar nahm die Drohung Ernst, floh unter Polizeigeleit nach Manila. Erst nach einiger Zeit kehrte er nach Lubang zurück. „Ich war zu der Erkenntnis gekommen, dass ich vor denen nicht weglaufen kann“, sagt er. „Denn die sitzen überall.“ Inzwischen fühle er sich jedoch wieder etwas sicherer. „Und ich bin ja mehr oder weniger Einheimischer“, sagt er. „Da passen die anderen schon auf mich auf.“


Kasselmann hilft im Gegenzug den Armen und Kranken vor Ort, so gut es geht. Und wenn mal wieder jemand eine Wasserstelle sucht, rückt er mit seiner Winkelrute aus. Sein sicheres Gespür für das nasse Element hat sich inzwischen sogar bis in seine Heimatstadt Hagen herumgesprochen. Von dort bekam er unlängst per Post die Anfrage, ob er beim Suchen von Wasseradern helfen könne, man bezahle ihm auch die Reise. „Mich einzufliegen wäre denen günstiger gekommen als ein trockenes Loch“, sagt Kasselmann schmunzelnd. Und ernster: „Zur Zeit haben wir in Europa noch Wasser im Überfluss. Aber ich bin der festen Überzeugung: Der letzte Krieg auf Erden wird nicht ums Öl, sondern ums Wasser geführt.“


Autor: Markus Frädrich

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