Zwei Kontinente, zwei Stimmen, ein ähnliches Problem

Die Fachtagung Weltkirche (22. bis 23. Juli 2016) stand ganz im Zeichen zweier Erlebnisberichte, die äußerst betroffen machten: Erzbischof Roque Paloschi aus Brasilien und P. Ferdinand Muhigirwa aus dem Kongo kämpfen mit einem ähnlichen Problem: Ein rohstoffreiches Land wird auf Kosten der Bevölkerung ausgeblutet.

Brasilien besitzt den größten Regenwald weltweit und ist eines der artenreichsten Gebiete dieser Erde. Hier findet sich nicht nur eine unermessliche Pflanzen- und Tiervielfalt, das tropische Urwaldgebiet ist auch ein unerschöpfliches Reservoir für medizinische Neuerkenntnisse und Neuschöpfungen. „Amazonien ist Paradies, aber auch gleichzeitig grüne Hölle“, weiß der Erzbischof von Porto Velho, Roque Paloschi, zu berichten.

Doch die grüne Lunge der Erde ist vehement bedroht; seit Jahren setzt sich der Nachfolger von Bischof Erwin Kräutler als Präsident des Indianer-Missionsrates CIMI für den Erhalt des Regenwaldes ein – und für die Rechte der indigenen Urbevölkerung, die dort lebt. Sie hatte bis zur Ankunft der Europäer den Regenwald nachhaltig genutzt. In der jüngsten Vergangenheit wurden durch die brasilianische Regierung massive Umweltzerstörungen unternommen. Die radikalen Landnutzungsänderungen und die daraus resultierende Zerstörung der Umwelt fügten den Wäldern immense Schäden zu.

Brasilien benötigt Energie, die durch Mega-Wasserkraftwerke produziert werden. In der Folge wurden Flüsse aufgestaut und riesige Gebiete unter Wasser gesetzt. Großflächig wurden Soja- und Maisfelder angelegt und Weideland für Rinderherden gerodet. Dazwischen graben sich Bergbaufirmen auf der Suche nach Rohstoffen rücksichtslos durch die Erde. Die Leidtragenden sind die indigenen Völker. „Sie werden als ‚Barbaren ohne Seele‘ gesehen“, erzählt Erzbischof Paloschi. „Weil sie das Land nicht ausbeuten, werden sie als dumm betrachtet.“ Die Folgen sind dramatisch: „Die Regierung sagt, je schneller die Indios verschwinden, desto besser“, so Paloschi. „Das Gebiet wird ‚entindigenisiert‘.“ Die Koalition zwischen brasilianischer Regierung, Großgrundbesitzern und multinationalen Konzernen geht gnadenlos gegen die indigene Urbevölkerung vor. Paloschi: „Die indigenen Völker werden wie Natur unterworfen und ausgebeutet. Sie haben wiederholt massive Gewalt von Seiten paramilitärischer Gruppen erleiden müssen. Man kann durchaus von einem Genozid sprechen.“


Erzbischof Roque Paloschi aus Brasilien, Nachfolger von Bischof Erwin Kräutler als Präsident des Indianer-Missionsrates CIMI, und Generalsekretär P. Franz Helm SVD, Superiorenkonferenz der männlichen Orden Österreichs, der die Fachtagung Weltkirche in Vertretung der Ordensgemeinschaften Österreich mitorganisiert hat. (Foto: Ordensgemeinschaften Österreich/Manu Nitsch)

Die Kirche setzt sich für die Rechte der indigenen Völker ein; eine große Anzahl von Missionarinnen und Missionaren, die bei ihnen leben und mit ihnen leiden, sind gleichsam die Blutzeugen.

Doch gerade die Urbevölkerung hat gezeigt, wie man in Übereinstimmung mit der Natur leben kann. „Sie lebt die Lösung in Amazonien“, zeigt sich Erzbischof Paloschi überzeugt. „Die indigene Völker sind die Samenkörner der Lösung und die Problemlöser für Mutter Erde.“


P. Ferdinand Muhigirwa: Kampf gegen „Konfliktmineralien“

Ähnliches berichtet auch der Jesuit P. Ferdinand Muhigirwa: Er stammt aus der Demokratischen Republik Kongo. Das Land, ca. 25 Mal so groß wie Österreich, ist eines der rohstoffreichsten Gebiete dieser Welt. Große Teile des Staatsgebietes sind von tropischem Regenwald (dem weltweit zweitgrößten) bedeckt. Der Kongo ist reich an Bodenschätzen: Unermessliche Mengen an Diamanten, Gold, Kupfer, Coltan, Mangan, Blei, Zink, Zinn und Erdöl wären der Garant für landesweiten Wohlstand.

Dennoch liegt der Durchschnittsverdienst der Bevölkerung bei nur 1,80 Dollar pro Tag. Der Kongo zählt, bedingt durch jahrzehntelange Ausbeutung, Korruption, jahrelange Kriege und ständige Bevölkerungszunahme, trotz seines Rohstoffreichtums zu den ärmsten Ländern der Welt. Im Human Development Index der Vereinten Nationen nahm der Staat im Jahr 2013 den vorletzten Platz ein.


P. Ferdinand Muhigirwa SJ aus Lumbumbashi, Leiter eines Arrupe-Zentrums zur Ressourcen-Thematik. (Foto: Ordensgemeinschaften Österreich/Manu Nitsch)

Dieses Paradoxon zwischen reichem Land und armer Bevölkerung hat den Hintergrund, vereinfacht gesprochen, darin, dass die Wirtschaft fest in den Händen von multinationalen Konzernen liegt. „Wo es Minen gibt, kann es keinen Frieden geben“, sagt P. Muhigirwa. „Konflikte, Gewalt, sexuelle Gewalt, sind automatisch die Folge.“ Rund ein Drittel der 71 Mio. Leute umfassenden Bevölkerung arbeitet in Minengebieten, die hauptsächlich von ausländischen Großkonzernen betrieben werden. Dabei wird auf Mensch und Natur keinerlei Rücksicht genommen; Wasser-, Luft- und Bodenverschmutzungen gehen Hand in Hand mit vehementen Menschrechtsverletzungen. Dazu kommt auch, dass immer mehr Bauern ihr Land verlieren und dadurch die Nahrungsversorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet ist.


P. Ferdinand Muhigirwa leitet seit 2013 Leiter des Arrupe-Forschungs- und Bildungszentrums in Lumbumbashi (Kongo). Als Experte zur Thematik Rohstoffe fokussierte er sich auf den Bereich Konfliktmineralien. „Der Name kommt aus dem Dodd-Frank-Act, ein Gesetz, das in den USA am 1. Juli 2010 verabschiedet wurde“, berichtet der Jesuit. Der Paragraph 1502 bezieht sich dabei auf Rohstoffe, deren Abbau illegal und außerhalb staatlicher Kontrolle und/oder durch systematische Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen stattfindet. US-Unternehmen müssen seitdem einen gesonderten Unternehmensbericht über die Herkunft, vor allem von Zinn, Coltan, Wolfram sowie Gold abliefern. Dies zielte auch ausdrücklich auf den Kongo ab. Doch bisher machten viele US-Unternehmen von der Bezeichnung „conflict undeterminable“ Gebrauch und veröffentlichten noch keine relevanten Informationen.

In Europa veröffentlichte die EU-Kommission im März 2014 einen ersten Verordnungsentwurf, der sich seither in der Überarbeitungsphase befindet. P. Ferdinand Muhigirwa sieht es auch als seine Aufgabe, Aufklärungsarbeit zu betreiben, damit diese Gesetze und Gesetzesentwürfe nicht zahnlos bleiben. Das Arrupe-Zentrum in in Lumbumbashi arbeitet an einer christlichen Version einer wirtschaftlichen Entwicklung. „Es geht um soziale Gerechtigkeit“, sagt P. Muhigirwa. „Und das können wir nur erreichen, wenn wir unseren Lebensstil ändern.“


Robert Sonnleitner/Ordensgemeinschaften Österreich

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