Ich habe die Latte immer hoch gelegt

17. Jul 2019

Die Theologin Ruth Steiner ist seit 20 Jahren als Fundraiserin für die Missionsprokur St. Gabriel international tätig. „Ich sehe mich als Mittlerin zwischen sehr konträren Welten, die zusammen gehören“, erklärt die für ihre eigenständigen Ansichten und ihre Durchsetzungskraft bekannte treue Mitarbeiterin.

Ich habe die Latte immer hoch gelegt

Ruth Steiner begeht im Juli 2019 ihr 20. Dienstjubiläum in St. Gabriel. Ihre kompromisslose Geradlinigkeit macht sie zu einer konstruktiven und manchmal unbequemen Mitarbeiterin. Die Arbeit der Missionsprokur St. Gabriel international gestaltet Steiner seit zwei Jahrzehnten grundlegend mit. Wichtige Erfahrungen im Fundraising, also im Sammeln von Spenden, hatte die Wienerin bei den Päpstlichen Missionswerken missio gemacht. Auf Anregung von P. Jakob Mitterhöfer kam sie 1999 nach St. Gabriel, wo vieles noch anders funktionierte als heute. „Ich begann in einem Raum zu arbeiten, in dem ein Schreibtisch stand, ein normaler Sessel daneben, und ein Telefon mit Sperre fürs Ausland.“ Den Grundstock von damals 7.000 Spenderinnen und Spendern baute sie in den folgenden Jahren auf heute 24.000 Kontakte aus – vor allem durch die Zusammenarbeit mit der Stadt Gottes. „Diese Zusammenarbeit war vorher nicht möglich gewesen. Ich habe mich darum gekümmert, dass die Stadt Gottes immer wieder über unsere Projekte berichtete. Dadurch konnten wir viele UnterstützerInnen gewinnen.“

Ruth Steiner sammelt nicht nur Spenden, sie setzt sich sehr für die Bildungsarbeit ein. Eines ihrer Vernetzungsprojekte ist der Steyler Fastenkalender, den österreichische  Jugendliche mitgestalten und durch den sie ihr Denken in weltweiten Zusammenhängen entwickeln.
Ruth Steiner sammelt nicht nur Spenden, sie setzt sich sehr für die Bildungsarbeit ein. Eines ihrer Vernetzungsprojekte ist der Steyler Fastenkalender, den österreichische Jugendliche mitgestalten und durch den sie ihr Denken in weltweiten Zusammenhängen entwickeln.

Krise und Kraft

Der hohe persönliche Einsatz kostete viel Energie und führte sie manchmal bis an den Rand ihrer Kraft, erzählt Ruth Steiner rückblickend. „Ich erlebte auch ein Burnout“, erinnert sie sich an nicht so gute Zeiten. Wie aber fand sie immer wieder Motivation und Schwung, um ihren Aufgabenbereich kreativ und kompetent auszubauen? „Wir haben so tolle Projektpartner!“, kommt sie ins Schwärmen. „Dass die Steyler Missionsschwester Veronika Racková ihren Einsatz mit dem Leben bezahlte, treibt mir heute noch die Tränen in die Augen. Und dann sind da die vielen Missionare, die die Dinge einfach in die Hand nehmen und die Welt in ihrem Bereich ändern!“

Die Magistra der Fachtheologie ist sich nicht zu gut, Hand anzulegen. Bei der jüngsten Übersiedlung der Missionsprokur in neue Büroräume nahm sie selbst den Putzfetzen in die Hand.
Die Magistra der Fachtheologie ist sich nicht zu gut, Hand anzulegen. Bei der jüngsten Übersiedlung der Missionsprokur in neue Büroräume nahm sie selbst den Putzfetzen in die Hand.

Ein erster Besuch in Madagaskar beeindruckte sie tief. „Es war zum ersten Mal, dass die Mangelernährung der Menschen für mich offen sichtbar war. Da wusste ich: Diese Menschen brauchen mich!“ Was Ruth Steiner außerdem motiviert, sind die vielen Spenderinnen und Spender, die etwas verändern wollen. „Es können nicht alle selbst etwa nach Kerala fahren und helfen, irgendwelche Häuser aufzubauen. Aber sie wollen etwas beitragen. Ihnen gegenüber tragen wir große Verantwortung. Es ist mir wirklich wichtig, sie regelmäßig zu informieren und teilhaben zu lassen an dem, was ihr Beitrag bewirkt.“

Die Zusammenarbeit zwischen den Steyler Missionsprokuren in Österreich, der Schweiz und Deutschland wird immer enger, Ruth Steiner bringt sich mit Engagement ein.
Die Zusammenarbeit zwischen den Steyler Missionsprokuren in Österreich, der Schweiz und Deutschland wird immer enger, Ruth Steiner bringt sich mit Engagement ein.

Das Interesse am Wirken der Steyler ist groß

Was Ruth Steiner an der Arbeit für die Steyler Missionare besonders schätzt, ist die weltweit verbindende spirituelle Komponente. „Unsere SpenderInnen teilen eine tiefe Hoffnung mit den Menschen, denen die Projekte dienen. Es ist eine Hoffnung, die über das Jetzt und Hier hinausgeht und alle Beteiligten verbindet. Diesen Horizont haben nicht alle spendensammelnden Organisationen.“ Dass die Steyler Missionare kein Interesse und keinen Nachwuchs mehr fänden, diese Ansicht teilt Steiner nicht. Sie versteht den Missionsbegriff und das Interesse für das Wirken der Steyler Familie ganz weit. „Wir haben so viele Leute, die ganz bewusst bei uns spenden, weil ihnen die Menschen ein Anliegen sind, die nicht auf die Butterseite gefallen sind! Das Gejammer, dass es keinen Nachwuchs gibt, verstehe ich nicht.“ Manche Menschen seien hochmotiviert und spenden den letzten Cent, wie die Witwe im Evangelium, schildert sie ihre persönliche Erfahrung aus dem Fundraising.

"Achtung, nicht politisch korrekt", warnt Ruth Steiner und zeigt verschiedene Gefäße zum Spendensammeln aus der Geschichte der Missionsprokur.
"Achtung, nicht politisch korrekt", warnt Ruth Steiner und zeigt verschiedene Gefäße zum Spendensammeln aus der Geschichte der Missionsprokur.

Gemeinschaft und Individualismus

„Was mir nicht gelungen ist,“ gesteht Ruth Steiner ein, „ist die Steyler Missionare in Österreich dafür zu begeistern, dass sie ihre Kräfte zur Gänze bündeln und für die allgemeinen Bedürfnisse dieser 6.000 Männer umfassenden Kongregation einsetzen. Viele sammeln für eigene Lieblingsprojekte oder auch für ihr eigenes Heimatdorf. Das ist verständlich, aber nicht so sinnvoll, wie gemeinsame Sache zu machen.“ In Kenia redete sie den Seminaristen ins Gewissen und machte ihnen bewusst, welche Verantwortung sie denen gegenüber hätten, die das Geld für die Ausbildung aufbringen. „Ihr habt große Verantwortung dem Orden gegenüber, den SpenderInnen gegenüber und der Kirche gegenüber – wofür ihr euer Geld ausgebt, ob ihr Party macht und euch um eure Fahrzeuge kümmert oder eure Berufung ernst nehmt …“ Mitten im Gespräch meinte ein Seminarist: „Ich glaube wir müssen lernen, dass wir ohne Spendengelder auskommen.“ Etwa drei Wochen später erhielt sie ein Mail vom Rektor, der bemerkt hatte, dass sich die Studenten positiv verändert hatten. „Das hat mich sehr gefreut, obwohl es ja nicht direkt zu meinem Job gehört!“

Ruth Steiner legt ihren Mitmenschen die Latte hoch, aber auch sich selbst. Dieses Engagement hatte sie auch in das bereits erwähnte Burnout getrieben – und später wieder herausgeholt. „Ich habe die Latte immer hoch gelegt“, fasst sie zusammen. „Aber ich glaube, wir wären nie so weit gekommen, wenn ich das nicht gemacht hätte.“

Bilder: Steyler Missionare (Pell, Pilz, Slouk)
Text: Slouk

Bei allem Ernst, den ihr Einsatz erfordert: Ruth Steiners Lachen ist legendär.
Bei allem Ernst, den ihr Einsatz erfordert: Ruth Steiners Lachen ist legendär.

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