"Wir dürfen die Grenzen der Herzen nicht schließen!"

03. Apr 2020

Abstand halten ist angesagt: Das betrifft in Zeiten von Covid-19 auch die Patres und Brüder in St. Gabriel und den anderen Niederlassungen in der Mitteleuropäischen Provinz der Steyler Missionare.

Still ist es geworden im Missionshaus St. Gabriel bei Mödling. So ruhig wie noch nie in der mehr als 130-jährigen Geschichte der größten Niederlassung der Steyler Missionare in Österreich. Seit Mitte März ist die Pforte des Backsteinbaus wegen der Corona-Ansteckungsgefahr für Besucher von außerhalb geschlossen. Auch die Gottesdienste dürfen nicht mehr öffentlich gefeiert werden. Das Seminarhotel und Veranstaltungszentrum GABRIUM musste seinen Betrieb einstellen, zahlreiche geplante Seminare, Vorträge und Hochzeiten wurden abgesagt, die MitarbeiterInnen in Kurzarbeit geschickt. 

„Die Aufgabe von St. Gabriel war es immer, dass Missionare von hier hinausgehen, um die Botschaft Christi zu verkünden. Nun ist es unsere Mission, daheim zu bleiben, um niemanden zu gefährden“, sagt Pater Franz Helm, der Rektor des Missionshauses. Und um selbst nicht mit dem Corona-Virus angesteckt zu werden: Denn der Großteil der 40 Patres und Brüder gehört zur Risikogruppe. „Der Altersdurchschnitt unserer Hausgemeinschaft ist 75 Jahre, unserer ältester Mitbruder ist 90. Viele haben chronische Erkrankungen“, berichtet Pater Helm. Neben den Missionaren leben auch noch vier Steyler Schwestern in St. Gabriel, zwei OTP-Studenten aus Indonesien, ein Neumissionar aus dem Kongo sowie Generalvisitator Xavier Thirukudumbam, der nach der Visitation der Mitteleuropäischen Provinz wegen der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie nicht mehr ins Generalat nach Rom zurückkehren konnte.

In St. Gabriel müssen die Türen wegen der Maßnahmen gegen das Corona-Virus geschlossen bleiben.
In St. Gabriel müssen die Türen wegen der Maßnahmen gegen das Corona-Virus geschlossen bleiben.

"Wir sind privilegiert"

Ins Haus kommen derzeit nur die Köchinnen und die Pflegerinnen, die im Freinademetzheim betagte und pflegebedürftige Steyler betreuen. Die übrigen Angestellten in der Verwaltung und in der Missionsprokur arbeiten im Home Office. Weil auch das Reinigungspersonal nicht mehr im Haus arbeiten kann, kümmern sich die Patres und Brüder selber ums Putzen und ums Wäschewaschen. „Der Zusammenhalt unter den Mitbrüdern ist sehr groß. Die jüngeren und fitteren unterstützen jene, die schon gebrechlich sind“, berichtet der Rektor. „Wir halten uns natürlich an die empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen: Abstand halten, Hände waschen und desinfizieren, kein Friedensgruß und keine Kelchkommunion bei den Messfeiern.“ 

Aber der Rektor weiß auch: „Wir sind in St. Gabriel in der derzeitigen Situation im Vergleich zu vielen anderen Menschen wirklich privilegiert. Wir haben genug Platz, jeder kann sich in sein Zimmer zurückziehen, wir haben den Park, in dem wir spazieren gehen können und wir haben die Möglichkeit, in Gemeinschaft weiter Liturgie zu feiern“, betont Franz Helm.  

Die Stimmung im Haus ist grundsätzlich positiv, auch wenn jetzt manches anders läuft als sonst: Einige Patres, die in den umliegenden Pfarren oder in Schwesterngemeinschaften in der Seelsorge tätig sind, persönliche Aussprache und Beichtgespräche anbieten, können diese Dienste derzeit nicht leisten. „Aber sie bemühen sich den Kontakt über Telefon und soziale Medien zu halten.“


Die Gottesdienste feiert die Hausgemeinschaft derzeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Die Gottesdienste feiert die Hausgemeinschaft derzeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Seelsorge in Zeiten von Corona

Das bestätigt auch Provinzial Stephan Dähler, der derzeit von St. Gabriel aus via Telefon und E-Mail den Kontakt zu den Steyler Missionaren in den Provinzniederlassungen in Österreich, der Schweiz, Frankreich und Kroatien hält. „Allen geht es gut, bis jetzt ist kein Steyler in der Mitteleuropäischen Provinz an COVID-19 erkrankt“, das ist die positive Nachricht. „Viele Steyler sind in Pfarren tätig. Für die Pfarrpastoral ist diese Krise eine enorme Herausforderung. Denn gerade in einer Situation, in der die Priester nahe bei den Menschen sein sollten, ihre Sorgen und Ängste mittragen sollten, ist dies nicht möglich. Aus Gesprächen mit meinen Mitbrüdern weiß ich, dass sie sich bemühen, über Internet und soziale Medien Predigten und gute Gedanken anzubieten.“ Andere Steyler, erzählt Dähler, riefen ältere Menschen in ihren Gemeinden an, von denen sie wissen, dass sie alleine sind.

„Das sogenannte Social Distancing ist aus christlicher Sicht eigentlich ein ‚No-go’, denn unser Glaube beruht auf persönlichen Begegnungen und dass wir in Gemeinschaft leben. Abstand halten ist aber derzeit unumgänglich, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen“, betont der Provinzial. „Wir müssen allerdings aufpassen, dass dieses äußere Abstand halten langfristig nicht zu einer inneren Distanzierung führt.“ Er sieht in der Krise auch eine Chance: „Wir merken jetzt, dass keiner für sich allein sein kann, dass wir aufeinander angewiesen sind, aufeinander schauen und Rücksicht nehmen müssen. Diese Werte sollten wir uns auch langfristig erhalten.“

Steyler Nothilfe-Projekte

Als weltweite tätige Ordensgemeinschaft appellieren die Steyler, dass Solidarität und Verbundenheit nicht auf Österreich oder Europa beschränkt bleiben dürfen. „Im Moment werden alle Grenzen wegen Corona dicht gemacht, aber wir dürfen die Grenzen der Herzen nicht schließen“, fordert Stephan Dähler. „Während wir in Europa durch Krankenkassen oder Milliardenbeträge des Staates abgesichert sind, sind die Armen in Asien, Afrika und Lateinamerika sich selbst überlassen. Sie sind auf unsere Unterstützung gerade jetzt sehr angewiesen.“ Die Steyler Nothilfe unterstützt Projekte von Steyler Missionaren und Missionarinnen in Asien, Afrika und Lateinamerika, die sich in der Corona-Pandemie für die Ärmsten der Armen einsetzen.

Im Gebet verbunden

Mosaik mit Darstellung des Osterlamms in der Heilig-Geist-Kirche: Durch die darunterliegende Tür zieht normalerweise in der Osternacht das Licht der Osterkerze in die dunkle Kirche. Heuer entällt dieses Ritual, weil das Osterfeuer an einem anderen Ort entzündet werden muss.
Mosaik mit Darstellung des Osterlamms in der Heilig-Geist-Kirche: Durch die darunterliegende Tür zieht normalerweise in der Osternacht das Licht der Osterkerze in die dunkle Kirche. Heuer entällt dieses Ritual, weil das Osterfeuer an einem anderen Ort entzündet werden muss.

Auch in St. Gabriel bereitet man sich in diesen Tagen auf die Karwoche und das Osterfest vor. „Wir können in der Gemeinschaft feiern, aber es bleibt ein schaler Beigeschmack, weil wir es hinter verschlossenen Türen tun müssen“, stellt Provinzial Stephan Dähler fest. Erstmals kann die Palmweihe nicht am Platz vor der Heilig-Geist-Kirche stattfinden und das Licht der Osterkerze wird nicht, wie jedes Jahr, durch jene Tür in die dunkle Kirche einziehen, über der sich ein Mosaik mit der Darstellung des Osterlamms befindet. „Aber auch wenn wir heuer nur im kleinen Kreis feiern können, wir nehmen in unsere Gebete alle jene hinein, die krank sind, die in der Pflege oder anderen wichtigen Bereichen tätig sind, alle die arbeitslos sind und Zukunftssorgen haben, sowie alle unsere Förderer und Wohltäter“, so der Provinzial. „In der österlichen Hoffnung, dass wir das Leben bald wieder im gewohnten näheren Miteinander gestalten können.“

Ursula Mauritz

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