Steyler Pfarre: Mahlzeiten für Menschen in Not

17. Jul 2020

Die Pfarre Zum Göttlichen Wort in Wien-Favoriten reagiert mit einer Essensausgabe auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Pastoralassistent Cirilo Boloron, Sr. Sylvia Dolna und Wiktoria Ramza beim Kochen für die Essenausgabe
Das Gulasch und die Würstel köcheln am Herd vor sich hin.
Das Gulasch und die Würstel köcheln am Herd vor sich hin.

Der Duft von frisch gekochtem Gulasch zieht durch den Pfarrhof der Gemeinde St. Johann/Evangelist am Keplerplatz. Der Geruch kommt aus der kleinen Küche neben dem Pfarrsaal. Wiktoria Ramza, Sr. Sylvia Dolna und Pastoralassistent Cirilo Boloron sind gerade dabei, ein warmes Mittagessen für die Essensausgabe zu kochen. Um das Gulasch noch sättigender zu machen, kommen auch Kartoffel und Würstel in den großen Topf, der auf dem Herd vor sich hin köchelt.
Mitte Mai haben Cirilo Boloron und einige ehrenamtliche MitarbeiterInnen der Pfarre Zum Göttlichen Wort mit einer Essensausgabe an zwei Tagen pro Woche begonnen. Jeweils Montag und Mittwoch wird durch das Fenster des Pfarrsaals frisch gekochtes, warmes Essen in Einweg-Geschirr an obdachlose und bedürftige Menschen ausgegeben.

Die Obdachlosen am Keplerplatz

Der Keplerplatz vor der Kirche St. Johann/Evangelist
Der Keplerplatz vor der Kirche St. Johann/Evangelist
Der kleine Park vor der Keplerkirche

Die Caritas-Arbeit ist ein wichtiges Anliegen der Pfarre, die von P. Matthias Felber SVD und einem Team von Steyler Missionaren betreut wird. „Wir öffnen seit acht Jahren in Zusammenarbeit mit der Caritas in den Wintermonaten eine Wärmestube in unseren Pfarrräumen“, sagt Cirilo Boloron. Vor einem Jahr kam ein Frühstück für Obdachlose dazu. Initiiert wurde es von der aus Polen stammenden Ordensfrau Sylvia Dolna. Die Schwester gehört zum Orden der „Franziskanerinnen Muttergottes von der Immerwährenden Hilfe“. Sie wohnen im Pfarrgebiet in einer kleinen Gemeinschaft. Sr. Sylvia sind die vielen obdachlosen Menschen in der kleinen Parkanlange vor der Kirche St. Johann am Keplerplatz aufgefallen. „Sie kommen aus Polen, der Slowakei, aus der Tschechoslowakei, Russland, Weißrussland, aber auch aus Afrika“, erzählt Sr. Sylvia. Die Ordensfrau nahm sich Zeit für die Menschen, hörte ihnen zu und begleitete sie zu Untersuchungen ins Krankenhaus. Zusammen mit einem Team von Ehrenamtlichen, die Lebensmittel mitbrachten und das Frühstück vorbereiteten, lud sie die bedürftigen Menschen an Montag-Vormittagen zu einem Frühstück in den Pfarrsaal.

Neue Situation durch Corona

Doch dann kam die Corona-Pandemie, und von einem Tag auf den anderen musste die Pfarre Zum Göttlichen Wort aus Sicherheitsgründen soziale Aktivitäten wie die Wärmestube, das Frühstück und die Lebensmittelausgabe im Rahmen des Caritas-Projekts LeO einstellen. Dass die Not aber nach wie vor vorhanden war, ja sogar noch anstieg, merkte Pastoralassistent Boloron bei den Caritas-Sprechstunden: „Die Zahl der Hilfesuchenden wuchs, denn viele Menschen, die vorher mit Gelegenheitsjobs etwas Geld verdienten, wurden nun arbeitslos, bekamen aber keine staatliche Unterstützung.“
So entstand die Idee, mit einer Essensausgabe zu beginnen. An jedem Montag und Mittwoch kommen die ehrenamtlichen Helferinnen zusammen und übernehmen mit Sr. Sylvia und Pastoralassistent Cirilo Boloron das Kochen der einfachen Gerichte. „Um 9 Uhr treffen wir uns und besorgen die Hauptzutaten am nahen Viktor-Adler-Markt“, schildert Boloron. „Wir bekommen viel Unterstützung in Form von Geld- und Sachspenden aus den Gemeinden unserer Pfarre.“ Schon bald sprach sich das neue Angebot herum. Die Menschen, die sich ein Mittagessen holen – oft die einzige warme Mahlzeit – kommen aus Österreich ebenso wie aus osteuropäischen und Balkanstaaten, aus Afghanistan und Syrien sowie aus afrikanischen Ländern. Zwischen 30 und 35 Portionen werden pro Essensausgabe-Termin verteilt.

Das Plakat informeirt über die Termine und Zeiten der Essenausgabe

Nicht allen sieht man die Armut an

Ein eingespieltes Team: Wiktoria Dolna und Cirilo Boloron
Ein eingespieltes Team: Wiktoria Dolna und Cirilo Boloron
Corona gerecht: Durch das Fenster werden die in Plastikgeschirr abgepackten Portionen hinausgereicht
Corona gerecht: Durch das Fenster werden die in Plastikgeschirr abgepackten Portionen hinausgereicht

Kurz vor 12 Uhr öffnet Cirilo Boloron das Fenster des Pfarrsaals. Auf dem Gehsteig vor dem Pfarrhof warten bereits einige Männer, in der Hand Plastiksäcke mit ihrem Hab und Gut. Die Männer freuen sich sichtlich, als sie den Pastoralassistenten sehen. „Viele unserer Gäste kennen wir bereits, sie kommen jede Woche.“
Wiktoria Ramza schiebt den Servierwagen mit dem dampfenden Gulaschtopf vor das Fenster. Auf einem Tisch sind bereits Kunststoffbehälter mit Deckel und Löffel vorbereitet. Beim Befüllen der Gefäße sind Wiktoria und Cirilo ein gespieltes Team. Abwechselnd reichen sie die Plastikbecher durch das Fenster hinaus und wechseln mit jedem der Männer ein paar freundliche Worte. Manche kommen nach ein paar Minuten wieder, um sich eine zweite Portion zu holen. „Schmeckt hervorragend!“, lobt ein Mann.
Der erste Ansturm ist vorbei. Der ältere Herr, der nun unter dem Fenster wartet, sieht nicht wie ein typischer Obdachloser aus. „Es gibt immer mehr Menschen, denen man die Armut auf den ersten Blick nicht ansieht. Oft reicht die Pension nicht bis zum nächsten Monatsersten. Sie sind froh, wenn sie sich bei uns ein warmes Essen holen können“, erklärt Cirilo Boloron. Die letzten Portionen gehen an zwei Frauen. Woher sie von der Essensausgabe gehört haben, fragt sie der Pastoralassistent. „Von der Caritas“, lautet die Antwort. Die Caritas der Erzdiözese Wien hat die Essensausgabe in der Pfarre Zum Göttlichen Wort in ihre Aktion „Klimaoase – Sommerfrische im Pfarrgarten“ aufgenommen. „Wir haben zwar keinen Pfarrgarten anzubieten, aber vor der Haustür können sich unsere Gäste im Park zum Essen niederlassen“, erklärt Pastoralassistent Cirilo Boloron und schließt das Fenster, denn der Gulaschtopf ist leer.

Ursula Mauritz; Fotos: Mauritz

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