Die Interkulturalität liegt in ihren Genen

AT

04. Aug 2022

Die Steyler Missionare in St. Gabriel und ihre Lebenswelt stehen im Mittelpunkt einer Forschungsarbeit der Fachhochschule Vorarlberg.

Interkulturalität

Die Interkulturalität ist zentraler Bestandteil der Identität der Steyler Missionare. Das betrifft nicht nur die Missionstätigkeit, sondern ist durch die verschiedenen Herkunftsländer der Brüder und Patres auch wesentlich für das Miteinander in der „Gesellschaft des Göttlichen Wortes“ (SVD). Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschungsarbeit der Fachhochschule Vorarlberg. Studierende des Masterstudiums Soziale Arbeit gingen der Frage nach, wie sich die interkulturelle Lebenswelt im Orden der Steyler Missionare gestaltet. Dafür kamen sechs Studierenden im Sommer des Vorjahrs mit ihrer Professorin Erika Geser-Engleitner zu einer Forschungswoche nach St. Gabriel und führten ausführliche qualitative Interviews mit zwölf Brüdern und Patres – Europäern und Nicht-Europäern. Nun wurden die Ergebnisse veröffentlicht.
„Man kann nicht Steyler sein oder werden, wenn man dieses Interkulturelle nicht leben kann“, bringt es einer der Befragten auf den Punkt. Die Zeit in der Mission und das Eintauchen in andere Kulturen erwiesen sich für die meisten Ordensmitglieder besonders prägend für ihre Sichtweisen. Während ihres Missionseinsatzes verinnerlichten sie Wertehaltungen wie Offenheit für das Neue und Andere und die Gleichwertigkeit jedes Menschen und seiner Meinung.

Die Studentinnen der FH Vorarlberg mit ihrer Professorin Erika Geser-Engleitner
Die Studentinnen der FH Vorarlberg mit ihrer Professorin Erika Geser-Engleitner

Bereicherung und Herausforderung

Auch innerhalb der Ordensgemeinschaft in Österreich ist Interkulturalität ein Thema: In den letzten Jahren kamen vermehrt junge Ordensmitglieder aus Afrika, Asien und Lateinamerika nach Österreich. Derzeit wohnen Patres und Brüder aus 13 Herkunftsländern in St. Gabriel sowie in kleinen internationalen Gemeinschaften.
Das Zusammenleben in einer internationalen Gemeinschaft wird von den Ordensleuten als bereichernd, aber auch als sehr herausfordernd erlebt. Interkulturalität im ordensinternen Verständnis sei mehr als gegenseitiges Tolerieren, Respektieren und Nebeneinanderleben. Interkulturalität im Sinne der SVD bedeute, in einen wirklichen Dialog einzutreten. Das Lernen des interkulturellen Zusammenlebens sei ein lebenslanger Prozess, betonten die befragten Steyler Missionare. Faktoren wie Sprachkenntnisse, gemeinsames Schaffen, Zuhören, Empathie und Offenheit sowie Respekt seien entscheidend, damit interkulturelles Leben besser gelingen kann. Führende Ämter werden in der Mitteleuropäischen Provinz allerdings nach wie vor von Personen aus Europa ausgeübt. "Man verhält sich zögerlich, wenn es darum geht Kandidaten aus anderen Kontinenten zu ermöglichen Leitungsfunktionen zu übernehmen", heißt es in dem Forschungsbericht.

Das Zusammenleben in einer internationalen Gemeinschaft ist Bereicherung und Herausforderung.
Das Zusammenleben in einer internationalen Gemeinschaft ist Bereicherung und Herausforderung.

Mehrwert sein

Die Studierenden der FH Vorarlberg versuchten bei ihrer Feldforschung auch herauszufinden, wie sich der Alltag in der einer klösterlichen Gemeinschaft in der heutigen Zeit gestaltet und wie die Zukunftsperspektive des Ordens und des Missionshauses St. Gabriel von den Brüdern und Patres gesehen wird.
Der Tagesablauf in St. Gabriel ist weitgehend durch den Rhythmus der gemeinsamen Gebetszeiten, Arbeit und Freizeit geprägt. Doch trotz aller Konformität gibt es auch Platz für Individualität, der Alltag richtet sich nach dem jeweiligen Tätigkeitsbereich im Orden. Den Sinn ihrer Arbeit sehen die Steyler Missionare darin, „etwas für andere zu tun, ein Mehrwert für die Menschen und die Gesellschaft“ zu sein. „

Leben im Rhythmus der Gebetszeiten: Gottesdienst in der Krypta
Leben im Rhythmus der Gebetszeiten: Gottesdienst in der Krypta

„Aktivstes Altersheim Österreichs“

Trotzdem sich der überwiegende Teil der Ordensmänner bereits in Pension ist, gehen die Patres und Brüder dennoch in der Mehrzahl so lange wie möglich ihren (ehemaligen) Tätigkeiten nach. Nichts tun, gibt es kaum in St. Gabriel, das von den Ordensmitgliedern daher scherzhaft als „aktivstes Altersheim Österreichs“ bezeichnet wird.
Das Weiterarbeiten im Alter bewirkt ein Gefühl von Selbstwirksamkeit, gibt Struktur, erhält den sozialen Austausch, schützt vor Vereinsamung und gibt den Ordensmitgliedern nach wie vor das Gefühl gebraucht zu werden.
Der Übergang zwischen Arbeitsleben und Ruhestand verläuft also anders als in der übrigen Gesellschaft. Auch andere Strukturen der Ordensgemeinschaft unterscheiden sich: Wer für den Orden arbeitet, wird auch vom Orden versorgt. Durch das gemeinschaftliche Wirtschaften fallen persönliche finanzielle Probleme oder Sorgen wegen Arbeitslosigkeit weg. Kritisiert wurde von einigen Steyler Missionaren, dass es die Gesellschaft als selbstverständlich erachtet, dass Ordensleute prinzipiell „um Gottes Lohn“ Tätigkeiten ausführen. Der Wert ihrer Arbeit sollte geschätzt und entsprechend entlohnt werden, wünschen sich die Ordensmänner.

Loslassen tut weh

Auch mit den Zukunftsperspektiven des Ordens beschäftigten sich die Studierenden in ihrem Forschungsbericht. Die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte – weniger und immer ältere Ordensmitglieder – haben zu schmerzhaften und herausfordernden Prozessen geführt: Schließung von Ordenshäusern und -schulen, Verkauf von Gebäuden usw. Dies betraf vor allem auch das Missionshaus St. Gabriel. Die Abgabe der Verantwortung für die Liegenschaft an einen Immobilienfonds, Umbauten (z.B. für das Hotel und Seminarzentrum GABRIUM) sowie die Vermietung vieler Räumlichkeiten waren für Patres und Brüder mit großen Schmerzen verbunden. Dem steht die Erleichterung gegenüber, die Verantwortung nicht mehr tragen zu müssen und den Fokus mehr auf die Gemeinschaft legen zu können - ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist.
Das Zusammenleben in der Ordensgemeinschaft wird in den Interviews nicht nur harmonisch dargestellt. So wie in Partnerschaften und Familien können kleinere Anlässe zu Konflikten führen. Wenn es keinen Ausweg aus einem Konflikt zu geben scheint, hilft das Gebet. „Die Ordensmitgliederwirken in keinster Weise verklärt oder romantisiert, sondern ehe realistisch gelassen, mit einem großen Vertrauen auf Gott und ihre Gebete“, resümieren die Studienautorinnen.

Forschungsbericht FH Vorarlberg

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