"Ich habe den besten Job gehabt"

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17. Apr 2023

Zehn Jahre stand P. Stephan Dähler SVD an der Spitze der Schweizer und der Mitteleuropäischen Provinz. Im Interview blickt er zurück auf herausfordernde Zeiten und besonders schöne Momente.

"Ich habe den besten Job gehabt"

P. Dähler, Sie haben jetzt zehn Jahre die Funktion des Provinzials ausgeübt, zunächst waren Sie drei Jahre Provinzial in der Schweiz, seit Mai 2016 sind Sie Provinzial der neu gegründeten Mitteleuropäischen Provinz. Am 1. Mai übergeben Sie das Amt an Ihren Nachfolger. Wie geht es Ihnen dabei?
Ich bin glücklich, dass wir mit P. Christian Stranz einen hervorragenden Nachfolger gefunden haben und ich ihm die Aufgaben in der Provinz übergeben kann. Ihm zur Seite steht mit dem Provinzrat ein gutes Team aus erfahrenen und neuen Provinzräten. Ich bin froh, dass ich nach so langer Zeit nun die Verantwortung für die Provinz anderen überlassen kann und in Zukunft wieder ein „einfacher“ Mitbruder sein werde.
Aber natürlich bin ich gerne bereit, Christian Stranz und dem Provinzrat in nächster Zeit mit Rat und Tat zur Verfügung zu stehen!

P. Stephan Dähler (rechts) mit seinem Nachfolger. Am 1. Mai übergibt er das Amt des Provinzials an P. Christian Stranz (im Bild bei der Feier zum 30-jährigen Priesterjubiläum von P. Stranz)
P. Stephan Dähler (rechts) mit seinem Nachfolger. Am 1. Mai übergibt er das Amt des Provinzials an P. Christian Stranz (im Bild bei der Feier zum 30-jährigen Priesterjubiläum von P. Stranz)
Ein starkes Team: Die Provinzräte P. Franz Helm (Vizeprovinzial), P. Matthias Helms, P. Benjamin Kintchimon und P. Christian Stranz leiteten zusammen mit P. Stephan Dähler die Mitteleuropäische Provinz.
Ein starkes Team: Die Provinzräte P. Franz Helm (Vizeprovinzial), P. Matthias Helms, P. Benjamin Kintchimon und P. Christian Stranz leiteten zusammen mit P. Stephan Dähler die Mitteleuropäische Provinz.

Was waren die wichtigsten Projekte und Entwicklungen in der Provinz während Ihrer Amtszeiten?
Das waren vorerst die Überlegungen, wie es in der Schweiz weitergehen wird: Soll und kann die Provinz eigenständig bleiben oder gehen wir den Weg der Zusammenlegung mit der österreichischen Provinz? Und dann, als die Entscheidung gefallen ist, der Prozess des Zusammenwachsens der beiden Provinzen.
Wir haben in den letzten Jahren die Strukturen in der Provinz verschlankt: Die Entwicklung in St. Gabriel mit den Lebenswelten, in denen sich viele Betriebe angesiedelt haben und das GABRIUM eröffnet wurde, war bereits eingeleitet und wurde konsequent weiterverfolgt. Mittlerweile haben die Mitbrüder diese - zunächst mit Sorge betrachtete - Lösung akzeptiert und sind gut hineingewachsen.
Das Missions-Privatgymnasium St. Rupert in Bischofshofen wurde an die VOSÖ (Vereinigung der Ordensschulen Österreichs) übergeben und die Marienburg in der Schweiz verkauft.
Wir legten den Schwerpunkt der Arbeit der SVD eher auf die Pfarrpastoral, wo wir mit kleinen Gemeinschaften von Mitbrüdern tätig sind. Wichtig war mir dabei, die Mitbrüder aus Übersee gut zu unterstützen und auf Strukturveränderungen in den Diözesen zu reagieren. So haben wir uns als SVD zum Beispiel aus der Steiermark zurückgezogen, aber die Pfarre in Bischofshofen personell verstärkt und uns im Jugendzentrum „Steyle Welt“ und der Schulseelsorge eingebracht. In Paris haben die Steyler Missionare eine zweite Pfarre übernommen, in Kroatien fiel die Entscheidung, unser Haus in Zadar als Sitz der Mitbrüder und als Ferienhaus für uns und Menschen in unserem Umfeld umzubauen.

Eröffnung des Seminarhotels GABRIUM in den Lebenswelten St Gabriel im März 2018
Eröffnung des Seminarhotels GABRIUM in den Lebenswelten St Gabriel im März 2018
Das Missions-Privatgymnasium St. Rupert wurde an die Vereinigung der Ordensschulen Österreich übergeben.
Das Missions-Privatgymnasium St. Rupert wurde an die Vereinigung der Ordensschulen Österreich übergeben.

Die Mitteleuropäische Provinz ist durch die Zusammenlegung der österreichischen und der Schweizer Provinz entstanden. Bei Ihrer Amtseinführung war davon die Rede, dass das Zusammengehen keine Zwangsehe sein soll, sondern eine Vernunftehe, die sich immer mehr zu einer Liebesehe entwickelt. Wie gut ist dieser Prozess bis jetzt gelungen?
Der Prozess der Zusammenlegung ist so gut verlaufen, dass ihn niemand mehr in Frage stellt. Es war damals die richtige Entscheidung. Jeder Distrikt ist relativ selbständig, aber die einzelnen Mitbrüder wissen, dass sie zu einem größeren Ganzen gehören. Es gibt keine Blockbildung, sondern ein gutes Miteinander. Dass ich zwar gebürtiger Schweizer bin, mich aber in beiden Ländern zu Hause fühle, war sicher kein Nachteil bei der Leitung der Provinz.

Welche Probleme stellten Sie vor besonders große Herausforderungen? Was ist gut gelungen und welche offenen Themen hinterlassen Sie Ihrem Nachfolger und seinem Rat?
Während in Österreich die Mitbrüder in kleinen und größeren Gemeinschaften arbeiten und sich viele ältere Mitbrüder, die nach St. Gabriel zurückgekommen sind, gut eingelebt haben, haben wir es nicht geschafft, nach der Schließung der Marienburg in einer Gemeinschaft in der Ostschweiz unterwegs zu sein. Viele Mitbrüder sind dort alleine in Pfarren tätig.
Was die Ordensleitung in der Provinz sicher auch noch beschäftigen wird, ist die Frage, wie wir es schaffen, unsere Identität als Steyler Missionare in den Pfarren zu leben und über der Pfarrarbeit nicht auf die Ordensgemeinschaft zu vergessen, dafür fehlt es im Alltagsstress oft an Energie. Wir haben viele Einzelkämpfer, aber in der Ausbildung fehlt vielleicht das Erlernen von Teamarbeit.
Ein weiteres offenes Thema: Wie kann es uns Steylern gelingen, auch außerhalb der Pfarrstrukturen in unseren charakteristischen Dimensionen Schritte zu setzen? Etwa im Bereich „Bewahrung der Schöpfung“, Migration, Bibelarbeit usw. Wir müssen uns fragen, was es heißt, hier in Europa missionarisch tätig zu sein und die Nöte der Zeit zu erkennen.
Eine besondere Herausforderung in den vergangenen drei Jahren war die Corona-Pandemie, in der Kontakte teilweise auf die elektronischen Medien beschränkt blieben. Zwei Jahre konnten wir keine Provinzversammlung abhalten und uns nicht als „ganze“ Provinz treffen. Dieser Austausch, dieses Spüren der Gemeinschaft, hat gefehlt. Ich bin sehr froh, dass es uns im Jänner 2023 geglückt ist, uns in St. Gabriel wieder zu einer Provinzversammlung zu treffen.

Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung: Eine der charakteristischen Dimensionen der Steyler Missionare
Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung: Eine der charakteristischen Dimensionen der Steyler Missionare
Im Jänner 2023 konnte nach Corona bedingter Pause wieder eine Provinzversammlung stattfinden.
Im Jänner 2023 konnte nach Corona bedingter Pause wieder eine Provinzversammlung stattfinden.

Was ist die Mission der SVD in der Kirche und der Gesellschaft hier in Mitteleuropa? Was können die Steyler mit ihrem spezifischen Ordenscharisma beitragen?
In den von Steylern geleiteten Pfarren wird Weltkirche hautnah spürbar. Wir bringen Farbe in die Kirche! Und wir stehen für eine weltoffene, geerdete Spiritualität. Wir orientieren uns am II. Vatikanischen Konzil und seiner Volk Gottes-Theologie. Wichtig ist uns Steylern auch der Dialog in den verschiedensten Bereichen und unser Missionsverständnis, das besagt, dass Gott immer schon dagewesen ist.
Was meine Mitbrüder auszeichnet, ist, dass sie gut mit Menschen „können“, dass sie auf die Menschen zugehen und persönliche Beziehungen aufbauen. Wenn die Menschen sagen: „Ihr seid – im positiven Sinn – anders“, dann ist uns schon viel gelungen.

An welche Ereignisse und Erfahrungen erinnern Sie sich im Rückblick besonders gern?
Da denke ich zunächst an die Feier anlässlich der Zusammenlegung der Provinzen in St. Rupert zurück. Das war ein besonders schöner Moment! Sehr gefreut habe ich mich auch über die Entscheidung von Emanuel Huemer,in die „Gesellschaft des Göttlichen Wortes“ einzutreten und die Erneuerung seiner Gelübde in den letzten Jahren. Die Feiern der Gelübde- und Priesterjubiläen am 29. September waren auch immer schöne Anlässe, um dankbar auf das Leben und Wirken der Mitbrüder zurückzublicken.
In Erinnerung werden mir auch die vielen Reisen in die Niederlassungen sein. Bei den Mitbrüdern zu sein, ihr Leben und ihren Alltag zu teilen, war mir sehr wichtig.
Aber auch den schwierigsten Moment meiner Zeit als Provinzial werde ich nicht vergessen: Der war, als die Kirche in der Marienburg profaniert (Anm.: Beendigung der kirchlichen Nutzung eines Gebäudes) wurde und ich das Ewige Licht ausblasen musste.

Schöner Moment: P. Stephan Dähler bei der Feier zur Gründung der Mitteleuropäischen Provinz mit seinem Vorgänger, P. Josef Denkmayr
Schöner Moment: P. Stephan Dähler bei der Feier zur Gründung der Mitteleuropäischen Provinz mit seinem Vorgänger, P. Josef Denkmayr
Große Freude für den Provinzial: Emanuel Huemer trat in die Gesellschaft des Göttlichen Wortes ein, um seine Berufung als Ordensbruder zu leben. 2018 legte er seine ersten Gelübde ab.
Große Freude für den Provinzial: Emanuel Huemer trat in die Gesellschaft des Göttlichen Wortes ein, um seine Berufung als Ordensbruder zu leben. 2018 legte er seine ersten Gelübde ab.
Zur 100-Jahr-Feier der Schweizer Provinz konnte P. Stephan Dähler den Generalsuperior der Steyler Missionare, P. Paulus Budi Kleden begrüßen.
Zur 100-Jahr-Feier der Schweizer Provinz konnte P. Stephan Dähler den Generalsuperior der Steyler Missionare, P. Paulus Budi Kleden begrüßen.
2021 hieß es für die Steyler Missionare Abschied nehmen von der Marienburg in der Schweiz. Der schwierigste Moment für Stephan Dähler: Als er das Ewige Licht ausblasen musste.
2021 hieß es für die Steyler Missionare Abschied nehmen von der Marienburg in der Schweiz. Der schwierigste Moment für Stephan Dähler: Als er das Ewige Licht ausblasen musste.

Das Amt als Provinzial ist eine Mega-Aufgabe: Viele Termine, Reisen, Sitzungen. Sie waren als Ordensoberer und Vorgesetzter zuständig für viele Mitbrüder und Angestellte und auch letztverantwortlich für die wirtschaftlichen Belange. Woraus haben Sie Kraft dafür geschöpft?
Aus der Tatsache, dass es in der Provinz viele Menschen gibt, die sich einsetzen, die mittragen und alles am Laufen halten. Dass ich viele gute Beziehungen in und außerhalb der SVD hatte und habe und nicht alles allein machen musste. Und aus dem Glauben heraus, dass da Einer ist, der uns leitet und führt.

Hat Sie die Zeit als Provinzial verändert?
Ich hoffe schon! Vor zehn Jahren war ich sicher ein anderer als heute. Ich habe mir damals weniger zugetraut und bin mit den Herausforderungen des Amtes in meiner Persönlichkeit gewachsen. Ein Beispiel: Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, in Demut Tätigkeiten zu delegieren – nicht nur solche, wo ich mich selbst nicht gut auskenne!

Besuch des Provinzrats in den Steyler Pfarren in Paris: Sitzungen und Reisen gehören zum Job des Provinzials.
Besuch des Provinzrats in den Steyler Pfarren in Paris: Sitzungen und Reisen gehören zum Job des Provinzials.
Auch bei Veranstaltungen der Steyler Bank war P. Stephan Dähler immer wieder ein gern gesehener Gast.
Auch bei Veranstaltungen der Steyler Bank war P. Stephan Dähler immer wieder ein gern gesehener Gast.

Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger Christian Stranz? Können Sie ihm aus Ihren Erfahrungen etwas mitgeben?
Ich wünsche Christian, dass ihn die Mitbrüder genauso unterstützen, wie sie mich unterstützt haben und dass er ihre Wertschätzung dafür spürt, dass er dieses Amt übernommen hat. Aus eigener Erfahrung rate ich ihm, die Erholung nicht zu vernachlässigen. Ich wünsche ihm Menschen, mit denen er im Gespräch ist und bei denen er auch einmal loslassen und abladen kann. Und was man als Provinzial auf jeden Fall gut brauchen kann: Geduld, Gelassenheit und viel Humor!

Mit Humor geht's leichter: Trotz mancher Probleme ist Provinzial Stephan Dähler das Lachen nie vergangen.
Mit Humor geht's leichter: Trotz mancher Probleme ist Provinzial Stephan Dähler das Lachen nie vergangen.
Das gemeinsame Feiern mit Mitbrüdern und Mitarbeiter:innen lag dem Provinzial besonders am Herzen!
Das gemeinsame Feiern mit Mitbrüdern und Mitarbeiter:innen lag dem Provinzial besonders am Herzen!

Welche Aufgaben und Tätigkeiten werden Ihnen nicht abgehen?
Was mir gar nicht abgehen wird: Verwaltungsarbeit wie das Berichte schreiben, das Erstellen von Statistiken und das Ausfüllen von Fragebögen. Die Letztverantwortung zu tragen für unangenehme Dinge, für die man eigentlich nichts kann. Und natürlich die Nächte im Nachtzug, in denen man kaum schläft!

Und was werden Sie vermissen?
Ich habe den besten Job in der SVD gehabt, ich konnte gestalten, mit meinen Mitbrüdern unterwegs sein und sie in ihren Aufgaben stärken, das werde ich ebenso vermissen wie die Firmungen, die ich als Ordensoberer spenden durfte.

"Das werde ich vermissen": Besuche bei den Mitbrüdern in den Niederlassungen wie hier in Zadar, Kroatien …
"Das werde ich vermissen": Besuche bei den Mitbrüdern in den Niederlassungen wie hier in Zadar, Kroatien …
... und die Begegnungen als Firmspender mit jungen Menschen, z.B. in der Pfarre Zum Göttlichen Wort in Wien
... und die Begegnungen als Firmspender mit jungen Menschen, z.B. in der Pfarre Zum Göttlichen Wort in Wien

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Ich möchte gerne weiterhin in der Mitteleuropäischen Provinz tätig sein. Mich würde die Arbeit in der Missionsprokur reizen, vor allem die missionarische Bewusstseinsbildung oder die Mitarbeit in der Pastoral in der Schweiz oder in Österreich. Die Entscheidung, wie es für mich weitergeht, werde ich in Abstimmung mit dem Provinzrat treffen.

Worauf freuen Sie sich nach der Amtsübergabe?
Zuerst natürlich auf den Gottesdienst und die Feier am 1. Mai mit den Mitbrüdern, Mitarbeiter:innen und Weggefährten. Und dann darauf, den Büroschlüssel abzugeben! Im Sommer werde ich mir Zeit nehmen, um zu Hause bei meiner Familie zu sein, in die Berge zu gehen und Ferien in unserem Haus in Kroatien zu machen – aber diesmal ganz ohne anschließende Provinzratssitzung!
Danke für das Gespräch und alles Gute und Gottes Segen für die zukünftigen Aufgaben!

Interview: Ursula Mauritz

Pläne für die Zeit nach der Amtsübergabe: Im Sommer geht's in die heimatlichen Berge!
Pläne für die Zeit nach der Amtsübergabe: Im Sommer geht's in die heimatlichen Berge!

Zur Person
P. Stephan Dähler SVD, 54, stammt aus Gais im Kanton Appenzell (Schweiz). Er besuchte das Gymnasium Marienburg in Thal und maturierte an der Stiftsschule in Einsiedeln. 1989 trat er in die Gesellschaft des Göttlichen Wortes (SVD) ein. Es folgten Noviziat, Theologiestudium und erste Gelübde im Missionshaus St. Gabriel in Maria Enzersdorf bei Wien. Von 1997 bis 1999 sammelte Stephan Dähler erste Missionserfahrungen in Togo, Westafrika. Die ewigen Gelübde legte er 1999 in St. Gabriel ab, 2000 wurde er dort zum Priester geweiht.
Von 1999 bis 2005 wirkte er im pastoralen Dienst und im Schulunterricht. 2007 erfolgte die Ernennung zum Rektor der Steyler Gemeinschaft in der Marienburg. 2013 wurde er zum Provinzial der Schweizer Provinz gewählt. Seit 1. Mai 2016 leitete er die Mitteleuropäische Provinz der Steyler Missionare.

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