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20. Sep 2024
Br. Emanuel Huemer SVD kämpft zusammen mit Gleichgesinnten gegen den Bau der Ostumfahrung Wiener Neustadt und die Zerstörung fruchtbarer Äcker.
Seit mehr als einem Jahr besetzen Aktivist:innen das Feld eines Landwirts In Lichtenwörth (NÖ). Damit wollen sie den Bau der heftig umstrittenen Ostumfahrung Wiener Neustadt verhindern. Die rund 5 Kilometer lange Trasse soll nach Aussagen der verantwortlichen Politiker eine Verkehrsentlastung für Wiener Neustadt bringen. Allerdings um einen hohen Preis: Ein Naturschutzgebiet in den Fischa-Auen wird durchschnitten, 20 Hektar fruchtbare, wertvolle Äcker sollen dem Bau der Straße zum Opfer fallen, weitere 60 Hektar einem Gewerbegebiet. Jenen Landwirten, die einem Verkauf ihrer Gründe nicht zustimmen, droht die Enteignung.
Mitten unter den Umweltschützern, die sich gegen den Straßenbau zur Wehr setzen, ist der Steyler Missionar Br. Emanuel Huemer SVD. Wann immer es seine Zeit und seine sonstigen Aufgaben im Orden erlauben, ist Bruder Emanuel am Protest-Acker anzutreffen. „Aus Glaubens- und Vernunftgründen“ engagiere er sich hier, so Bruder Emanuel. „Im Licht des Glaubens betrachtet, machen wir Menschen seit 150 Jahren einen Sabotageakt an der Schöpfung Gottes, in dem wir sie durch den fossilen Kapitalismus ausbeuten“, so Emanuel Huemer. „Das ist die religiöse Sichtweise. Aber auch die Vernunft sagt uns, dass wir nicht den Ast absägen sollten, auf dem wir sitzen.“
Der 39jährige setzt die Beschlüsse seiner Ordensgemeinschaft damit konkret in die Tat um. Beim jüngsten Generalkapitel der SVD wurde das ökosoziale Engagement in den Ordenskonstitutionen verankert. Im neuen Leitbild der Provinz werden „prophetischer Widerstand, ökologische Umkehr und nachhaltiges Leben“ als grundlegende Prinzipien der Steyler in der Mitte Europas definiert.
„Wir haben im November 2023 das bedrohte Land besetzt“, berichtet Emanuel Huemer. „Begonnen hat es mit dem Aufbau eines Camps auf dem Ackerboden eines Bio-Bauern und dem Bau eines Baumhauses im Naturschutzgebiet Natura 2000. Im Februar begannen wir einen rund 100 Quadratmeter großen Gemüsegarten auf einer Fläche anzulegen, der die Zwangsenteignung bevorstand.“ In den Beeten und in dem Folientunnel wird eine Fülle verschiedenster Gemüsesorten angepflanzt und geerntet: Bohnen, Fisolen, Kartoffeln, Zucchini und Kürbisse, Gurken, Paprika und Melanzani, Spinat, Karotten und Radieschen, Kräuter und vieles mehr. Emanuel Huemer hat eine Vielzahl von Tomatensamen beigesteuert, spezielle Sorten, die von seinem Großvater, einem Berufsgärtner, stammen und in der Familie weiter kultiviert wurden.
Das „Protest-Gemüse“ soll zeigen, wie fruchtbar die Böden sind, die für den geplanten Straßenbau zubetoniert werden sollen, erklärt Bruder Emanuel. „Wir verwenden es für den Eigenbedarf in der Küche im Protestcamp, aber wir geben es auch bei Veranstaltungen und Märkten gegen eine Spende ab, um die Menschen zu informieren und auf unser Anliegen aufmerksam zu machen.“
Der Protest gegen die Ostumfahrung wird von mehreren Gruppierungen und Organisationen getragen. In der überparteilichen Bürgerinitiative „Vernunft statt Ostumfahrung“ ist auch die Katholische Aktion der Erzdiözese Wien vertreten. In den ORF-Sendungen Orientierung vom 15.9. und in einem Beitrag im Ö1 Format „Im Fokus – Religion und Ethik“ am 18.9.kamen vor kurzem sowohl Emanuel Huemer als auch Vertreter der Katholischen Aktion zu Wort.
Der Baustart für die Umfahrungsstraße ist für den Herbst geplant. Die Grundstücksbesitzer wurden mittlerweile enteignet und im August das Baumhaus, das die Bäume im Naturschutzgebiet schützen soll, von der Polizei vorübergehend abgerissen. Doch die Aktivist:innen wollen nicht aufgeben, wie Emanuel Huemer versichert. Die Hochwasserkatastrophe in den vergangenen Tagen macht nach Ansicht der Aktivist:innen in Lichtenwörth einmal mehr deutlich, dass gesunde Böden, die Wasser speichern können, geschützt werden müssen und nicht versiegelt werden dürfen. „Ich denke, dass es nicht unwesentlich ist, wie wir mit dem Boden umgehen – für unser eigenes Überleben“, sagt Bruder Emanuel in der Sendung „Orientierung“. Und: „In Anbetracht der Situation, in der wir sind, global, aber auch hier konkret, ist ziviler Ungehorsam ein legitimes Mittel, um den Diskurs zu verändern.“
Fotos: Emanuel Huemer SVD, Franz Helm SVD
Beitrag über das Protestcamp in Lichtenwörth in der ORF-Sendung Orientierung am 15.9.2024
Beitrag "Zum Wohle aller?" in der Ö1-Sendung Im Fokus – Religion und Ethik am 18.9.2024