AT
05. Feb 2024
P. Christian Tauchner SVD, der Direktor des Missionswissenschaftlichen Instituts St. Augustin, war im Rahmen der St. Gabrieler Vortragsreihe „Transformationen gestalten“ zu Gast im GABRIUM.
Wie Kirche und Theologie aussieht und sich artikuliert, hängt wesentlich vom Kontext ab. Dies betonte der Direktor des Missionswissenschaftlichen Instituts in St. Augustin, P. Christian Tauchner SVD, bei einem Vortrag zum Thema „Weltkirche und Interkulturalität. Zunehmende Vielfältigkeit – Kulturschaffende Kirchen von Anfang an.
Jede Theologie bzw. Ausdrucksform des Glaubens brauche kulturelle Vermittlung, sei von der Situation und Kultur der Menschen geprägt, erklärte der Steyler Missionar. Daher gebe es in einer kulturell vielfältigen weltweiten Kirche immer weniger universal gültige Antworten auf existentielle Fragen. Dies ermögliche aber auch den Zugang zu einer ungeheuren Vielfalt, einem Reichtum an Lebens- und Glaubenserfahrungen und an kulturellen Ausdrucksformen des Glaubens.
Als jüngstes Beispiel für „Spannungen und Widersprüchlichkeiten“, die vorprogrammiert seien, wenn man Kontextualität ernst nähme, nannte Tauchner die Diskussion über das Dokument der Glaubenskongregation zu Segnungen von Paaren „in irregulären Situationen“ und gleichgeschlechtlichen Paaren. Dieser Schritt entsprach langjährigen Forderungen aus westlichen Kirchen und Gesellschaften, gleichzeitig rief er aber heftigen Protest in manchen konservativen Kreisen hervor. Ablehnung kam jedoch auch von den afrikanischen Bischöfen. „Die Motivationen für den Widerstand sind durchaus unterschiedlich zwischen etwa Deutschland und dem Kongo - sie sind eben kontextuell“, erklärte Christian Tauchner. „Die gleiche Forderung entsteht also aus verschiedenen Kontexten und sollte auch im jeweiligen Kontext verstanden und diskutiert werden.“
Nach Ansicht von Tauchner zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Kirche, dass es von Anfang an um Vielfalt gegangen ist und eine vielfältige Kirche maßgeblichen Anteil an der Gestaltung der Gesellschaft und der Kultur hatte. Als Beispiel führte er u.a. die Ausbreitung des Christentums durch das Mönchtum und die Klöster an. Die schottisch-irischen Mönche verbreiteten das Christentum in ihrer spezifischen Form nördlich der Alpen. Den Benediktinern, die Schreibstuben in ihren Klöstern einrichteten und ihr Leben dem Abschreiben von Büchern widmeten, sei es zu verdanken, dass zahlreiche antike Texte erhalten blieben. „Diese Arbeit hat unsere Kultur beeinflusst und Wissen tradiert“, so Tauchner.
In diesem Zusammenhang erwähnte der Steyler Missionar auch, dass es damals zu vielfachen Inkulturationen des Christentums gekommen ist. So sei etwa die Lichtprozession in die dunkle Kirche in der Auferstehungsfeier zu Ostern ursprünglich eine keltische Lichtfeier gewesen, die auf den Heiligen Patrick zurückgeht.
In der Zeit der Reformation hätten die Bibelübersetzung Luthers und die Entwicklung des Buchdrucks maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Sprache gehabt.
Weitaus kritischer und zum Teil problematisch sieht Tauchner die neupfingstlichen Gemeindeformen, die sich später im Kontext der reformierten Kirchen entwickelten. Bei ihnen komme es oftmals zu einer politischen Instrumentalisierung von religiösen Strukturen.
In Lateinamerika gingen von den Basisgemeinden und der Befreiungstheologie wichtige Bewegungen aus, so Tauchner. In Brasilien seien die Entstehung der Arbeiterpartei und später die Überwindung der Diktatur und ein anderes Gesellschaftssystem die Folge gewesen. Für Europa anerkannte Tauchner, dass sich manche westlichen Politiker in ihrem Bemühen um Geschwisterlichkeit, Solidarität und Zusammenarbeit, aus dem die EU entstanden ist, auf ihren Glauben bezogen.
Anders als bei anderen Religionen (etwa dem Islam) sei es beim Christentum möglich, es in andere Sprachen und Kulturen zu übersetzen, hob Tauchner hervor. In der Missionsgeschichte gehörten Übersetzungen – z.B. der Bibel oder des Katechismus – zu den „faszinierendsten“ Begegnungen mit anderen Kulturen. In den letzten Jahrzehnten habe sich ein umfangreiches Forschungsfeld von „missionarischer Linguistik“ entwickelt. „Noch viel wichtiger wäre es, die zentralen Inhalte des Glaubens aus der lebendigen Glaubenserfahrung der Zeitgenossen heraus in eine verständliche Sprache unseres heutigen Lebens zu übertragen“, forderte Tauchner.
In seinem Vortrag setzte sich der Direktor des Missionswissenschaftlichen Instituts auch mit den Begriffen Inkulturation und Interkulturalität auseinander. Er wies dabei darauf hin, dass die Träger der Kultur, das betreffende Volk selbst es sei, das die Inkulturation, durchführt. Der Begriff der Interkulturalität gelte als Artikulationsmodell für das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen. Auch die Steyler Missionare, so Tauchner, hätten sich dieses Modell für ihre Arbeit und das Gemeinschaftsleben als Vorbild genommen. „Beim Generalkapitel 2012 wurde die Interkulturalität als ein unterscheidendes Merkmal und wesentlicher Teil der Identität der Steyler Missionare bezeichnet.“ Allerdings sieht Tauchner dieses Ideal noch nicht sehr verwirklicht. Diese liege zum einen daran, dass die Kultur vor Ort ausgeblendet wird und es zum anderen nicht um praktische Arbeit in Teams und Gemeinschaft gehe. Und schließlich werde das Machtgefälle zwischen Einheimischen und Ausländern nicht ernstgenommen.
Für die Mitglieder der „Gesellschaft des Göttlichen Wortes“ sei es „Auftrag und Herausforderung“, Auskunft zu geben, über die Hoffnung, die sie bewegt. „Zivilgesellschaften leben von der Inspiration der Religion“.
Besonders wichtig sei dabei der Dialog als Grundhaltung, stellte der Leiter des Missionswissenschaftlichen Instituts in St. Augustin fest. „Dialog als Grundhaltung bedeutet, respektieren und annehmen zu können, dass in anderen Menschen Gott gegenwärtig ist. Dialog bedeutet eine Sprache zu finden, in der wir gemeinsame Inhalte entwickeln zu können.“
Fotos: Franz Helm SVD
Zur Person
P. Christian Tauchner SVD, geb. 1956, stammt aus Niederösterreich. Er trat in den Orden der Steyler Missionare ein und absolvierte das Theologiestudium und die Ordensausbildung im Missionshaus St. Gabriel in Maria Enzersdorf. Nach der Priesterweihe ging er für einen Missionseinsatz nach Ecuador, wo er mehr als 20 Jahre im Medienbereich tätig war. Missionswissenschaftliche Expertise erlangte er u.a. durch die Herausgabe der spanischsprachigen Ausgabe der missionswissenschaftlichen Zeitschrift „Spiritus“. Die sozial engagierte, politische Kirche, die er in Südamerika kennenlernte, prägte den Steyler Missionar nachhaltig.
Nach seiner Rückkehr nach Österreich war Christian Tauchner Medienkoordinator seiner Ordensgemeinschaft in Österreich sowie Chefredakteur des Magazins „Stadt Gottes“. Derzeit ist er Direktor des Missionswissenschaftlichen Instituts der Steyler Missionare in St. Augustin bei Bonn.