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28. Nov 2024
Der Missionstag im Rahmen der Ordenstagungen 2024 nahm das interkulturelle Zusammenleben in den Blick.
Das interkulturelle Zusammenleben von Menschen in einer Ordensgemeinschaft ist eine Chance und Bereicherung, aber auch eine große Herausforderung, die den gemeinsamen Anstrengungen von einheimischen und ausländischen Ordensleuten bedarf. Das betonte der Provinzial der Steyler Missionar in Deutschland, P. Peter Claver Narh SVD, in seinem Vortrag beim Missionstag im Rahmen der Ordenstagungen 2024.
Etwa 50 Verantwortliche verschiedener missionierender Ordensgemeinschaften nahmen am Missionstag im Kardinal König Haus teil, um über das "Ankommen" in der Gesellschaft und Voraussetzungen für ein gelingendes Zusammenleben verschiedener Kulturen zu diskutieren. Unter den Teilnehmer:innen waren auch 17 Steyler Missionsschwestern und Missionare sowie Mitarbeiterinnen der Steyler.
Die Begegnung mit fremdem Menschen sei zugleich auch immer Begegnung mit fremden Kulturen, unser ganzes Verhalten sei schließlich von Kultur geprägt, führte Pater Nahrh aus. Damit interkulturelles Zusammenleben funktioniert, sei es wichtig, die beiden Formen von Kulturen zu verstehen: Einerseits die individualistischen Kulturen oder Gesellschaften wie sie z.B. im angelsächsischen Raum, den Niederlanden und Skandinavien zu finden sind, andererseits die kollektivistischen Gesellschaften, die Gruppenziele über individuelle Ziele stellen und vor allem in Asien, Südamerika und Afrika vorkommen.
Wichtig sei auch, beim Kennenlernen fremder Menschen nicht nur an der Oberfläche zu kratzen. „Wenn wir mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenleben, müssen wir versuchen, tiefer zu gehen“, sagte Pater Narh. Neben den sichtbaren Realitäten wie dem Aussehen, der Sprache, der Kleidung usw. eines Menschen, gelte es auch „unsichtbare Normen“ zu erkennen, etwa seine Gedanken, Ängste, Einstellungen, Werte und Überzeugungen.
Alle Kulturen hätten Standards, die dabei helfen zu entscheiden, welches Verhalten als normal, typisch bzw. gerade noch akzeptabel gilt oder aber anzulehnen ist. Kulturstandards des deutschsprachigen Raums seien in anderen Kulturen in dieser Form nicht gültig. Als Beispiele nannte der Privinzial u.a. die Sachorientierung, die verbindliche Zeitplanung, das Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein oder die strikte Trennung von Berufs- und Privatleben.
Interkulturelle Konflikte entstehen laut P. Peter Claver Narh oft in der Kommunikation, Faktoren wie Augenkontakt oder klare Verneinungen unterscheiden sich zwischen den verschiedenen Kulturen häufig. Außerdem sei es wichtig, Personen, die in ein fremdes Land kommen, Zeit zum Ankommen zu geben – idealerweise rund ein halbes Jahr.
Pater Narh betonte, dass es notwendig sei, die Differenzen in einer interkulturellen Gemeinschaft nicht zu leugnen, sich mit ihnen zu beschäftigen, umzudenken und Differenzen auch als Bereicherung zu betrachten.
Funktionierendes interkulturelles Zusammenleben beruhe also darauf, dass die verschiedenen Kulturen miteinander in Austausch kommen und voneinander lernen, gleichzeitig aber auch die Kultur vor Ort nicht vernachlässigt wird.
Wie interkulturelles Zusammenleben konkret aussehen kann, zeigten die Erfahrungsberichte von Ordensleuten. Die Steyler Missionare P. Inosens Reldi SVD aus Indonesien und P. Delfor Nerenberg SVD aus Argentinien berichteten über ihr Ankommen in Österreich und die Herausforderungen, mit denen sie bei ihrer Arbeit im Seelsorgeraum Dornbirn konfrontiert sind.
Pater Inosens Reldi betonte, dass er als Indonesier aus einem sehr vielfältigen Land stamme und Vielfalt und Interkulturalität als Gnade und Bereicherung erlebe. Für die Integration in einem fremden Land sei es sehr wichtig, die Sprache – in seinem Fall auch den Vorarlberger Dialekt - zu beherrschen. „Ich bin offen und neugierig auf die Kultur und Geschichte Österreichs, versuche aber auch, meine Sprache und Kultur, die Lieder und Speisen meiner Heimat Indonesien den Menschen in Dornbirn näher zu bringen.“ Als größte Herausforderung bei seiner Tätigkeit als Pfarrer sieht er den Verlust des Glaubens bei den Menschen hier, vor allem bei Jugendlichen.
Pater Delfor Nerenberg berichtete über das Aufwachsen in Argentinien in einer Familie mit migrantischen Wurzeln: „Mein Urgroßvater ist auch Norddeutschland eingewandert, eine Großmutter stammt vom Volk der Guaraní in Paraguay.“ Religiös geprägt wurde er durch die Volksfrömmigkeit und Befreiungstheologie in seiner Heimat. Er habe mit der Zeit gelernt, dass in der Seelsorge die Haltung des Zuhörens wichtig ist. „Nicht immer ist das, was wir an Spiritualität anbieten, das was die Menschen wirklich suchen. Wir müssen zuhören, was sie wirklich brauchen.“
Die Perspektive geflüchteter Menschen brachte der bosnische Politologe Vedran Dzihic ein, der als Jugendlicher mit seiner Familie über Kroatien und Ungarn nach Österreich floh und 1993 im Flüchtlingslager Traiskirchen ankam. Sein im Krieg erschütterter Glaube an die Menschheit sei für ihn als 16-Jähriger durch solidarische Gesten und das damalige Lichtermeer in Wien wieder gestärkt worden, erklärte Dzihic. Für Geflüchtete bedeute das Ankommen nicht nur Umsiedlung, sondern vielmehr "Suche nach einem Platz in der Welt, in dem sie als Mitmenschen akzeptiert und geschätzt werden und in der die Gesellschaft bereit ist zu helfen".
Der Diskurs über die "Anderen" habe sich verändert, sagte Dzihic, der Senior Researcher am Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip) und Lektor an der Universität Wien ist und seine Erfahrungen im Buch "Ankommen" verarbeitet hat. Die Menschlichkeit habe sich radikal verschoben, "hin zu einer Ablehnungshaltung und einer Politik der Angst". Dieser "toxischen Politik" müsse "ein neues, solidarisches 'Wir' gegenüberstehen, das mutig, konstruktiv und zugleich zart" sei, so der Politologe und Autor. Zumal Demokratie und Menschenrechte nicht garantiert seien, sei es nötig, "angestrengt für eine alternative Vision des Gemeinsinns zu kämpfen".
Quellen: Medienbüro der Ordensgemeinschaften, Kathpress
Fotos: ÖOK/Elisabeth Mayr-Wimmer, ÖOK