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19. Apr 2024
Die Pforte des Missionshauses St. Gabriel ist seine Mission: In diesen Tagen feiert Br. Thomas Ferenczy SVD seinen 90. Geburtstag.
„Missionshaus St. Gabriel, Bruder Thomas am Apparat“: Wer die Telefonnummer von St. Gabriel wählt, landet bei ihm, wer den Backsteinbau in Maria Enzersdorf betritt, wird an der Pforte freundlich von ihm in Empfang genommen: Br. Thomas Ferenczy SVD ist Hauptpförtner des Missionshauses. Ein Dienst, den er seit fast 30 Jahren mit viel Herzblut und Umsicht ausübt. Egal, welche Auskunft man benötigt oder welches Problem anliegt: Bruder Thomas weiß Rat! „Ich glaube die Arbeit an der Pforte liegt mir“, sagt der Steyler Missionar, der am 21. April seinen 90. Geburtstag feiert. „In keiner anderen Ordensfunktion hat man soviel Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen: Post- und Paketboten, Lieferanten, Handwerker, Besucher, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Missionshaus, Gäste von Ordensangehörigen, Missionare auf Heimaturlaub - bis hin zu obdachlosen Menschen.“ Sie alle behandelt Br. Thomas Ferenczy gleich freundlich, nimmt sich Zeit für ihre Anliegen und heißt alle Gäste mit einem netten Wort und einem Lächeln willkommen.
Bruder Thomas unterbricht das Gespräch, als sich die automatische Eingangstür öffnet und steckt seinen Kopf durch das Fenster der Pforte. Kompetent erklärt der Pförtner den Besuchern den Weg zur derzeit laufenden Ausstellung über Martin Gusinde. In einem Alter, in dem andere Menschen schon längst im „Ruhestand“ sind, ist Bruder Thomas, so wie viele seiner älteren Mitbrüder in St. Gabriel, noch sehr aktiv. Auch am Computer ist er „fit“, checkt regelmäßig das E-Mail-Postfach und surft im Internet. In der Betreuung der Pforte wechselt er sich mit einigen anderen Steyler Missionaren ab. „Seit es weniger ordenseigene Betriebe in St. Gabriel gibt, ist es auch an der Pforte ruhiger geworden“, berichtet Bruder Thomas.
Als Bruder Thomas auf Bitten der Ordensoberen 1995 den Dienst als Pförtner übernahm, lag bereits ein abwechslungsreiches Berufs- und Ordensleben hinter ihm. Der „echte Wiener“ – seine Mutter war Wienerin, der Vater Ungar - wuchs mit seiner Schwester und den beiden Brüdern zweisprachig auf und hatte eine „behütete Kindheit“. Diese endete abrupt, als ein Bombentreffer das Haus zerstörte, in dem sich die Wohnung der Familie Ferenczy befand. „Wir flüchteten nach Ungarn und schafften es kurz vor dem Kriegsende gerade noch zurück nach Wien ehe der 'Eiserne Vorhang' zuging. Weil unsere Wohnung kaputt war, wurden wir nach Oberösterreich ausquartiert.“ Im Stift Kremsmünster besuchte Thomas drei Jahre das Gymnasium. Aber als sein Bruder Paul ebenfalls ins Gymnasium kam, musste er die Schule verlassen und zuerst in der Landwirtschaft und später als Hilfsarbeiter in einer Riemenscheibenfabrik arbeiten. „Mein jüngerer Bruder war ein toller Schüler, ich war eher der praktische Typ“, meint Thomas Ferenczy. Später trat sein Bruder Paul bei den Benediktinern ein und nahm den Ordensnamen Heinrich an. „Viele Jahre war er Abt des Schottenstifts in Wien, danach Abt von St. Paul im Lavanttal, 2018 ist er leider verstorben“, bedauert Bruder Thomas.
Als Thomas Ferenczy im Jahr 1959 bei den Steyler Missionaren in St. Gabriel eintrat, war er schon 25 Jahre alt. „Ich habe Lithografie gelernt und danach vier Jahre in einer Wiener Druckerei gearbeitet. Ich habe gut verdient, war ein begeisterter Leichtathlet, Radfahrer, Eisläufer und Tänzer. Aber das hat mich alles nicht wirklich erfüllt. Ich war auf der Suche nach ‚mehr!‘", erzählt Bruder Thomas. Zunächst überlegte er, in das Benediktinerkloster in Beuron einzutreten. „Aber dann hat es mich doch eher zu den Steyler Missionaren gezogen.“ St. Gabriel und die Steyler kannte er schon aus seiner Kindheit. Sein Vater war in Kontakt mit Pater Wilhelm Schmidt, dem bekannten Ethnologen. Die Familie hatte auch die Zeitschriften „Jesusknabe“ und „Stadt Gottes“ abonniert. Seit seiner Jugend prägt ihn auch eine besondere Liebe zur Heiligen Schrift – da passte ein Eintritt in die „Gesellschaft des Göttlichen Wortes“ gut.
„Ich kann mich noch an den Tag erinnern, als ich als junger Bursch mit meinem Rennrad von Wien nach Maria Enzersdorf gefahren bin, um mich bei den Steyler Missionaren zum Ordenseintritt anzumelden. Das Rad habe ich neben der Pforte abgestellt, dort wo sich heute mein Arbeitsplatz befindet.“
In St. Gabriel wurde zunächst seine Demut geprüft: „Am Anfang gab es noch Zehnbettzimmer für die Postulanten, für mich war bei meiner Ankunft nicht einmal ein Bett vorbereitet. Vorerst durfte ich auch nur Bürotätigkeiten verrichten, obwohl ich doch schon in einer großen Druckerei erfolgreich mitgearbeitet hatte!“, erinnert sich der Steyler Missionar.
Doch bald wurde der junge Mann im Offset-Druck eingesetzt, eine neue Technik, die sich rasant entwickelte. Rasch wurde er Chef der Abteilung mit 17 Mitarbeitern, in der Kataloge und Zeitschriften ebenso gedruckt wurden wie die Poster der Kinderzeitschrift„Weite Welt“ oder Bücher des Verlags St. Gabriel. „Wir hatten damals die einzige Offset-Abteilung aller Steyler Druckereien in Europa." Deshalb kamen Steyler Brüder aus vielen verschiedenen Ländern, um sich einschulen zu lassen.
„Wir stellten auch den „Atlas Hierarchicus“ her. Dieser Weltatlas der katholischen Kirche, in dem alle Diözesen verzeichnet sind, ist von einem Steyler Pater ‚erfunden‘ worden. Ein sehr herausforderndes Projekt!“ In der Druckerei, schätzte er die gute Zusammenarbeit, vor allem mit Br. Bernhard Fembek SVD, der damals den Tiefdruck leitete.„Als die Druckerei geschlossen wurde, hat mit das sehr wehgetan. Damals hatte ich allerdings schon meine neue Aufgabe als Pförtner übernommen.“
Ein bisschen bedauert Bruder Thomas auch nach so vielen Jahren, dass er als Mitglied eines Missionsordens nie als Missionar ins Ausland gehen konnte. „Papua-Neuguinea hätte mich gereizt, denn dort führte die SVD auch Druckereien. Das hätte mich schon sehr interessiert, aber ich wurde damals eben in St. Gabriel gebraucht.“ Und das ist auch heute noch so! Viel Glück, Segen und Gesundheit zum 90. Geburtstag, Bruder Thomas.