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05. Dez 2024
Anlässlich des 40. Jahrestages der Proteste in der Hainburger Au veranstalteten ARGE Schöpfungsverantwortung und Steyler Missionare einen Generationendialog.
Was bewegte und bewegt Menschen vor 40 Jahren und heute, sich mutig gegen die Zerstörung von einzigartigen Naturlandschaften und für eine nachhaltige Gestaltung der Zukunft einzusetzen? Diese Frage stand am 3. Dezember 2024 im Mittelpunkt eines Generationendialogs mit Aktivist:innen der Au-Besetzungen in Hainburg (1984), in der Lobau (2021) und in der Fischa-Au bei Wiener Neustadt (2024). Unter dem Motto „40 Jahre Auenwiderstand – mit Zivilcourage die Zukunft gestalten“ hatten die ARGE Schöpfungsverantwortung und die Steyler Missionare zu der Veranstaltung in den Pfarrsaal der Pfarre Alxingergasse in Wien-Favoriten geladen.
Der Ökologe Peter Weish, 1984 bei der Besetzung der Hainburger Au aktiv, und der Steyler Missionar Br. Emanuel Huemer SVD, der sich gegen den Bau der Ostumfahrung Wiener Neustadt engagiert, spannten einen Bogen von der Besetzung der Stopfenreuther Au vor 40 Jahren bis zum Widerstand gegen Projekte in der Gegenwart. Krankheitsbedingt fehlte Georg Pleger, Aktivist beim Protestcamp gegen den Bau des Lobautunnels. Statt ihm kam Rafael Haigermoser, Vorsitzender der Katholischen Jugend Österreich, zu Wort. Pfarrer P. Matthias Felber SVD begrüßte die Besucher:innen in den Räumen der Pfarre Alxingergasse, Roman Trimmel, Vorsitzender der ARGE Schöpfungsverantwortung, führte durch den Abend und freute sich über die rege Beteiligung.
Peter Weish nahm die Besucher mit auf eine Zeitreise in die eiskalten Dezembertage des Jahres 1984: „Tausende, vor allem junge Menschen, waren unterwegs in die Au, viele blieben Tag und Nacht in den Zeltlagern in der Stopfenreuther Au, um gegen den geplanten Bau des Donaukraftwerks und die Zerstörung des letzten freifließenden Donauabschnitts in Österreich zu protestieren. Ich selbst pendelte zwischen Stopfenreuth und den Verhandlungen mit Politikern in Wien“, erinnerte sich Weish.
Die Organisation und Kommunikation zwischen den Besetzern funktionierte damals ohne Internet und Handys: „Das Hoftor eines Bauern in Stopfenreuth diente als ‚Schwarzes Brett‘, auf dem Zettel angepinnt wurden, was in den Lagern alles gebraucht wurde. Als Bilder davon im Fernsehen gezeigt wurden, brachten uns viele Menschen die benötigten Sachen vorbei. Es gab eine unglaubliche Solidarität in der Bevölkerung und auch die mediale Unterstützung war groß.“
Weish hob den gewaltfreien Widerstand gegen die Rodungen und den Polizeieinsatz hervor. „Es floss Gott sei Dank nur wenig Blut, aber es reichte, um die Räumung der Au zu stoppen.“ Nach dem von Bundeskanzler Sinowatz verkündeten Weihnachtsfrieden war das Kraftwerksprojekt schließlich im Jänner 1985 endgültig vom Tisch. Die Zivilgesellschaft hatte gesiegt, Hainburg wurde zum Symbol der Umweltbewegung in Österreich. „Seit damals hat sich die Situation jedoch dramatisch verändert“, ist Weish überzeugt. Es gebe in Umweltfragen weniger Einigkeit in der Gesellschaft, durch Medienkonzentrationen sei der unabhängige Journalismus gefährdet.
Rafael Haigermoser von der Katholischen Jugend berichtete vom Protest gegen den Bau der Stadtautobahn in der Lobau, bei dem die Besetzer sogar von einem Brandanschlag bedroht wurden. „Die Gesellschaft müsste eigentlich aufschreien, wenn Menschen, die friedlich protestieren, Gewalt angetan wird. Dieser Aufschrei unterblieb bei der Besetzung der Lobau!“ Der „Luxus“, in Österreich in einer funktionierenden Demokratie zu leben, sei eine Verpflichtung sich dafür einzusetzen, so Haigermoser.
Br. Emanuel Huemer ergänzte die persönlichen Schilderungen von Peter Weish mit einem Bericht über eine aktuelle Aubesetzung. Vor rund einem Jahr startete die Besetzung eines Ackers in Lichtenwörth. Der Protest der Bürgerinitiative „Vernunft statt Ostumfahrung“ und anderer Organisationen und Gruppen, wie z.B. der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien, richtet sich gegen den Bau der Ostumfahrung Wiener Neustadt. „Für den Bau dieser Straße sollen fruchtbare Äcker geopfert und 20 Hektar Boden versiegelt werden“, erläuterte Emanuel Huemer. Außerdem wird das Straßenbauprojekt die Aulandschaft der Fischa-Au durchschneiden und Lebensräume von Tieren zerstören.
Um zu zeigen, wie fruchtbar die Böden in dem bedrohten Gebiet sind, begannen die Aktivist:innen Gemüse anzusäen und zu pflanzen. Auch ein Folientunnel für empfindliche Pflanzen wurde angeschafft. „Das geerntete Gemüse haben wir in Wiener Neustadt verschenkt. Wir wollten so mit den Menschen über unser Anliegen ins Gespräch kommen und ihnen den Wert von biologisch gezogenem Gemüse näherbringen“, erzählte Flora, eine der Aktivist:innen. Den Besetzern geht es nicht nur darum ein Straßenbauprojekt zu verhindern: „Wir möchten zeigen, dass das Wirtschaften anders – menschengerecht gestaltet - werden muss“, so Emanuel Huemer.
Im Oktober 2024 wurde das Protestcamp in der Fischa Au geräumt. „Es wurden Bäume umgeschnitten, das Baumhaus und der Folientunnel zerstört und das Gemüse platt gemacht. Ein Jahr Arbeit am Acker sollte zerstört werden.“
Doch die Besetzer wollen sich weiter dafür einsetzen, dass die Fischa Au bleibt: „Zwei Tage nach der Räumung hat der Lauch wieder ausgetrieben. Er ist ein Hoffnungssymbol, das mir sagt: Mach weiter!“, betont Emanuel Huemer. Das sieht auch Peter Weish so: „Man muss dranbleiben. Viele Projekte sind in letzter Sekunde verhindert worden.“
Fotos: Ursula Mauritz