Altes und Neues Testament sind gleichwertig!

AT

09. Apr 2025

Bibeltheologe P. Michael Kreuzer SVD: Neue Verhältnisbestimmung zwischen Altem und Neuem Testament muss Konsequenzen haben.

Vewrkündigung des Wortes Gottes einst und heute - Vortrag P. Michael Kreuzer SVD

Eine neue Bestimmung des Verhältnisses zwischen Altem und Neuem Testament ist nach Ansicht des Bibeltheologen P. Michael Kreuzer SVD eine wesentliche Erkenntnis der modernen Bibelwissenschaft. Die Abwertung des Alten Testaments (AT) im Vergleich zum Neuen Testament (NT) wurde von einem neuen Modell abgelöst, das das AT als Voraussetzung zum Verstehen des NT sieht. „Nicht das AT muss im Licht des NT gelesen werden, sondern umgekehrt: das NT muss im Licht des AT gelesen werden“, betonte der Steyler Missionar. Das NT sei dem AT nicht überlegen, es ersetze das AT nicht, sondern setze es voraus. „In beiden Testamenten geht es um die gleiche Zuwendung zu den Armen, die gleiche befreiende Wirkung der Gegenwart Gottes, die gleiche Frage nach der Gerechtigkeit, die gleiche Rede von Liebe und Barmherzigkeit. In beiden Teilen geht es um den gleichen Gott“, erklärte Kreuzer. Das Neue am NT sei nicht eine neue Gotteslehre, ein neues Menschenbild oder eine neue Ethik, unterstrich der Bibeltheologe. Neu sei nicht der Inhalt der Lehre, sondern die Vollmacht mit der sie ergehe. „Das Reich Gottes ist keine rein zukünftige Größe mehr, sondern schon gegenwärtig wirksam und erfahrbar – in Jesus von Nazareth.“

Viele Besucherinnen und Besucher hörten mit Interesse die Ausführungen von Pater Kreuzer.
Viele Besucherinnen und Besucher hörten mit Interesse die Ausführungen von Pater Kreuzer.

Verkündigung des Wortes Gottes einst und heute

Pater Kreuzer sprach am 8. April 2025 im Rahmen der Begegnungsabende zum Jubiläum „150 Jahre Steyler Missionare“ im Missionshaus St. Gabriel über die Verkündigung des Wortes Gottes einst und heute. „Als Arnold Janssen vor 150 Jahren die Gesellschaft des Göttlichen Wortes gründete, steckte die Bibelwissenschaft noch in den Kinderschuhen." Seither habe sich viel verändert, z.B. betrachte man die Bibel nicht mehr „als historisches Buch, sondern als ein großartiges literarisches Werk“, so Kreuzer. Auch die Archäologie brachte neue wissenschaftliche Erkenntnisse für die Bibelwissenschaft, z.B. was die Landnahme des Volkes Israel betreffe.

Die neue Verhältnisbestimmung zwischen Altem und Neuem Testament erfordert Konsequenzen: Pater Michael Kreuzer übte Kritik an der derzeitigen Sonntagsleseordnung.
Die neue Verhältnisbestimmung zwischen Altem und Neuem Testament erfordert Konsequenzen: Pater Michael Kreuzer übte Kritik an der derzeitigen Sonntagsleseordnung.

Neue Erkenntnisse erfordern Konsequenzen

Michael Kreuzer zeigte sich davon überzeugt, dass die neue Verhältnisbestimmung zwischen AT und NT eine Reihe von Konsequenzen erfordert. Zum einen wären die Namen „Altes und Neues Testament“ unpassend für die beiden Teile der Bibel. Allerdings halte er auch die manchmal verwendeten Namen „Erstes und Zweites Testament“ sowie „Jüdische Bibel und Jesusschriften“ nicht für geglückt. Besser wäre es bei den alten Bezeichnungen zu bleiben, ihnen aber eine andere Bewertung zu geben.
Pater Kreuzer übte in seinen Ausführungen auch Kritik an der derzeitigen Sonntagsleseordnung, für die die Lesungen aus dem AT passend zum jeweiligen Evangelium ausgewählt wurden. Kreuzer sprach sich für eine neue Sonntagsleseordnung aus, in der Tora und Propheten in einer Bahnlesung (eine fortlaufende Lesung der biblischen Bücher) vorgetragen werden. „Eine solche neue Leseordnung, die dem AT seinen gebührenden Platz einräumt, ist ein dringendes Desiderat.“
Eine weitere Konsequenz müsse nach Ansicht Kreuzers sein, dass „im Zentrum der kirchlichen Verkündigung das Reich Gottes steht, das die gemeinsame Schnittmenge von AT und NT ist.“ Und schließlich müsse die kirchliche Verkündigung ein „Ja ohne Nein“ werden:
„Ein JA zu Jesus Christus, das kein Nein zum AT, zum Judentum und zu anderen Religionen impliziert, ein JA zum Eigenen ohne Abwertung des Anderen.“
Der Vortrag von P. Michael Kreuzer SVD bildete den Abschluss der St. Gabrieler Vortragsreihe 2024/25, die sich anlässlich des Gründungsjubiläums der „Gesellschaft des Göttlichen Wortes“ jenen Bereichen widmeten, für die die Steyler Missionare bekannt sind: Ethnologie, Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und sozial-ökologische Transformation, interreligiöser Dialog, Pfarrpastoral und Bibelapostolat.
Fotos: Franz Helm SVD

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