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19. Mär 2025
Was können Steyler Missionare zum Aufbau von Gemeinden beitragen? Vertreter:innen aus Steyler Pfarren berichteten bei einem Podiumsgespräch im Missionshaus St. Gabriel über ihre Erfahrungen.
Egal ob in der Demokratischen Republik Kongo, in Ghana, in den Banlieus von Paris oder in Wien-Favoriten: Wo auch immer Steyler Missionare in der Pfarrseelsorge tätig sind, setzen sie sich mit der jeweiligen Lebensrealität der Menschen auseinander. Sie engagieren sich im Sozialbereich, gehen auf die Menschen zu und bemühen sich um den Dialog mit anderen Kulturen, Konfessionen und Religionen. Bei einem Podiumsgespräch, das am 18. März 2025 im Rahmen der Begegnungsabende zum Jubiläum „150 Jahre Steyler Missionare“ stattfand, kamen zwei Steyler Patres und eine Pfarrgemeinderätin zu Wort. Im von P. Franz Helm SVD moderierten Gespräch, berichteten sie, wie Steyler versuchen, zum Aufbau von Gemeinden beizutragen, wo für sie die größten Herausforderungen in der Pfarrseelsorge liegen und was eine missionarische Pfarrgemeinde ausmacht.
Der gebürtige Salzburger P. Matthias Felber SVD leitet die Pfarre „Zum Göttlichen Wort“ in Wien-Favoriten und ist Dechant des 10. Bezirks, die Religionspädagogin Barbara Radlmair ist dort als Pfarrgemeinderätin aktiv und Vertreterin der Katholischen Aktion im Vikariatsrat Wien Stadt. P. Olivier Ongway SVD kommt aus der Demokratischen Republik Kongo und arbeitet als Kaplan im Pfarrverband „Am Mödlingbach“.
Alle drei Gesprächspartner machten im Lauf ihres Lebens unterschiedliche Erfahrungen mit Gemeindepastoral. Die Oberösterreicherin Barbara Radlmair kam zum Studium nach Wien und erlebte in der Ruprechtskirche, wie eine Gemeinde von Null aufgebaut wurde, ohne auf bestehende Strukturen zurückzugreifen zu können. Ganz anders die Situation in der Pfarre St. Johann am Keplerplatz, in die sie wechselte, als sie begann, an einer nahegelegenen Schule zu unterrichten. „Hier gab es schon alles, was eine Pfarre ausmacht, mit ganz klaren Regeln, die es mir nicht leicht machten, meine eigenen Ideen einzubringen. Aber ich bin langsam hineingewachsen und habe hier meine Heimat gefunden“, erzählte Radlmair.
P. Matthias Felber ging - nach „Lehrjahren“ in der Pfarrpastoral in Bischofshofen – als Missionar nach Ghana. Dort erlebte er eine völlig andere Kultur und Religiosität und ein Stück Abenteuer, z.B. wenn er in Begleitung eines Katechisten mit einem Boot über den Voltastausee zu kleinen Gemeinden fuhr. Der Steyler Missionar bekam den Auftrag, eine neu errichtete Pfarre aufzubauen. „In meiner Zeit als Pfarrer haben wir eine Kirche, ein Pfarrhaus und Brunnen gebaut, aber auch Strukturen und Gremien wie einen Pfarrgemeinderat entwickelt – das war sehr spannend“, erinnerte sich Pater Felber. Die Ausbildung von Katechistinnen und Katechisten war ihm ein besonderes Anliegen: „Dass bei meinem Abschiedsgottesdienst 70 Katechist:innen vom Bischof gesendet wurden, war eine prägende Erfahrung für mich. Sie führten fort, was wir gemeinsam erarbeitet haben.“
P. Olivier Ongway stammt aus der Demokratischen Republik Kongo. Ein Land, das von großer Armut, Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt ist. Da sein Vater als Pastoralassistent arbeitete, wuchs Olivier praktisch in der Kirche auf. „In meiner Diözese leisteten die Steyler Missionare wichtige Aufbauarbeit, errichteten Kirchen, Krankenhäuser und Schulen“, berichtete Pater Ongway. Die Armut des Landes sei eine große Herausforderung für die Ordensgemeinschaft. „Wir springen ein und übernehmen Aufgaben, die eigentlich der Regierung zukommen. Pfarrpastoral bedeutet im Kongo, nicht nur Gottesdienste zu feiern, sondern den Alltag der Menschen zu teilen.“ Auch während seiner Tätigkeit in einer Steyler Pfarre in den Vororten von Paris war P. Ongway mit Armut, Obdachlosigkeit und geflüchteten Menschen konfrontiert. „Wir sind das als Steyler gewöhnt. Wir arbeiten mit den Armen und tauchen in ihre Realität ein.“
Das Zusammenleben vom Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen sowie soziale Probleme prägen auch das Umfeld der Pfarre „Zum Göttlichen Wort“, in der Matthias Felber und Barbara Radlmair als Pfarrer bzw. Pfarrgemeinderätin Verantwortung tragen. 2015 entstand auf Wunsch der Erzdiözese eine „Pfarre neu“ mit den Teilgemeinden St. Johann, Heilige Familie und Alxingergasse, deren Leitung den Steyler Missionaren übertragen wurde.
„Der Keplerplatz ist ein sozialer Hotspot, an dem Drogenabhängige und alkoholkranke Menschen anzutreffen sind, vermehrt sind wir in Favoriten auch mit Armut konfrontiert“, erklärt Barbara Radlmair. Eine missionarische Pfarre mache für sie unter anderem aus, „dass wir neugierig sind, wie andere leben und was sie brauchen. Dass Warmherzigkeit spürbar ist und dass wir offen sind für jene Menschen, denen es nicht gut geht und die sich ausgeschlossen fühlen. Der Auftrag ist klar, der Weg dorthin aber nicht leicht.“ Laut Barbara Radlmair habe die Präsenz der Steyler Missionare zu einer größeren Offenheit und Gastfreundschaft geführt. In der Pfarre im Herzen von Favoriten gibt es in den letzten Jahren eine große Zahl von Katechumen und Erwachsenentaufen, eine Besonderheit in der Erzdiözese Wien.
Für Pater Felber braucht es als missionarische Pfarre ein „Zugehen auf die Menschen“ – dieses sei im städtischen Bereich jedoch besonders schwierig. „Hergebrachte Methoden funktionieren nicht mehr, daher setzen wir vermehrt auf Medienarbeit, etwas das typisch für uns Steyler ist.“ So „leiste“ sich die Pfarrer eine gute Pfarrzeitung, die in alle Haushalte verschickt wird und Kaplan P. Nixon Kappalamukkal SVD produziere für die geprägten Zeiten Kurzvideos, die in den sozialen Medien gepostet werden.
Sehr wichtig ist dem Pfarrer auch die Vernetzung im Bezirk - zum Beispiel mit der Polizei, mit der Bezirksvertretung und den Religionslehrern – sowie der interreligiöse Dialog. Er gehört der Interreligiösen Dialoggruppe Favoriten an, in der sich Verantwortungsträger verschiedener Religionsgemeinschaften regelmäßig zum Austausch treffen, gemeinsame Veranstaltungen umsetzen und sich bei aktuellen Ereignissen öffentlich zu Wort melden.
Für Pater Ongway ist die Ökumene ein wichtiges Merkmal einer missionarischen Pfarre. „Im Pfarrverband Am Mödlingbach“ bemühen wir uns sehr um die Zusammenarbeit mit evangelischen und orthodoxen Kirchen.“ In seinem Schluss-Statement unterstrich der Steyler Missionar, dass letztlich alle Getauften Missionare sind, dafür sei es nicht nötig in weit entfernte Erdteile zu gehen, Mission beginne vor der Haustür. „Als ich nach Europa kam fragte ich mich, was meine Aufgabe hier ist. Heute erlebe ich oft, dass viele Menschen dankbar sind und mir sagen, dass es gut ist, dass ich hier bin.“