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22. Jan 2025
Sozialethikerin Ingeborg Gabriel sprach im Rahmen der Begegnungsabende „150 Jahre Steyler Missionare“ über Mission und interreligiösen Dialog.
Der interreligiöse Dialog stützt sich auf zwei Brückenpfeiler: Auf den Glauben an die Wahrheit der eigenen Religion sowie auf die Anerkennung der Wahrheit im Glauben des anderen. Das betonte die Sozialethikerin Prof. Ingeborg Gabriel bei ihrem Vortrag im Rahmen der Begegnungsabende zum Jubiläum „150 Jahre Steyler Missionare“ am 21.1.2025 im Missionshaus St. Gabriel. Die heute oftmals eingeforderte Position, einen neutralen Standpunkt gegenüber allen anderen Religionen einzunehmen, sei genauso unbefriedigend wie das absolutistische Wahrheitsverständnis, das in der katholischen Kirche bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil – und teilweise auch noch darüber hinaus – vertreten wurde. „Je größer meine Sicherheit in der eigenen Glaubenswahrheit ist, umso fähiger bin ich zum Dialog. Es ist wichtig, beide Brückenpfeiler ernst zu nehmen!“, ist die emeritierte Vorständin des Instituts für Christliche Gesellschaftslehre und Leiterin des Fachbereichs Sozialethik der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien überzeugt.
Nach Ansicht der Sozialethikerin stellen Mission und interreligiöser Dialog keinen Widerspruch dar. „Es gibt verschiedene Formen christliche Mission zu betreiben. Der Dialog gehört jedoch immer dazu.“ Christliche Mission habe – wie schon im Missionsdekret „Ad Gentes“ betont – einen dialogischen Charakter. Das gelte auch für den interreligiösen Dialog.
„Der interreligiöse Dialog ist Teil der Mission der Kirche.“ Der Dialog sei keine Einbahnstraße, es gehe darum, dass der eine vom anderen lernt, unterstrich Gabriel, die im Prozess des Dialogs auch immer einen Prozess der „eigenen Bekehrung“ sieht.
Gabriel setzte sich in ihrem Vortrag auch allgemein mit dem Begriff „Mission“ auseinander. Mission sei ein multidimensionaler Begriff: So würden die diplomatischen Botschaften z.B. als „Österreichische Missionen im Ausland“ bezeichnet bzw. spreche man auch von „Mission-Statements“ von Unternehmen. Zu einer „Mission“ gehören, so Gabriel, vier Faktoren: Mission setzt eine Überzeugung voraus, sie vertritt für den, der sie verbreitet etwas Gutes, sie richtet sie an andere Menschen und will sie gewinnen und sie ist im Allgemeinen öffentlich. Das Image christlicher Mission sei aufgrund der Kolonialgeschichte negativ. Für viele Menschen sei damit die Zwangsbekehrung fremder Völker bzw. das „Aufzwingen“ einer anderen Meinung verbunden.
Der dialogische Charakter von Mission sei das Gegenteil davon, jemandem seine Wahrheit aufzuzwingen, das Gegenteil von Gewalt. Als wichtige Dokumente zu Mission und interreligiösem Dialog nannte Gabriel das Missionsdekret „Ad Gentes“ des Zweiten Vatikanischen Konzils (1965) und das Dokument „Über menschliche Geschwisterlichkeit“, das 2019 von Papst Franziskus und dem Großimam von Al-Azhar, Ahmad Al-Tayyeb, unterzeichnet worden war. Dessen Inhalte stellten eine „Revolution“ dar.
Ingrid Gabriel erinnerte in ihrem Vortrag auch auf die wesentlichen Beiträge, die P. Andreas Bsteh SVD (1933 – 2021) für den interreligiösen Dialog leistete. Gabriel hatte viele Jahre lang mit dem Steyler Missionar bei der so genannten „Wiener Dialog Initiative“ zusammengearbeitet. „Die Stärke der Dialoginitiativen Pater Bstehs war der Geist der Einheit, der sich durch alle Tagungen, Veranstaltungen und Buchveröffentlichungen durchzog und durch den sogar Freundschaften entstanden sind.“
1975 hatte der Fundamentaltheologe Andreas Bsteh zur ersten Religionstheologischen Studientagung nach St. Gabriel geladen. Bis 1990 folgten weitere sechs Tagungen. Nach der Gründung des Religionstheologischen Institutes (1991) folgten auf Einladung von Außenminister Alois Mock zwischen 1993 und 2008 nicht nur fünf hochrangige Internationale Christlich-Islamische Dialog-Tagungen, sondern auch weitere Iranisch- Österreichische Konferenzen, Symposien und sechs Religionstheologische Akademien, die sich alle um ein gegenseitiges Verstehen und ein friedvolles Miteinander in Religion und Gesellschaft bemühten. Die Ergebnisse wurden in verschiedenen Sprachen umfangreich publiziert und von der Universität Wien im Internet zugänglich gemacht.
„Pater Bsteh ging es um den Beitrag der Religionen zum Frieden. Fragen an die und von den Weltreligionen (Buddhismus, Hinduismus und Islam) stellten einen Beitrag zur Wahrheitsfindung dar.“ Später konzentrierte sich Andreas Bsteh in seiner Arbeit auf den Islam, so Gabriel, und nannte den christlich-muslimischen Round Table, den Dialog mit den iranischen Schiiten und Reisen in den Iran, bei denen sie selbst auch dabei war, als Meilensteine.
Die christlich-muslimische Sommeruniversität in Stift Altenburg, die Pater Bsteh ein besonderes Anliegen gewesen ist, wurde von Ingeborg Gabriel zusammen mit Prof. Irmgard Marboe viele Jahre lang inhaltlich verantwortet und geleitet. Bei der „Vienna International Christian-Islamic Summer University" (VICISU) kamen Studierende und Professoren verschiedener Universitäten aus christlichen und muslimischen Ländern zum Gedankenaustausch in dem Benediktinerstift zusammen.
Fotos: Ursula Mauritz