Ich habe die Wahl

08. Sep 2021

zu Joh 6,60-71

In letzter Zeit ist mir bei mehreren Gelegenheiten bewusst geworden, dass ich immer eine Wahl habe, wie ich mich zu einer gewissen Situation stelle.

Ich habe die Wahl
Dann lass uns die Sache mal anpacken. Ein LKW voller Möbel und Kartons will nach Südtirol. (C) Foto: privat
Dann lass uns die Sache mal anpacken. Ein LKW voller Möbel und Kartons will nach Südtirol.
(C) Foto: privat

Ich hatte zugesagt, einer Schwester aus der Gemeinschaft beim Umzug zu helfen. Und es sollte ein LKW sein, den ich bis auf den zentralen Platz einer südtiroler Stadt zu fahren hatte. Je näher der Termin kam, umso aufgeregter wurde ich innerlich. Ja, es kamen Ängste in mir auf, ob ich das schaffen würde, ob wir einen Parkplatz finden würden usw. Ich ärgerte mich schon, dass ich überhaupt zugesagt hatte. Dann aber kam in mir ein anderer Gedanke auf: Du kannst es entweder von der Seite der Angst her sehen und dir die Mühe ganz groß ausmalen, die damit verbunden ist oder du kannst es als eine Herausforderung sehen, die deine Grenzen erweitert, dich neue Erfahrungen machen und wachsen lässt. Die Wahl fiel mir leicht: mit neuer Energie und Freiheit habe ich mir gesagt: Okay, nehmen wir es als Abenteuer, schließlich habe ich noch nie so ein großes Fahrzeug bewegt! Und es ist bestimmt spannend, es einmal zu tun. Und so habe ich es auch gehalten.
Die Fahrt aus der Stadt heraus über die Autobahn bis zur neuen Bleibe verlief gut. Nur bei dem Zirkeln durch die engen Gassen der Altstadt musste ich zwei Fußgängern ausweichen und habe dabei mit dem rechten Außenspiegel an der Mauer gekratzt. Schließlich haben wir alles Umzugsgut ausgeladen und im Erdgeschoss aufgetürmt. Von den versprochenen beiden Helfern zeigte sich am Ende nur einer, sodass wir nur einen Bruchteil in die Wohnung räumen konnten, denn es ging bis in den vierten Stock hinauf – und das ohne Aufzug.

In der Nacht ließen mich dann Sorgen und Ängste eine Stunde lang wach liegen. Ich hatte, Gott sei Dank, für das große Auto einen öffentlichen Parkplatz gefunden. Jetzt aber kamen mir alle möglichen Schreckensszenarien in den Sinn: Was, wenn rechts und links alles zugeparkt wäre und ich den LKW gar nicht mehr aus der engen Parklücke herausmanövrieren könnte? Es war ja auch ein Leihwagen und ich musste ihn termingerecht wieder abliefern. Was, wenn ich gar nicht wirklich auf dem Parkplatz halten durfte und ein Protokoll bekommen hätte usw. Ich konnte gar nicht mehr schlafen, so kreisten diese Gedanken in meinem Kopf. Dann habe ich mir schließlich gesagt: Ich kann da jetzt nichts machen. Alle diese Sorgen und Ängste vertraue ich dir an, Jesus. Und ich bitte dich, sorge du für mich. Mein Herz wurde leichter und ich konnte auch bald wieder einschlafen.

Als ich mich am nächsten Morgen mit dem Taxi zum Parkplatz bringen ließ, stand der LKW rundherum frei an seiner Stelle und ein gegenüber geparktes Wohnmobil fuhr gerade davon. Na, dachte ich mir, so sorgt Jesus für mich. Danke, Herr! Ich konnte wunderbar aus der Lücke herausfahren und das Auto auch wieder zeitig an der Station abliefern. Über die Kratzer am Spiegel musste ich einen Bericht schreiben und damit war die Sache geregelt.

Ja, im Rückblick bin ich froh über diese Erfahrung. Ich freue mich über meinen Mut und über die gewachsenen Fähigkeiten. Ich hätte mich auch für die Angst und die Vermeidung von Mühe entscheiden können, aber dann wäre ich nicht gewachsen und hätte keinen Grund, dankbar zu sein, wäre in meinem Selbstvertrauen nicht gestärkt worden.

In der Zeit danach ging es mir in mehreren Situationen so, dass ich in mir die Frage vernahm: Willst du jammern, vor allem auf die Mühe schauen und in deiner Komfortzone bleiben? Oder nimmst du es als Herausforderung, siehst es von der positiven Seite und gehst mit Energie die Sache an?

Der Schlüssel dafür, dass der Knoten sich öffnet, ist die achtsame Wahrnehmung dessen, was ist. (C) Foto: Free-Photos auf Pixabay
Der Schlüssel dafür, dass der Knoten sich öffnet, ist die achtsame Wahrnehmung dessen, was ist.
(C) Foto: Free-Photos auf Pixabay
Ganz allmählich nehme ich wahr, wie ein wenig mehr Klarheit in der Beziehung entsteht, ja, wie der Knoten anfängt, sich zu lösen. Nicht Gott war mir fern, sondern ich habe ihn durch meine unbewusste Wut auf Distanz gebracht, habe einen Knoten in den Verbindungsstrang gedreht, der sich nun langsam wieder öffnet.

Damit ändert sich allerdings nichts an der Situation des Erkrankten. Ich hoffe jedoch, dass ich in der größeren Klarheit, zu der ich zurückgefunden habe, besser für ihn da sein und ihn unterstützen kann. Das ist wohl wirklich eine Demutsübung: annehmen, dass Gott nicht so handelt, wie ich mir das vorstelle und wie ich es mir wünsche. Gott ist nun einmal nicht der Dienstleister für mein Wohlbefinden, er ist nicht der Versicherungsvertreter, der ein ungefährdetes Leben gewährleistet. Vielmehr stehe ich in seinem Dienst und muss wohl auch akzeptieren, dass er der Herr ist und also bestimmt, wie es läuft.

Dieser Tage war die Lesung aus dem 2. Korintherbrief 12,7-10 dran. Dort erzählt Paulus, wie Gott ihm einen Stachel ins Fleisch gegeben hat, wie er also an einer Krankheit leidet und Gott darum bittet, ihn davon zu befreien. Dreimal hat er in diesem Anliegen gefleht, aber Gott hat ihn nicht erhört und ihn nicht befreit. Stattdessen hat er ihm zu verstehen gegeben: „Du brauchst nicht mehr als meine Gnade. Je schwächer du bist, desto stärker erweist sich an dir meine Kraft.“ (V. 9; GNB)

Uff, das ist etwas Schwieriges, denn wir Menschen wollen ja nicht schwach sein. Wir sind viel lieber der Sieger als der Verlierer, viel lieber oben auf, statt auf dem Boden liegend. Und Gott erwartet von uns, dass wir Einsicht gewinnen in unsere Schwachheit, damit er dann mit seiner Kraft wirken kann? Offensichtlich muss ich akzeptieren, dass Gott anders handelt, als ich es erhoffe und ich muss meine Ohnmacht annehmen, die ich dadurch empfinde. Das nennt sich Vertrauen, das ist wohl der Glaube, der notwendig ist.

Ich bitte dich, Herr, schenke du der Krankheit ihren tieferen Sinn, schenke du dem Leidenden deine offenen Arme, die ihn halten, schenke du Heilung, wo es Heilung braucht. Und ich bitte dich, Herr, schenke du uns die Fähigkeit, auch zu unserer Ohnmacht und Schwachheit zu stehen. Fülle du sie mit deiner Gnade und zeige deine Herrlichkeit, damit wir dich preisen können. Amen.

Pater Thomas Heck SVD

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