„Wer hat dem Menschen den Mund gegeben?“

01. Mai 2022

Gott fragt den Menschen (5): Ex 4,11

Viele Menschen, die sich von Gott gerufen fühlen, bekommen es mit der Angst zu tun. Wie soll ein schwacher Mensch wie ich fähig sein, für Gott einzutreten? Doch der Verweis auf das eigene Unvermögen wird nicht gelten gelassen.

„Wer hat dem Menschen den Mund gegeben?“

Es scheint sehr selten zu sein, dass jemand gleich „Hurra“ schreit, wenn er (oder sie) begreift, von Gott gerufen und gesandt zu sein. Nein, die allermeisten Menschen fühlen sich durch diesen Auftrag überfordert. Wer bin ich denn, dass ich so etwas tun könnte? Die Bibel erzählt von vielen Berufenen, die auf Gottes Ruf mit einer Auflistung ihrer Defizite antworteten. „Aber bitte, Herr, ich bin keiner, der gut reden kann, weder gestern noch vorgestern, noch seitdem du mit deinem Knecht spricht. Mein Mund und meine Zunge sind nämlich schwerfällig“ (Ex 4,10), so die Argumentation des Mose. Ähnlich äußerte sich der Prophet Jeremia: „Ach, Herr und GOTT, ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung.“ (Jer 1,6) Man könnte meinen, diese Einwände seien nur vorgeschoben. Aber dem ist nicht so. Mose, Jeremia und viele andere, die Gott in seinen Dienst nahm, haben zurecht ihre Schwächen und Begrenzungen erkannt. Der Völkerapostel Paulus begriff, dass Gott offensichtlich ganz bewusst schwache Menschen in seinen Dienst ruft. Töricht, schwach, niedrig, von der Welt verachtet … diese Worte fielen ihm ein, als er über die von Gott Berufenen nachdachte (vgl. 1 Kor 1,26-28). Und warum wurden gerade sie ausgewählt? „Damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott“ (1 Kor 1,29), so die Einsicht des Paulus. Niemand soll der Gefahr erliegen, sich für einen außergewöhnlichen Menschen zu halten, den Gott wegen seines Könnens oder seiner Leistungen auserwählt hätte. Nein, am besten sind diejenigen geeignet, die sich ganz zurücknehmen können und Gott durch sie wirken lassen. Die Erkenntnis der eigenen Begrenzungen wird zur Chance, Gottes Wirken zu erkennen und zuzulassen.

Auf den Einwand des Mose, aufgrund der Schwerfälligkeit von Mund und Zunge nicht gut reden zu können, antwortete Gott mit einer Frage: „Wer hat dem Menschen den Mund gegeben und wer macht taub oder stumm, sehend oder blind?“ Und er gab auch gleich selbst die richtige Antwort: „Doch wohl ich, der HERR!“ (Ex 4,11f) Kein Mensch könnte aus eigener Kraft so gut reden, dass er seine Mitmenschen zum Glauben bringen könnte. Kein Mensch ist so stark, dass er Übernatürliches bewirken könnte. Wer ehrlich das eigene Unvermögen erkennt und zugibt, kann begreifen, dass er alles, was er ist und kann, von Gott empfangen hat. Ich finde spannend, dass Gott in seiner Frage nicht nur auf das verweist, was wir Menschen als „gut“ und „positiv“ beurteilen. Nein, er verweist auf sich selbst auch als Ursache von Taubheit, Stummheit und Blindheit. Wer sagt, dass das unbedingt Mängel sind? Für Gott sind alle Menschen wertvoll, nicht nur diejenigen, die gute Augen haben oder klug reden können. Und Gott kann durch alle Menschen wirken, auch durch diejenigen, die nach menschlichem Urteil als schwach, arm, krank oder behindert gelten.

Wer um die eigene Armut weiß und sich dennoch als von Gott angenommen und gerufen erkennt, wird herausgefordert, ganz auf Gottes Führung und Stärkung zu vertrauen. „Geh also!“ sagte Gott zu Mose. „Ich bin mit deinem Mund und weise dich an, was du reden sollst.“ (Ex 4,12). Ähnlich sprach Jesus zu seinen Jüngern, als er sagte, sie bräuchten keine Angst vor Verfolgung oder Gerichtsprozessen haben. „Ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, sodass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können.“ (Lk 21,15). „Der Heilige Geist wird euch in derselben Stunde lehren, was ihr sagen müsst.“ (Lk 12,12).
Es fällt uns Menschen offensichtlich schwer, uns auf diese Zusagen zu verlassen und Gott zu vertrauen. So ging es schon dem Mose, dessen Zögern und Ausreden Gott fast zur Weißglut brachten. Doch unerschütterlich hielt Gott an der Berufung des Mose fest und machte ihm eine weitere Zusage. „Hast du nicht noch einen Bruder, den Leviten Aaron? Ich weiß, er kann reden; außerdem bricht er gerade auf und wird dir begegnen. Wenn er dich sieht, wird er sich von Herzen freuen. Sprich mit ihm und leg ihm die Worte in den Mund! Ich aber werde mit deinem und seinem Mund sein, ich werde euch anweisen, was ihr tun sollt, und er wird für dich zum Volk reden. Er wird für dich der Mund sein und du wirst für ihn Gott sein.“ (Ex 4,14-16).

Gott wirkt in uns durch unsere körperlichen und geistigen Fähigkeiten, die wir von ihm empfangen. Aber er wirkt auch durch unsere Schwestern und Brüder, mit denen wir von ihm gemeinsam gesandt werden. Wir brauchen keine Angst zu haben vor seinem Auftrag. In unserer Schwäche erweist Gott seine Kraft. Darauf können wir vertrauen.

Ralf Huning SVD

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