"Was fragst du mich nach meinem Namen?"

01. Apr 2022

Gott fragt den Menschen (4): Gen 32,30

Ist ein Name wirklich nur etwas Äußerliches, ohne tiefere Bedeutung? Die Bibel sieht es anders. Im Namen offenbart sich ein Lebensprogramm. An bedeutenden Lebenswenden erhalten Menschen deshalb einen neuen Namen.

"Was fragst du mich nach meinem Namen?"

Die Gottesfrage, die hier in den Blick genommen werden soll, betrifft ein zentrales biblisches Thema: Den Namen Gottes. Die Frage begegnet in der Geschichte des Patriarchen Jakob, in einer geheimnisvollen Szene an einem Wendepunkt seines Lebens. Die Lebensgeschichte dieses Mannes ist spannend und spannungsreich. Jakob betrügt und wird betrogen und glaubt, sich sein Lebensglück trickreich erkämpfen zu müssen. Im zentralen Lebens-Konflikt mit seinem Zwillingsbruder Esau spiegeln sich auch Konflikte zwischen Völkern, die sich auf diese Männer als Stammväter berufen. Kurz vor einer entscheidenden Begegnung mit seinem Bruder, bei der es um Leben und Tod geht, muss Jakob einen Fluss überqueren (vgl. Gen 32,23-33). Dieses Hinübergehen auf eine andere Seite scheidet auch sein Leben in ein Vorher und ein Nachher. Nachdem er schon alle Angehörigen und seinen ganzen Besitz hinüber gebracht hat, bleibt Jakob alleine zurück. Und plötzlich ist da jemand, der mit ihm ringt, die ganze Nacht hindurch. Es ist nicht klar, wer dieser Widersacher ist. Es scheint, als müsste Jakob in diesem nächtlichen Kampf noch einmal alle Kämpfe seines Lebens durchleiden. Er kann nicht siegen, aber er lässt sich auch nicht besiegen. Hartnäckig ringt er die ganze Nacht hindurch. Als beim Anbruch der Morgenröte sein dunkles Gegenüber fordert, von ihm losgelassen zu werden, stellt Jakob eine Bedingung: „Ich lass dich nicht los, wenn du mich nicht segnest.“ (Gen 32,27) Für immer wird Jakob von dem Kampf gekennzeichnet sein, doch er trotzt sich aus allem Leid und allem Ringen Segen ab. Im Kampf konnte keiner den anderen bezwingen. Doch nun zeigt sich ein entscheidender Unterschied zwischen den beiden Streitern. Jakob muss seinen Namen nennen, was er auch tut, und erhält im Gegenzug einen neuen Namen: „Nicht mehr Jakob wird man dich nennen, sondern Israel – Gottesstreiter –; denn mit Gott und Menschen hast du gestritten und gesiegt.“ (Gen 32,29) Doch auf seine Bitte, nun auch den Namen dessen zu erfahren, mit dem er gerungen hat, wird nur mit einer Gegenfrage geantwortet: „Was fragst du mich nach meinem Namen?“ (Gen 32,30). Jakob akzeptiert die Verweigerung, denn spätestens jetzt weiß er, mit wem er in dieser Nacht kämpfte. Er bringt dies in dem Namen zum Ausdruck, dem er dem Ort seines Kampfes gibt: „Peniel – Gottes Angesicht“.

Der Gott, den die Bibel bezeugt, hat keinen Namen. Auch die vier Buchstaben (JWHW), mit denen in vielen Texten Gott bezeichnet wird, werden darum von den Juden nicht ausgesprochen. Gott braucht keinen Namen, durch den man ihn klassifizieren oder von anderen Gottheiten unterscheiden könnte. Es gibt nur den Einen und Einzigen. Als Mose nach dem Namen Gottes fragt, offenbart er sich mit einer Beschreibung seines Wesens, die nur schwer übersetzt werden kann: „Ich bin, der ich bin“ (Ex 3,14). Es klingt darin zweierlei an: Die Zusage seiner Gegenwart, seines Da-Seins für die Menschen, aber auch seine Unverfügbarkeit. Gott hat keinen Namen, durch den man auf magische Weise Gewalt über ihn erhalten könnte. Er kann weder be-griffen, noch er-griffen werden. Er ist der ganz Nahe und zugleich der ganz Ferne. Er ist der ganz Andere, transzendente Gott und zugleich derjenige, der in der Welt erfahren werden kann. Im Laufe eines Lebens kann man ihm auf vielfache Weise begegnen, ohne ihn jemals ganz zu begreifen. Es gibt im Menschen eine große Sehnsucht, Gottes Angesicht zu schauen, doch auch eine große Furcht vor diesem unbegreifbaren Gott. Doch wer Gott nicht loslässt, unaufhörlich mit ihm ringt, dem wird dies sicher zum Segen. Das ist die Grundbotschaft der Bibel. Wir alle sollen wie Jakob erfahren können: „Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen und bin doch mit dem Leben davongekommen.“ (Gen 32,31). Ja mehr noch, über wen Gott sein Angesicht leuchten lässt, dem ist er gnädig, dem schenkt er Schalom: Frieden, Gerechtigkeit, Heil (vgl. Num 6,22-27).

Ralf Huning SVD

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