„Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt?“

01. Nov 2022

Gott fragt den Menschen (11): Jes 55,2

Was nichts kostet, das ist auch nichts wert. Diesem Leitsatz folgen viele Menschen und ignorieren deshalb das Wunderbare, das Gott ihnen gratis anbietet.

„Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt?“

Es sind inzwischen viele Jahre gegangen, seit ich als Missionar in Nicaragua gearbeitet habe. Doch noch immer habe ich die Stimmen der Kinder und Erwachsenen im Ohr, die Tag für Tag auf den asphaltierten Straßen der Hauptstadt Managua auf und ab liefen, einen großen Sack auf dem Rücken, in dem sie Portionsbeutel mit gekühltem Wasser trugen. An jeder Ampel, bei jedem Verkehrsstau liefen sie an den wartenden Autos vorbei und schrien aus Leibeskräften „Agua, Agua!“. Sie boten etwas Lebenswichtiges an, eine Köstlichkeit bei der tropischen Hitze. Aber auch für sie selbst war es lebenswichtig, durch den Verkauf des Wassers wenigstens ein paar Cent zu verdienen. Kein Wunder, dass sie nicht müde wurden und unablässig schrien: „Wasser, Wasser!“

Der Prophet Jesaja stellt Gott wie einen Wasserverkäufer dar, der zu uns kommt und aus Leibeskräften schreit: „Auf, alle Durstigen, kommt zum Wasser!“ (Jes 50,1). Gott macht ein schier unglaubliches Angebot: „Die ihr kein Geld habt, kommt, kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld und ohne Bezahlung Wein und Milch!“ Dieses Gottesbild fasziniert mich. Gott schreit mit der gleichen Inbrunst wie die Armen in den Straßen Managuas, deren Überleben davon abhängt, dass sie etwas verkaufen. Auch Gott will unbedingt, dass wir annehmen, was er anzubieten hat. Kaufen kann man es nicht, Gottes gute Gaben gibt es als unverdientes Geschenk. Doch die meisten Menschen wenden sich ab. „Kein Interesse“ signalisieren sie ohne Worte. Wie kann das sein?, frage ich mich, bei solch einem Angebot! Diese Frage stellt auch Gott, so berichtet der Prophet Jesaja: „Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht? Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen!“ (Jes 50,2f)

Seit ich vor ein paar Jahren einem inneren Ruf folgte, der mich in die Stille führte, hat sich mir der Sinn dieses Textes noch deutlicher erschlossen. Ich machte die Erfahrung, dass sich in der Stille meine Sinne verfeinerten. Das zeigte sich auch beim Essen. Um manche Gerichte, die ich früher mit Vorliebe gekauft habe, mache ich nun einen großen Bogen. Ich habe den Geschmack an ihnen verloren, sie sind zu deftig, zu süß, zu reichhaltig. Wie so vieles in meinem Leben ist auch meine Ernährung viel einfacher geworden. Häufig bereite ich Gemüse oder Fisch mit dem Dampfgarer zu – eine schonende Methode, bei der Nährstoffe und natürlicher Geschmack besser erhalten bleiben als beim Kochen. Ich brauche nicht mehr viele Gewürze oder cremige Soßen. Manches verzehre ich gleich als Rohkost. Wie köstlich vieles schmeckt, was auf den Feldern vor meiner Haustür wächst!

Einen ähnlichen Genuss für die Sinne bereiten mir auch Spaziergänge durch Wälder und Felder. Wie schön doch viele Pflanzen sind, wie anrührend der Gesang der Vögel! Tag für Tag beschenkt uns Gott mit den Wundern der Schöpfung. Doch wir haben keine Augen mehr für das, was er uns gratis gibt. Das Naheliegende ist uns fremd geworden, wir wollen lieber fernsehen, uns von einer Flut von Bildern, Geräuschen, Aktivitäten einlullen lassen. Und wir geben viel Geld aus für Entertainment dieser Art, ohne je richtig satt zu werden. Wie seltsam! Dabei gäbe es so vieles zu entdecken, was es gratis gibt. Ich habe gemerkt: Mit der Aufmerksamkeit für die Wunder der Schöpfung wächst auch meine Aufmerksamkeit für Gottes Gegenwart. Sein Angebot gilt weiterhin: „Neigt euer Ohr und kommt zu mir, hört und ihr werdet aufleben!“ (Jes 50,3) Die Stille hilft mir dabei, Gottes Geschenke auch wahrzunehmen.

Ralf Huning SVD

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