„Ist es recht von dir, zornig zu sein?“

01. Okt 2022

Gott fragt den Menschen (10): Jona 4,4

Wir alle wünschen uns einen barmherzigen Gott. Doch dass seine Barmherzigkeit auch denen gilt, unter denen wir zu leiden haben, können wir nur schwer akzeptieren.

„Ist es recht von dir, zornig zu sein?“

Das Buch Jona unterscheidet sich deutlich von den anderen Prophetenbüchern der Bibel. Es ist keine Sammlung von Prophetenworten, sondern eine Lehrerzählung. Hauptfigur ist ein Mann, der den Namen „Taube“ trägt, hebräisch: „Jona“. Wer mit den Heiligen Schriften sehr vertraut ist, mag da an den Propheten Hosea denken, der Israel mit einer Taube verglich (Hos 7,11; 11,11). Hosea hat sehr anschaulich gezeigt, dass das Gottesvolk auf Gottes Zuwendung immer wieder mit Davonlaufen reagierte. Genauso handelt auch die Hauptfigur des Jona-Buches. Als er Gottes Ruf vernimmt, als Prophet in Ninive zu wirken, versucht er sich diesem Auftrag durch Flucht übers Meer zu entziehen. Die weitere Geschichte ist wohl allen gut bekannt: Es kommt ein starker Sturm auf und die Seeleute suchen nach himmlischer Hilfe, um nicht unterzugehen. Als herauskommt, dass Jona vor Gott auf der Flucht ist, willigt dieser ein, über Bord geworfen zu werden, wodurch der Sturm sofort abflaut. Der HERR aber schickt einen großen Fisch, der Jona verschlingt und nach drei Tagen auf Gottes Befehl hin aufs Land ausspuckt.

Jona erscheint in diesem Buch in vielerlei Hinsicht als Anti-Prophet. Er flieht vor Gottes Anruf und sucht auch nicht das Gespräch mit ihm. Die ersten, die in diesem Buch beten, sind die heidnischen Seeleute und sie gebrauchen dazu sogar Worte aus der Jerusalemer Tempel-Liturgie! Erst im Bauch des Fisches beginnt auch Jona zu beten. Nach seiner wundersamen Rettung macht er sich dann doch auf, um den Auftrag Gottes auszuführen. Dass ihm davor Angst und Bange ist, kann man gut nachvollziehen. Ninive war die Hauptstadt des Assyrer-Reiches, für Israeliten aufgrund der grausamen Eroberungskriege der Inbegriff von Schlechtigkeit und Gottesferne. Als Jona dort das Strafgericht Gottes ankündigt, geschieht etwas Unfassbares: „Die Leute von Ninive glaubten Gott“ (Jona 3,5). Alle beginnen zu fasten und Buße zu tun, angefangen vom König bis zu den kleinsten Leuten, ja sogar die Tiere werden in das große Fasten mit einbezogen. Und Gott sieht ihre echte Umkehrbereitschaft und nimmt das Strafurteil zurück.

Hier hätte das Buch eigentlich schließen können, es wäre doch ein schönes Happyend. Doch es folgt noch ein weiteres Kapitel. Der einzige, der sich über Gottes Kehrtwende nicht freuen kann, ist der Prophet Jona. Er wird zornig und offenbart in einem Gebet, dass er so etwas von Anfang an befürchtet hatte: „Eben darum wollte ich ja nach Tarschisch fliehen; denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott ist, langmütig und reich an Huld und dass deine Drohungen dich reuen.“ (Jona 4,2). Lieber will Jona sterben, als anzunehmen, dass sogar den Übeltätern Vergebung geschenkt wird. Wohl bleibt denn da die Gerechtigkeit?

Wie ein geduldiger Lehrer versucht Gott nun, dem Propheten eine Erfahrung zu schenken, durch die ihm aufgehen könnte, wie engstirnig und unbarmherzig das menschliche Gerechtigkeitsdenken ist. Er lässt über Nacht einen Rizinusstrauch wachsen, der Jona „Schatten geben und seinen Ärger vertreiben sollte“ (Jona 4,6). Dieser Strauch wird für den Propheten zum Grund großer Freude. Doch am nächsten Tag lässt Gott die Pflanze wieder verdorren. Die Freude schlägt bei Jona sofort um in Zorn und Lebensüberdruss. Das Buch endet mit zwei Fragen, die auch an uns als Lesende gerichtet sind: „Ist es recht von dir, wegen des Rizinusstrauches zornig zu sein?“ (Jona 4,9) Es ist dem Menschen leid um etwas, was ihm einfach zugefallen ist, wofür er selbst nichts geleistet hat. Aber dass es Gott leid ist um Menschen und Tiere in Ninive, die er selbst geschaffen hat und die böse geworden sind, weil sie „zwischen rechts und links nicht unterscheiden können“ (Jona 4,11), das will der Prophet nicht annehmen. Kannst du meine Barmherzigkeit wirklich nicht begreifen?, fragt Gott Jona und auch uns.

Ralf Huning SVD

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