„Was sucht ihr?“

01. Jan 2023

Jesus fragt (1): Joh 1,38

Begegnungen mit Jesus haben Folgen. Denn Jesus sucht den persönlichen Kontakt, schaut uns an und fordert uns heraus. Wir sind für ihn frag-würdig.

„Was sucht ihr?“

Wie finden Menschen das Lebensglück, wie erkennen sie den Sinn ihres Lebens? Die Antwort des Neuen Testamentes ist eindeutig: Dies geschieht in der Begegnung mit einer Person, mit Jesus aus Nazareth, der der Christus ist, der Sohn Gottes. Diese Begegnung wird meist durch andere Menschen angebahnt. So wird im Johannesevangelium gleich zu Beginn erzählt, wie Johannes der Täufer zwei seiner Schüler auf Jesus aufmerksam machte, der gerade vorbeiging: „Seht, das Lamm Gottes!“ (Joh 1,36). Es blieb bei diesem Hinweis in religiöser Symbolsprache. Die Jünger mussten selbst entscheiden, was sie mit dieser Information anfangen wollten. Sie beließen es nicht beim Schauen, sondern setzten sich in Bewegung und gingen Jesus hinterher. Doch nicht nur sie hatten jemanden gesehen, sie wurden selbst von Jesus angeschaut. „Jesus wandte sich um, und als er sah, dass sie ihm folgten, sagte er zu ihnen: Was sucht ihr?“ (Joh 1,38) Es sind die ersten Worte Jesu in diesem Evangelium und sie wurden vom Verfasser mit Bedacht gewählt. Es ist die entscheidende Frage für den geistlichen Weg jedes Menschen. „Was suchst du?“ Was wäre meine Antwort auf diese Frage, wenn ich sie mit meinen Ohren vernehmen würde, z.B. beim Betreten einer Kirche oder beim täglichen Morgengebet? Wir sollten dabei genau auf den Wortlaut der Frage Jesu hören. Jesus fragt nicht: Was möchtest du haben? Welches Problem soll ich für dich lösen?

Der Evangelist lädt uns ein, uns die Antwort der beiden Männer zu eigen zu machen, die als erste diese Frage hörten: „Rabbi – was übersetzt: Lehrer bedeutet – wo ist deine Bleibe?“ (Joh 1,38) Ich bevorzuge diese Übersetzung von Fridolin Stier. Doch auch die Übertragung unserer Einheitsübersetzung ist nicht falsch: „Wo wohnst du?“. Mit dieser Gegenfrage erbitten die beiden Männer den Lehrer Jesus um Aufnahme in sein Lehrhaus. Sie wollen bei ihm wohnen, um nicht nur seine Lehre zu hören, sondern auch sein Handeln und Verhalten im Alltag mitzuerleben und nachahmen zu können.

Doch das im griechischen Text verwendete Wort für „wohnen/bleiben“ hat noch eine tiefere Bedeutung. Dies erkennt man spätestens dann, wenn man im Evangelium bis zu den letzten Kapiteln weiterliest. In den Abschiedsreden Jesu vor seinem Tod wird „bleiben“ zum zentralen Begriff für die Nachfolge. „Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. (…) Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe.“ (Joh 15,4-5.9-10)

„Wo ist deine Bleibe?“, fragten die ersten Jünger Jesus. Hier ist die Antwort: In der Liebe seines Vaters. Wer zu Jesus kommt, sollte mehr suchen als kluge Lehren, die man mit dem Verstand aufnehmen kann. Jesus lädt uns zu einer innigen Gemeinschaft mit ihm ein. Mit Leib und Seele sollen wir eins werden mit ihm. Wer in ihm bleibt, wird mehr erhalten, als in einem Lehrhaus zu finden ist. Er wird wie Jesus eins mit dem Vater und aus seiner Liebe leben können. Und genau das ist der Sinn unseres Lebens.

Ralf Huning SVD

Datenschutzhinweis

Diese Webseite nutzt externe Komponenten, wie z.B. Facebook und Youtube welche dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln. Datenschutzinformationen