Kampf und Gebet

01. Jan 2024

Ex 17,8-13

Die Geschichte in Ex 17,8-13 redet vom „Kampf“, der vom Gebet unterstützt sein muss. „Kampf und Gebet“ – das sind laut dieser Geschichte die zwei Pole der Existenz des Volkes Gottes, solange es sein Ziel nicht erreicht hat.

Kampf und Gebet

Exodus 17, 8-13
8 Und Amalek kam und suchte in Refidim den Kampf mit Israel. 9 Da sagte Mose zu Josua: Wähl uns Männer aus und zieh in den Kampf gegen Amalek! Ich selbst werde mich morgen mit dem Gottesstab in meiner Hand auf den Gipfel des Hügels stellen. 10 Josua tat, was ihm Mose aufgetragen hatte, und kämpfte gegen Amalek, während Mose, Aaron und Hur auf den Gipfel des Hügels stiegen. 11 Solange Mose seine Hand erhoben hielt, war Israel stärker; sooft er aber die Hand sinken ließ, war Amalek stärker. 12 Als dem Mose die Hände schwer wurden, holten sie einen Steinbrocken, schoben den unter ihn und er setzte sich darauf. Aaron und Hur stützten seine Arme, der eine rechts, der andere links, sodass seine Hände erhoben blieben, bis die Sonne unterging. 13 So schwächte Josua Amalek und sein Heer mit scharfem Schwert.

Diese Episode spielt nach dem Auszug aus Ägypten und vor der Ankunft am Sinai, wo Israel die Tora (Weisung) für das Leben im Land erhält und den Bund mit Gott schließt. Sie erzählt von der einzigen „Feindberührung“ auf dem Weg – mit den Amalekitern.

Ganz überraschend herrscht auf einmal Krieg. Aber weder die Vorgeschichte noch der Ausgang des Kriegs interessiert. Am Ende steht nicht Sieg oder Niederlage, sondern allein das Ende des Tages und die augenblickliche Schwächung Amaleks. So viel ist sofort klar: Hier wird kein einmaliges (historisches) Ereignis berichtet, sondern ein exemplarisches! Die Erzählung ist story, not history! „Amalek und sein Heer“ ist Chiffre für den Erzfeind Israels, der sich ihm auf seinem gottgewollten Weg entgegenstellt und der es von seinem gottgesetzten Ziel abhalten will. „Amalek“ verkörpert Menschen, die den Plan Gottes mit seinem Volk gewaltsam hintertreiben wollen.

In diesem Fall ist kompromissloser Widerstand angesagt. Der Kampf muss auf zwei Ebenen ausgetragen werden: „unten auf dem Schlachtfeld“ und „oben auf dem Hügel“. Unten kämpfen die beiden Heere der Amalekiter und Israeliten, letztere angeführt von Josua, oben auf der Anhöhe segnen Mose, Aaron und Hur. Hier oben kommt alles auf die unscheinbare Erhebung der Arme des Mose an; der Ausgang des Kampfs hängt davon ab. Mit dem Motiv der erhobenen bzw. sinkenden Hände des Mose verdeutlicht die Erzählung die Interde¬pen¬denz zwischen Kampf und Gebet. Es braucht das Zusammen-wirken beider, der Kämpfenden und Betenden. Die Symmetrie muss gewahrt bleiben. Dass das Gebet „Unterstützung“ des Kampfs ist, wird hier physisch umgesetzt.

Im Zentrum der Verkündigung Jesu von Nazaret stand „das Reich Gottes“, wörtlicher übersetzt: „die Königsherrschaft Gottes“. Darunter verstand er kein jenseitiges Himmelreich, sondern ein irdisches Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Bewahrung der Schöpfung. Er verstand darunter, was das Alte Testament darunter verstand: die geeinte Menschheitsfamilie unter der Ägide und Tora (Weisung) Gottes, eine Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern, „die miteinander in Eintracht wohnen“, eine weitgehend egalitäre Gesellschaft ohne reich und arm, den erneuerten Menschen in einer reparierten Schöpfung.

Wenn und weil dem so ist, hat das „Reich Gottes“ auch reale, sogar höchst mächtige Feinde, die eben nicht wollen, dass „Reich Gottes“ wird, die sich seiner Entfaltung mit allen Kräften entgegenstellen, weil das gegen ihre handfesten, eigennützigen Interessen ist. Deshalb bedeutet Werden, Wachstum und Durchsetzung des „Reiches Gottes“ allemal Kampf. Wo hat es je schon einmal in der Menschheitsgeschichte wahren geistigen Fortschritt gegeben, ohne dass sich dieser gegen härteste Widerstände, gegen hartnäckigste Verbohrtheit und Dummheit, gemeinste Bosheit und Borniertheit, unter größten persönlichen Opfern von Vorreitern, bis hin zum Preis ihres Lebens, hätte durchsetzen müssen?

Ich höre an dieser Stelle einen Einwand, einen theologischen Einwand: Kommt denn das Reich Gottes nicht allein durch das Tun und Wirken Gottes?

Zunächst möchte ich klar und fest behaupten: Das Reich Gottes kommt einzig und allein durch das Tun des Menschen. Wie sollte es, wenn es eine irdische Größe ist, denn anders kommen? Durch das direkte Eingreifen Gottes in irdisches Geschehen? Nein, es fällt uns sicherlich nicht vom Himmel in den Schoß, während wir so bleiben können, wie wir sind.

Dann aber gilt es hinzuzufügen: Das Reich Gottes kommt einzig und allein durch das dem Willen Gottes gehorsame Tun des Menschen! Wir können das Reich Gottes sicherlich nicht am Reißbrett entwerfen und mit unserem kümmerlichen Verstand planen, auch mit unseren besten Absichten nicht. Wir kennen weder den Weg noch das Ziel, wie es im Konkreten aussieht. Deshalb müssen wir uns den Weg weisen lassen und das Beginnen und Vollbringen Gott anheimstellen. Es ist paradox: Alles ist an Gott gelegen und alles an uns – dass wir jetzt und jetzt tun, was wir er-horcht haben.

Deshalb gehört auch das Gebet unerlässlich zum Kampf dazu. Die Siege, die es zu erringen gilt, gilt es nicht zuletzt über uns selbst zu erringen: über unsere eigene Gottvergessenheit, Hartherzigkeit und Widerständigkeit.

In der Bibel gibt es ein ganzes Buch, das Schulung im Beten um das Kommen des Reiches Gottes ist: das Buch der Psalmen. Der Psalter ist ein „Kampfliederbuch“. Er ist dies zur Gänze, aber einige Lieder sind besonders kämpferisch. Gemeinhin haben wir mit ihnen unsere größten Schwierigkeiten. (Ob das nicht in der Hauptsache daran liegt, dass unser „Christentum“ wenig kämpferisch ist?)

Als ich angefragt wurde, das monatliche BIBELWORT im Jahr 2024 zu schreiben, ist mir bald die Idee gekommen, kurze „Kampfpsalmen“ auszuwählen und einzuladen, sie mit mir zu betrachten. Das wird sicherlich keine leichte Kost für die Leserinnen und Leser und für mich selber keine geringe Aufgabe. Aber da ich mich schon öfters beklagt habe, das verbreitete Gottesbild unserer Tage sei viel zu zahm und harmlos, meinte ich die Herausforderung annehmen zu müssen. Vielleicht gelingt es mir, Werbung zu machen für einen Gott, der mehr darf, als uns ausschließlich zu streicheln und „lieb“ zu sein.

Pater Michael Kreuzer SVD

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