26. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

„Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns“ (Mk 9,40)

1. Lesung: Num 11,25-29
2. Lesung: Jak 5,1-6
Evangelium: Mk 9,38-43.45.47-48

er auf die Integrität des Christentums bedacht ist, mag wohl mit den Jüngern Jesu sympathisieren, die die Meinung vertraten: Wer nicht in der Nachfolge Jesu steht, soll auch nicht im Namen Jesu Teufel austreiben. Viele von uns mögen ähnlich denken. In der Jesusfrage gibt es nur ein Ja oder Nein. Wer Jesus die Kraft zutraut, Dämonen auszutreiben oder andere Wunder zu wirken, erkennt darin, dass Gott mit ihm ist, dass sein Anspruch, Gottes Sohn zu sein, nicht Lüge sein kann, dass Gott sich selber Lügen straft, wenn er einen solchen „Gotteslästerer“ ausdrücklich unterstützt. Wer Jesus als Gott erkennt, muss ihn auch als Gott anerkennen, d.h. er muss tun, was Jesus will, er muss ihm „nachfolgen“. So sahen es die Jünger. So scheint es unsere innere Wahrhaftigkeit zu verlangen. Wir sind darum überrascht, wenn Jesus die Jünger anweist: Hindert sie nicht daran, in meinem Namen Teufel auszutreiben! Der Grund, den er für diese seine großzügige Haltung angibt, ist zunächst psychologischer Natur: Wer sich bei seiner Wundertätigkeit auf meinen Namen beruft, wird kaum schlecht von mir reden können. Dann aber greift Jesus über in die theologische Argumentation und sagt: Wenn euch jemand ein Glas Wasser reicht, weil ihr meine Jünger seid, wird er nicht ,,um seinen Lohn kommen“. Im Zusammenhang heißt das, dass solch einer vom ,,Lohn der Jünger“ empfangen wird, da er im Grunde zu Jesus gehört: Er anerkennt die Besonderheit der Jüngerschaft Jesu und damit Jesus selber. Und darum kann Jesus auch sagen: „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“

Es gab Epochen in der Kirchengeschichte, da die offizielle Kirche wie die Jünger des Evangeliums dachte, also radikaler als Jesus. Sie zog einen Trennungsstrich zwischen Gläubigen und ,,Ungläubigen“, zwischen Katholiken und Protestanten, zwischen praktizierenden und nicht praktizierenden Katholiken, zwischen Reinen und Sündern. Sie suchte durch Belehrung zu erziehen, durch Bestrafung abzuschrecken. Sie befürwortete die Todesstrafe wegen ,,Ketzerei“. Wenn man daran den Maßstab des heutigen Evangeliums anlegt, wird man all das kaum befürworten. Das Zweite Vatikanische Konzil hat sich offiziell für den Standpunkt grundsätzlicher Religionsfreiheit ausgesprochen. Das schließt ein, dass es apodiktische Verurteilungen ablehnt, dass es die Freiheit der persönlichen Entscheidung respektiert, dass kein konkreter Mensch nur Sünder oder nur tugendhaft ist, dass im größten Sünder ein Funke guten Willens vorhanden ist und der Geist Gottes ihn ständig ruft. Es gibt eine Fabel von einem verendeten Hund am Straßenrand. Da kam dieser und jener vorbei; er rümpfte die Nase und wusste dieses und jenes Schauerliche über den verendeten Hund zu sagen. Da kam auch Jesus vorüber, und er stellte fest: Was hat der Hund doch schöne Zähne! Ich meine, diese Parabel ist dem heutigen Evangelium abgelesen: Jesus weiß immer noch etwas Gutes über den Menschen zu sagen. Er ist wie eine Mutter, die um die tiefsten Regungen im Herzen ihres Kindes weiß und darum bis ans Ende zu ihm steht. Jesu Wort: „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns“, ist ein Zeugnis dafür, dass Jesus voller Liebe ist und darum mit dem Herzen einer Mutter urteilt.

Nun aber zur theologischen Argumentation. Wir vergessen in unserem Urteilen allzu leicht, dass die Welt eine Einheit ist, dass alle Welt - die materielle und geistige, die natürliche und übernatürliche - in Gott ihren Ursprung hat und darum die Spuren Gottes in ihr nie ganz ausgelöscht werden können. Der Dichter spürte das, wenn er die Worte niederschrieb: „Wär‘ nicht das Auge sonnenhaft, - Die Sonne könnt‘ es nie erblicken. - Läg‘ nicht in uns des Gottes eig’ne Kraft, - Wie könnt‘ uns Göttliches entzücken“ – (Joh. W. v. Goethe). Es ist eine uns von Gottgegebene Veranlagung, die Sonne zu sehen. Gott hat uns auch die Veranlagung gegeben, ihn selber zu erfahren und uns an ihm zu erfreuen, durch „Göttliches entzückt“ zu werden. Wer die Sonne nicht sieht, ist blind. Gott nicht zu sehen ist geistige Blindheit, ist eine Anomalie, eine Krankheit. Es gehört ein großes Maß an Verblendung dazu, Gott bewusst zu leugnen. Es ist eine furchtbare Verirrung, wenn jemand an die Stelle Gottes eine geschaffene Materie setzt oder den Computer oder den Atommeiler oder auch den menschlichen Geist. Bei den Naturvölkern ist so etwas kaum möglich.

Das heutige Evangelium führt uns aber einen Schritt weiter. Da geht es nicht nur um die Erfahrung Gottes, sondern um unser Verhältnis zu Christus. An Christus führt kein Weg vorbei, das ist unser fester Glaube. Genügt es aber, „nicht gegen“ Christus zu sein, um ,,zum Heil zu kommen‘‘? Das heutige Evangelium deutet das an. Der Hinweis auf den Becher Wasser, den jemand den Jüngern Christi reicht, unterstreicht das und verweist darüber hinaus auf die Gerichtsszene des Matthäus-Evangeliums (Mt 25): Die auf der rechten Seite wissen gar nicht, dass sie Jesus zu essen und zu trinken gegeben haben, dass sie ihn am Krankenbett und im Gefängnis besucht haben, und doch hören sie das Gerichtsurteil, das für alle Ewigkeit Gültigkeit hat: „ Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Vielleicht ist manchem von uns eine solche Überlegung hilfreich. Mit dem ausdrücklichen Christusglauben steht es heute schlecht. Die missionarische Verkündigung weist kaum Fortschritte auf. Für viele junge Menschen in Europa ist ein überzeugtes Christus Bekenntnis ein Fremdwort geworden. Ernste Eltern leiden darunter und werden damit nicht fertig. Sollen wir deswegen die Hoffnung verlieren? Vermutlich nicht. Der hl. Paulus versichert uns, dass Gott uns aus Liebe „im voraus“ dazu bestimmt hat, ,,seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen“ (Eph 1,5). Unsere Auserwählung schon „vor der Erschaffung der Welt“ (ebenda) führte die Theologen zu dem Axiom, dass die Seele ,,von Natur aus christlich“ sei. Neuere Theologen spekulieren über „anonymes Christentum“. Was all das heißt, wissen wir nicht, aber das wissen wir: Gottes Heilsplan gründet in der unendlichen Liebe des dreifaltigen Gottes. Gott will allen Menschen das Heil schenken. Gott findet immer noch Anknüpfungsmöglichkeiten in unserem von ihm geschaffenen Herzen. Kein Mensch ist so schlecht, dass man ihn völlig aufgeben müsste. Und wenn uns all das noch nicht überzeugt, dürfen wir immer noch -wie eben gesagt- Hoffnung setzen auf das Wort Jesu:„ Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns“, und auf die Verheißung des Herrn, die uns der Evangelist Matthäus überliefert hat: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Versuchen wir uns davon zu überzeugen: „Gott ist größer als unser Herz.“

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Müller verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1994; S. 350-352]

P. Dr. Karl Müller SVD
 

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