21. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

Die Zumutung: Brich auf!

1. Lesung: Sach 12,10-11; 13,1
2. Lesung: Gal 3,26-29
Evangelium: Lk 9,18-24

Warum nicht auch wir?
Das wäre praktisch, nicht wahr, wenn uns Jesus so auf der Straße, beim Einkaufen oder beim Bummel in der Fußgängerzone begegnen würde, und wir so- praktisch über den Gartenzaun – alle unsere Fragen an den Mann bringen könnten. Gerade auch Fragen, die unseren Glauben betreffen, unsere endgültige Begegnung mit Gott, unser Lebendürfen im Reich Gottes.

„Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?“
Diese Frage treibt den Fragesteller scheinbar um. Wahrscheinlich ist diese Frage für ihn deshalb so akut, weil für ihn im Hintergrund die andere Frage steht: Werde ich doch hoffentlich dabei sein? Schließlich hat Jesus wenige Sätze vorher im Evangelium davon gesprochen, dass es nur eine kleine Herde ist.
Sind es also wirklich nur wenige, die gerettet werden? Diese Frage, Schwestern und Brüder, bewegt die uns heutige Menschen eigentlich noch? Ist es für uns – nach allem, was wir aus der Theologie und der Verkündigung der Frohen Botschaft wissen – nicht vielmehr „selbstverständlich“, dass wir gerettet werden? Sagen wir nicht mit den Vielen: Gott ist nicht so kleinlich! Er liebt ja gerade die Zöllner und Sünder, wenigstens lebt uns Jesus dies so vor. Und wir sind doch ,,alle kleine Sünderlein!“ – Aber wir sind ja auch alle Glieder der Kirche, auch wenn wir nicht gerade jeden Sonntag den Gottesdienst mitfeiern, aber anständige, brave Menschen, die ihre Pflicht tun, sind wir doch allemal! Und das ist doch die Hauptsache! Wir bezahlen ja auch unsere Kirchensteuer, sind schließlich getauft, besiegelt mit dem Zeichen des Glaubens, sind Auserwählte Gottes. Was geht uns dieses Wort von der engen Tür eigentlich an?
Wir verzichten doch eh auf manches, tun anderes selbstverständlich nicht, geben auch mal etwas her.
Ich muss gestehen, dass ich auch meine Schwierigkeiten mit diesem Bildwort habe. Es passt mir nicht so recht zu dem weitherzigen, erbarmenden und liebenden Gott, an den ich glaube und zu dem ich immer kommen darf, ob mit Schuld beladen oder mit Erfolgen ausgezeichnet.

„Bemüht Euch mit allen Kräften!«
Poch dieses Evangelium mit Jesu Wort von der geschlossenen Tür und der Möglichkeit des Zu-spät-Kommens, es macht uns unruhig, wenn wir es an uns heranlassen. Wir stellen dann fest: Es gilt auch uns!
Jesus scheint mit diesem Wort einer Antwort auf die Frage auszuweichen, die die Zahl der Gerechten genannt haben will. Er nennt die Zahl derer, die gerettet werden nicht. Er sagt nur Viele werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen.
Auch das Mahnwort ,,Bemüht euch mit allen Kräften!“ hilft nicht so recht weiter. Wie sollen wir uns denn bemühen?
Vielleicht möchte uns Jesus damit sagen: Frag nicht nach der Zahl der Geretteten! Sieh lieber zu, dass Du selber unter den Geretteten bist, denn so selbstverständlich wie Du Dir das denkst, ist das ja gar nicht! Verpasse in Deinem Leben nicht den entscheidenden Augenblick meiner Zuwendung zu Dir! Verpasse nicht Deine Antwort! Verpasse nicht ein liebendes Leben! Wenn nämlich der Herr des Hauses aufsteht, dann ist es zu spät zu einer Entscheidung. Die muss vorher gefallen sein. Und die bloß äußere Zugehörigkeit zu Christus reicht dann nicht aus, auch nicht das Essen und Trinken mit ihm, auch nicht das den Pfarrer gut kennen und das Mitgehen der Fronleichnamsprozession.
Jesus redet knallhart. Ob wir uns dadurch nicht beunruhigen lassen sollten und fragen, mit dem Fragesteller im Evangelium: „Herr, wer wird dann noch gerettet? Bin ich dabei?“

Eine weitere Überraschung
Das heutige Evangelium hält noch eine weitere Überraschung für uns bereit. Da spricht Jesus von denen, die ganz woanders wohnen. Und lässt offen, was mit denen ist, die ihm gerade begegnen, die ihm jetzt gerade zuhören, die ihn jetzt gerade fragen. Er kündigt Überraschungen an. Aus allen Himmelsrichtungen nämlich werden die kommen, die im Reich Gottes zu Tisch sitzen. Das ist für einen gläubigen Juden unvorstellbar.
Da ist also ein Chinese und ein Indianer, ein Eskimo und ein Afrikaner … Vielleicht darf diese geographische Dimension noch ausgeweitet werden: Da ist vielleicht ein Skeptiker und ein Buddhist, ein Sozialist und ein Humanist ,,drinnen“. Und wo bleibe ich?
Bleiben heute, liebe Gemeinde, bei diesem Evangelium also nur Unsicherheiten? Wer drinnen und wer draußen ist? Das ist für Jesus im Evangelium keine Frage der Frömmigkeit, keine Frage des moralisch Gutseins, kein Frage des Auserwähltseins, das ist letztlich eine Frage des Mutes, durch die „enge Tür“, die Jesus heißt, hindurchzuschreiten. Er sagt: „Komm zu mir!“ Lass das Schielen und Pochen auf deine Verdienste! Lass deine Vorstellungen vom Reich Gottes hinter dir, dann wirst du so leicht, dass du durch die enge Pforte durchschreiten kannst. Hab Mut!, denn hinter der Tür stehe ich, Christus, und fange dich auf, mit meinen Händen. Du, Mensch, bist nicht allein! Fürchte dich nicht! Ich gebe deinem Leben Sinn und Inhalt!

Die Zumutung: Brich auf!
Pas ist also wieder das alte Wagnis des Glaubens: Das ist Abraham im Aufbruch zu einem unbekannten Ziel: das ist Mose auf seinem Weg durch Wüste und Schilfmeer; das ist auch Jesus auf seinem Weg durch Angst und Tod hindurch ins Leben hinein.
Das wird auch uns zugemutet: AUFBRECHEN. Uns, die wir oft leidenschaftlich nach dem Sinn des Lebens fragen; uns, die wir verzweifelt nach Zielen suchen, für die zu leben sich lohnt. (Was ist das Wichtigste im Leben?) Uns, die wir Ausschau halten nach Wahrheit, nach Echtheit, nach Stimmigkeit und Ursprünglichkeit. Vielleicht waren Menschen nie so suchend wie heute. Aber es fällt uns schwer, uns wirklich zu entscheiden. Eine merkwürdige Entscheidungs- und Bindungsschwäche charakterisiert unsere Zeit.
Viele wollen sich alle Wege offenhalten, nichts verbauen. „So viele Parolen, welche ist wichtig? So tragt ein Lied in unserem Gotteslob.
Wenn wir also Jesus fragen würden, wer gerettet wird, dann würden wir vielleicht von ihm zur Antwort bekommen: Es werden alle gerettet, die sich anstrengen, die sich ihr Christsein etwas kosten lassen. Es werden die gerettet, die wie Jesus mit den Menschen umzugehen und zu leben versuchen. Die von ganz unterschiedlichen Lebenssituationen und Lebensgeschichten her zu Gott vorstoßen, die ihm vertrauen gelernt haben, die nicht festgefahren auf Erreichtem sitzengeblieben sind, ihre Sicherheit nicht in Hab und Gut suchen und sich vor dem not-wendigen Einsatz in der Welt nicht verschließen.
Warum also nicht auch wir?

[Anmerkung der Redaktion: Die von Pfr. Miorin verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1998; S. 291ff]

Albert L. Miorin, Pfarrer

Datenschutzhinweis

Diese Webseite nutzt externe Komponenten, wie z.B. Facebook und Youtube welche dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln. Datenschutzinformationen