1. Adventssonntag (A)

Predigtimpuls

Advent mit allen Sinnen – Riechen

1. Lesung: Jes 2,1-5
2. Lesung: Röm 13,11-14a
Evangelium: Mt 24,37-44

Jedes Jahr bekomme ich von meiner Freundin zum Beginn des Advents eine Dose mit Plätzchen. Sie gehört zu den Frauen und Männern, die Anfang November loslegen mit Backen. Nicht nur die Küchen sind erfüllt mit dem Geruch von Bethmännchen, Spekulatius, Spritzgebäck, Spitzbuben und was weiß ich wie vielen Plätzchen, nein, er zieht sich durch das ganze Haus. Man kann es förmlich riechen, dass da was Besonderes auf uns zukommt. Verstärkt wird die Wahrnehmung dadurch, dass sich der Plätzchenduft mit dem Geruch des frischen Grüns vom Adventskranz und der brennenden Kerzen mischt. Fürwahr, wir dürfen Besonderes erwarten. Genauer gesagt, wir dürfen jemand Besonderen erwarten, jemanden, der alles mitbringt, um ihn gut riechen zu können.
Sie kennen wahrscheinlich nicht nur alle diese Redewendung, sondern haben auch schon die Erfahrung gemacht, dass da was dran ist. Wenn jemand einen für meine Nase unangenehmen Geruch verströmt, dann erschwert das durchaus die Kontaktaufnahme, belastet die Beziehung. Denn da geht man ganz schnell auf Distanz, was ja gar nicht im Sinne dessen ist, worauf wir uns im Advent vorbereiten, dass da jemand uns ganz nahekommen, einer von uns werden will. Da ist es doch gut, dass von ihm ein Wohlgeruch ausgeht. Der, der da kommen will, der kommen wird, der riecht nach Hoffnung, nach Zuversicht, nach Trost, nach Zukunft, nach Leben, nach guten Nachrichten, einer Frohen Botschaft.
Die Worte des Evangeliums klingen aufs erste Hinhören gar nicht nach guten Nachrichten, einer Frohen Botschaft. Da kann einem angst und bange werden. Das ist aber definitiv nicht, was Jesus will, Angst machen und entmutigen. Das Bild, das er zeichnet, ist ein ernstes und ein ernst zu nehmendes. Und es ist ein realistisches. Dass es kritisch werden kann, das erleben wir doch zur Zeit in einer Form, die wir gar nicht gewöhnt sind, vielleicht abgesehen von denen, die Krieg und Nachkriegszeit miterlebt haben. Die allermeisten von uns haben im Großen und Ganzen doch mit viel Sicherheit und in viel Sicherheit gelebt – leben können, planen können. Und jetzt ist da doch viel an Sorgen, an Ängsten, an Unsicherheit. Was kommt da noch auf uns zu? Was wird uns noch zugemutet? Was haben wir zu erwarten? Ganz neu sind diese Fragen, diese Sorgen und Ängste nicht. Da stehen wir in einer langen Reihe und wahrscheinlich waren auch die Israeliten nicht die ersten. Zwar hatte man die Gefangenschaft hinter sich, aber die Lebensumstände waren alles andere als rosig, eher bitter. Und da hinein kommt Jesaja mit seiner Vision, von Schwertern, die zu Pflugscharen umgeschmiedet werden, weil es die Schwerter nicht mehr braucht, denn es herrschen Gerechtigkeit und Frieden.
Schöne Aussichten! Die haben die Israeliten damals gebraucht, um den Mut nicht zu verlieren, um nicht zu resignieren. Da hatte Jesaja „den richtigen Riecher“ für das, was die Menschen brauchten. Schöne Aussichten, Perspektiven brauchen Menschen immer wieder, gerade in schwierigen Situationen. Und dann ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die den richtigen Riecher haben für das, was Menschen ermutigt, aufrichtet, Hoffnung gibt. Der, auf dessen Ankunft wir uns im Advent vorbereiten, hatte den in vorbildlicher Weise. Wäre es da nicht eine gute Idee, die Adventszeit zu nutzen als Gelegenheit, den richtigen Riecher zu bekommen für die Nöte, Sorgen und Ängste der Menschen? Das allein ist schon nicht einfach. Erschwerend kommt hinzu, dass die Institution „Kirche“ bei vielen Menschen eher ein Nasenrümpfen provoziert, wenn sie nicht total auf Distanz gehen, weil ihnen so manches „stinkt“. Die Folge ist, dass immer weniger Menschen noch etwas Positives erwarten von der Kirche. Statt den guten Duft des Glaubens nehmen Menschen die abgestandene Luft von Räumen wahr, in denen Fenster und Türen zu lange und zu fest geschlossen geblieben sind. Statt des guten Dufts von Hoffnung, Empathie und Zukunftsbewältigung schlägt ihnen der Geruch von feuchten Mauern entgegen. Wie schade, wie schlimm! Mich macht das traurig und durchaus auch wütend. Und dann erinnere ich mich an eine kurze Episode, die von Mahatma Ghandi überliefert wird. Auf die Frage christlicher Missionare, was sie tun müssten, damit die Hindus die Bergpredigt annehmen, antwortete er: „Denken Sie an das Geheimnis der Rose. Alle mögen sie, weil sie duftet. Also duften Sie, meine Herren!“
Ich finde, er hat völlig Recht. Der, der da kommen will, der kommen wird, der riecht nach Hoffnung, nach Zuversicht, nach Trost, nach Zukunft, nach Leben, nach guten Nachrichten, einer Frohen Botschaft. Und den haben wir doch angezogen in der Taufe, haben so Anteil an ihm bekommen. Und in der Firmung haben wir alle das bestätigt, bekräftigt. Wir haben der Welt, wir haben den Menschen einen guten Duft zu bieten, aber ob wir ihn verströmen, liegt an uns. Nötig ist er – gegen den Pesthauch immer wieder aufflammenden Fremdenhasses, gegen den Gestank von Gewalt und Angst, gegen den Mief von Intoleranz und Unverständnis, gegen den üblen Geruch fehlender von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, der nicht mehr atmen lässt.
Advent ist die Zeit der Umkehr, der Neubesinnung und Neuausrichtung. Wir sind eingeladen, uns neu auszurichten an dem, der da kommen wird. Das heißt auch, den Geruch, der von ihm ausgeht, wahrnehmen, aufnehmen, sich von ihm erfüllen lassen und ihn weitergeben: den Duft der Güte und Menschenfreundlichkeit, der Liebe und Leidenschaft für die Menschen, der Hoffnung und der Zuversicht. So bereiten wir nicht nur dem kommenden Herrn den Weg, lassen ihn ankommen bei uns. So wahren wir die Chance, dass wir als Christinnen und Christen und als Gemeinschaft der Christinnen und Christen, als Kirche, (wieder) ankommen bei den Menschen, weil sie umgekehrt spüren, dass sie bei uns ankommen mit dem, was sie erfüllt. Darum geht es im Kern unseres Christseins. Das haben auch die Konzilsväter auf den Punkt gebracht im ersten Satz der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“, wo es heißt: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, dass nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“ Wenn das gelänge, wären das fürwahr schöne Aussichten.
Ich wünsche Ihnen einen guten Riecher für die Menschen und das, was sie bewegt, und ich wünsche Ihnen umgekehrt Menschen, die einen guten Riecher für Sie haben.
Ich wünsche Ihnen neue oder mehr Lust auf die Nähe zu dem, der große Lust hat, uns nahezukommen, auf dass wir seinen Wohlgeruch der Hoffnung, Liebe und des Lebens in Fülle wahrnehmen können, uns davon erfüllen lassen können.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen gesegneten Advent.

Maria Gleißl, Pastoralreferentin
 

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