4. Sonntag im Advent (A)

Predigtimpuls

Advent mit allen Sinnen – Schmecken

1. Lesung: Jes 10,7-14
2. Lesung: Röm 1,1-7
Evangelium: Mt 1,18-24

Über Geschmack lässt sich bekanntlich trefflich streiten. Das stelle ich in diesen Wochen wieder einmal verstärkt fest. Der Advent lässt ja seltsamerweise kaum jemanden unberührt. Irgendwelche adventlichen Spuren finden sich in nahezu jedem Haus, jeder Familie, mal mehr, mal weniger. Mal ist es „nur“ ein schlichter Adventskranz, mal blinken bunte Lichter an allen Fenstern, mal ist es „nur“ die Laterne mit dem Friedenslicht, mal macht die Außenbeleuchtung jede Straßenlaterne überflüssig. Noch vor ein paar Jahren hätte ich mich hie und da zur Bemerkung hinreißen lassen, dass bei manchen Menschen der Geschmack leider offensichtlich abhandengekommen ist. Das verbiete ich mir, seit fehlender Geschmack zum Symptom einer Erkrankung geworden ist, teilweise zum Langzeitsymptom, das einen deutlichen Verlust an Lebensqualität bedeutet.
Fehlender Geschmack scheint mir aber auch noch in anderer Hinsicht ein Langzeitsymptom zu sein. Nicht wenige Menschen haben den Geschmack am Glauben verloren und noch viel mehr Menschen den an der Kirche. Der Schluss liegt nahe, dass beides zusammenhängt. „Kostet und seht, wie gut der Herr ist!“ – mit diesen Worten werden wir nachher zum Kommunionempfang eingeladen. Für mich ist das der schönste Kommunionvers. Ich bin eingeladen, Gott zu schmecken, mich zu erinnern an die Güte und Freundlichkeit Gottes. Und gleichzeitig darf ich die Gemeinschaft schmecken mit all denen, die vor mir, hinter mir, neben mir auch der Einladung folgen. Wenn ich Glück habe, dann geschieht das Ganze auch noch in einer Atmosphäre, die Lust macht, immer wieder dahin zu gehen, wo diese Einladung ausgesprochen wird – mit schöner Musik, ansprechenden Texten, einer ermutigenden Predigt und freundlichen Gesichtern vorne im Altarraum und um mich herum. „Das schmeckt mir nicht.“ sagen Menschen halt nicht nur am Esstisch, sondern bringen damit auch zum Ausdruck, dass ihnen etwas nicht behagt, nicht taugt, nicht guttut. Und leider sagen es halt auch immer mehr mit Blick auf unsere Kirche, auf ihr Image und nicht zuletzt auch auf unsere Gottesdienste. Mit dem Sonntagsgebot ist hier auch nicht geholfen. Überhaupt helfen Gebote nicht langfristig, sie sind nicht nachhaltig. Was aber kann helfen, damit Menschen neu oder wieder Geschmack finden am Glauben und an Gott? Nun, da kommt mir Josef in den Sinn, von dem wir gerade im Evangelium gehört haben. Dem hat das bestimmt nicht auf Anhieb geschmeckt, dass er diese nicht von ihm schwangere Maria als seine Frau zu sich nehmen sollte. Nein, allein schon die Tatsache der Schwangerschaft war eine bittere Pille für ihn. Er wollte sich von ihr trennen. Wie kommt es nun zum Sinneswandel, der ja im Grunde genommen sein ganzes Leben auf den Kopf stellt. So hatte er sich die Zukunft nicht vorgestellt. Langatmige Erklärungen hat ihm der Engel nicht gegeben, und ob Josef diese Rede vom Heiligen Geist wirklich verstanden hat, ist auch nicht garantiert. Und mit Geboten hat er auch nicht argumentiert. Kein Wort von: Du musst das tun.
Ich kann mir zwei Gründe vorstellen. Der erste: Josef muss Maria wirklich sehr geliebt haben. Vielleicht haben Sie das ja auch schon erfahren, ich würde es Ihnen wirklich wünschen: dass Sie von jemandem so geliebt werden oder dass Sie jemanden so lieben, dass Sie alles für ihn oder sie zu tun bereit sind, selbst Dinge, die Ihnen gar nicht schmecken. Der zweite Grund: Josef muss einen wirklich großen Glauben gehabt haben. Er muss zutiefst überzeugt gewesen sein, dass Gott es gut mit ihm meint, dass er nur Gutes für ihn im Sinn hat, auch wenn für ihn selbst erst einmal ein großes Fragezeichen hinter seinen Lebensplänen erschien. Letztlich ist auch der zweite Grund für Josefs Bereitschaft, sich dieser Herausforderung zu stellen, Liebe. Er fühlte, er wusste sich wohl von Gott geliebt und hat sich deshalb auf dessen Plan eingelassen.
„Mit ´nem Teelöffel Zucker nimmt man jede Medizin, angenehm und sehr bequem“, singt Mary Poppins. Mit Zucker wird das nicht funktionieren, wenn es darum geht, dass Menschen wieder oder neu den Geschmack am Glauben und/oder Gott finden sollen, aber mit der gerade in diesen Tagen so oft zitierten Liebe mag es gehen. Da bin ich eigentlich sehr zuversichtlich. Bequem wird es wahrscheinlich nicht werden, denn dazu dauert die Glaubens- und Vertrauenskrise, in der sich die Kirche derzeit befindet, schon zu lange an, da ist einfach schon zu viel an Glauben verlorengegangen, als dass das bequem zu ändern wäre.
Aber wir sind im Advent und wenn nicht jetzt, wann dann mag es gelingen, Menschen den Glauben wieder oder neu schmackhaft zu machen? Wir gehen alle, nicht nur wir Christinnen und Christen auf das Fest der Liebe zu. Das ist Weihnachten ja selbst für viele Atheisten oder Agnostiker. Die meisten denken dabei natürlich zuerst an die Liebe, die ihren Ausdruck findet im gemeinsamen Feiern in der Familie und mit Freunden und in liebevoll ausgesuchten Geschenken. Eine tiefergehende, weitreichendere Facette des Weihnachtsfestes hat der große Theologe Karl Rahner so anschaulich und berührend ins Bild gebracht, als er formulierte: „Gott hat sein letztes, sein tiefstes, sein schönstes Wort im fleischgewordenen Wort in unsere Welt hineingesagt. Und dieses Wort heißt: Ich liebe Dich, Du Welt, Du Mensch. Ich bin da: Ich bin bei Dir. Ich bin Dein Leben. Ich bin Deine Zeit. Ich weine Deine Tränen. Ich bin Deine Freude. Fürchte Dich nicht. Wo Du nicht mehr weiter weißt, bin ich bei Dir. Ich bin in Deiner Angst, denn ich habe sie mitgelitten. Ich bin in Deinem Leben, und ich verspreche dir: Dein Ziel heißt Leben. Es ist Weihnacht. Auch für Dich geht das Tor auf. In Deiner Nacht leuchtet ein Licht, das Dein Leben wieder hell macht.“
Und jetzt stelle ich mir vor, wir würden genau das tun: die Tränen der Menschen weinen, die unter Gewalt und Ungerechtigkeit leiden; die Angst der Menschen mitleiden, die nur mit wenig Zuversicht in die Zukunft blicken angesichts wachsender finanzieller Belastungen; die Zeit haben, ein gutes Wort haben für kranke, einsame, alte, trauernde Menschen, und so das Leben ein bisschen heller machen. Dass Gott „sein letztes, sein tiefstes, sein schönstes Wort im fleischgewordenen Wort in unsere Welt hineingesagt“ hat, zeigt, dass er den Geschmack an uns und der Welt nicht verloren hat. Sich daran zu orientieren, lohnt sicher den Versuch, um die Menschen wieder oder neu Geschmack finden zu lassen an Gott, der uns nicht nur in diesem Advent schon ganz nahegekommen ist, sondern da ist, mitten unter den Menschen, auch durch uns.
Ich wünsche Ihnen, ich wünsche uns allen, dass Sie den Geschmack an Gott und am Glauben nicht verlieren und wenn Sie ihn verloren haben, dass Sie ihn wieder neu entdecken können.
Ich wünsche uns als Christinnen und Christen und uns als Kirche glaubwürdige Worte, die nicht nur Lippenbekenntnisse oder fromme Worthülsen sind, um den Menschen wieder Appetit auf den menschgewordenen Gott und seine Frohe Botschaft für alle zu machen.
Und ich wünsche uns allen, die Erfahrung geliebt zu sein – von Menschen und von Gott, dessen Liebe im Kind von Betlehem Hand und Fuß bekommt.

Maria Gleißl, Pastoralreferentin
 

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