Hochfest der Auferstehung des Herrn, Ostersonntag

Predigtimpuls

Christus ist auferstanden – wie zuverlässig ist diese Botschaft?

1. Lesung: Apg 10,34a.37-43
2. Lesung: Kol 3,1-4 oder 1Kor 5,6b-8
Evangelium: Joh 20,1-9 oder 20,1-18

Ostern ist ein schwieriges Fest, schwieriger jedenfalls als Weihnachten. Was wir Weihnachten feiern, ist anschaulich, Teil unserer alltäglichen Erfahrung: nämlich die Geburt eines Kindes. Natürlich sprengt die Überzeugung, dass in diesem Kind Gott Mensch wird, unseren Erfahrungshorizont und ist daher nur dem Glauben zugänglich. Aber der Festinhalt der Weihnacht ist etwas uns im Alltag Vertrautes.

Mit dem Festinhalt von Ostern verhält es sich anders. Was nämlich Auferstehung meint, ist für uns unanschaulich, absolut jenseits unserer alltäglichen Erfahrung. Es sprengt unsere Vorstellungskraft. Und viele fragen: Hat sie wirklich so stattgefunden, wie sie uns in den Evangelien überliefert und von der Kirche seit 2000 Jahren geglaubt wird?
Vor einigen Jahren filmte Titanic-Regisseur James Cameron eine Dokumentation unter dem Titel „Das Jesus-Grab“. Darin wurde behauptet, man habe das Grab Jesu gefunden. Und dreimal darf man raten, wer mit ihm darin lag: natürlich Maria von Magdala sowie die Überreste des Sohnes beider, Juda. Man kann mit Kohelet seufzen: „Nichts Neues unter der Sonne!“ Manche Leute werden offenbar nicht müde, immer wieder Altes mit ein paar neuen Zutaten aufzuwärmen und als den neuesten Schrei hinauszuposaunen. Kein ernstzunehmender Wissenschaftler lässt an dieser Sache ein gutes Haar.
Aber auch dies zeigt, wie schwer sich viele Zeitgenossen mit der Botschaft von der Auferstehung tun, und so haben Theologen zu Hilfskonstruktionen Zuflucht genommen. Ich will Sie an dieser Diskussion ein wenig teilhaben lassen:

Eine beliebte Formel lautet: Jesus ist ins Kerygma auferstanden. Kerygma ist das griechische Wort für Verkündigung, und so meint man damit: Die „Sache Jesu“ geht weiter durch die Verkündigung der Kirche. Seine Worte, seine Taten, seine Ideen – sie leben, und zwar auch noch nach dem Tod ihres ersten und wichtigsten Verfechters: Jesus von Nazareth.

Eine andere Theorie deutet die Auferstehung als ein psychologisches Phänomen. Jesus sei zuerst Maria von Magdala und dann auch den anderen Jüngern in „inneren Bildern“ erschienen, das heißt, diese inneren Bilder seien in ihnen aufgestiegen und hätten ihnen die Gewissheit gegeben: Jesus lebt.

Wie tragfähig sind solche Erklärungsversuche? Zunächst die Sache mit den inneren Bildern: Ungeklärt bleibt bei dieser Deutung, wie es sein kann, dass so viele Menschen, teils an verschiedenen Orten, teils gleichzeitig – Paulus spricht von bis zu 500 Personen, die teils noch leben und daher befragt werden konnten – wie all diese Menschen dieselben inneren Bilder hätten haben sollen. Anders ausgedrückt: wie eine solche Massenvision (oder soll man lieber sagen: Massenhalluzination) psychologisch erklärt werden kann – es sei denn, man erklärt Paulus schlicht zum Lügner, wenn er von solchen Erscheinungen berichtet.
Außerdem denke ich: Wenn unser, wenn mein Glaube auf solch dünnem Boden stünde, dann würde ich sagen: Petrus, Johannes, Jakobus, Maria Magdalena – was gehen mich eure Visionen und inneren Bilder an? Das sind doch nur Projektionen eurer Wünsche! Lasst mich mit solchen Einbildungen gefälligst in Ruhe!

Was die Die-Sache-Jesu-geht-weiter-These betrifft, fragt sich ebenfalls, ob sie psychologisch wahrscheinlich zu machen ist. Alle Freunde Jesu, ob Petrus, Johannes und Maria von Magdala im heutigen oder die Jünger von Emmaus im morgigen Evangelium, zeigen nach seinem nicht für möglich gehaltenen Schmachtod, dass für sie die Sache mit ihm beendet war. Was ein paar Frauen erzählen, die Jesus lebend gesehen haben wollen, wird als „Altweibergeschwätz“ abgetan. Die Emmausjünger ziehen am schnellsten die Konsequenz und kehren nach Hause in ihr früheres Leben zurück. Keinen Augenblick länger wollen sie in Jerusalem bleiben! Hier haben sie nichts mehr verloren; denn sie haben den verloren, auf den sie all ihre Hoffnung gesetzt hatten. Verflogen wie eine Fata Morgana, hatten sie auf den Falschen gesetzt. Keine Spur davon, dass man sich zusammensetzt nach dem grauenhaften Desaster des Karfreitags, um zu beraten, was zu tun sei, damit man sich nicht zerstreut, damit‘s irgendwie weitergeht. Man sieht nirgendwo einen Ansatzpunkt, der plausibel machen könnte, man hätte sich gemeinsam auf eine erfundene Geschichte geeinigt, in der ein leeres Grab eine Rolle spielt, in der Engel mit seltsamen Botschaften vorkommen und von Erscheinungen fabuliert wird, bei denen jemand mit Leib mit einem Geist verwechselt wird, um all das den Leuten als Auferstehung zu verkaufen.
Nein, es war nicht nur Jesus tot, es waren auch seine Worte und Ideen tot, die ja nicht von seiner Person zu trennen sind. Wohin diese Ideen führen, stand ihnen ja sehr deutlich vor Augen. Wenn das das Ergebnis ist, vergisst man sie besser, anstatt sie neu aufzuwärmen. Fischer, Handwerker, einfache Menschen, die die Jünger waren, sind praktische Leute, keine idealistischen Weltverbesserer, die auf eine verlorene Sache setzen. Der Karfreitag war eine Niederlage auf ganzer Linie, ein unüberbietbares Scheitern. Die einzig logische Konsequenz: am besten, wir vergessen die Sache mit Jesus schnellstmöglich und gehen zur alten Tagesordnung über.

Schauen wir nun ein paar Jahre später. Was sehen wir? Wir sehen, wie dieselben so fundamental enttäuschten Männer und Frauen, die Jesus in Galiläa und Judäa nachgefolgt waren, ihn nicht nur in Israel, sondern in der ganzen damals bekannten Welt verkünden. Sie rollen den Fall Jesu wieder auf. Noch mehr: sie sind bereit, für die Botschaft von seiner Auferstehung einzutreten bis hin zur Preisgabe ihres Lebens. Würde irgendjemand auf dieser Erde, der noch ganz bei Trost ist, für innere Bilder oder zurechtgelegte, erfundene Geschichten sterben?

Wer das behauptet, redet Unsinn und weiß sehr wenig über die menschliche Psyche. Plausibel wird es erst, wenn wir ein reales, absolut unerwartetes Ereignis, ein Widerfahrnis annehmen, das alles, restlos alles in einem ganz anderen und neuen Licht erscheinen ließ und das allein eine solche Veränderung in den Jüngern bewirken und die explosionsartige Ausbreitung des Evangeliums zur Folge haben konnte.

Berichtet wird übereinstimmend von realer, persönlicher Begegnung mit Jesus, dem Auferstandenen. Was und wie sie es berichten, ist vor dem Ideenhorizont der damaligen Zeit unerfindbar. Juden glaubten damals, wenn überhaupt, dann an eine Auferstehung am Ende der Zeit, niemals aber an eine Auferstehung quer zur weiterlaufenden Geschichte. Griechen glaubten, wenn überhaupt, an ein Weiterleben der Seele, nicht aber an eine Auferstehung mit Seele und Leib. Was über den Auferstandenen aufgeschrieben wird, ist so paradox, dass es niemand so erfunden hätte. Er geht durch verschlossene Türen, ist also offensichtlich den Naturgesetzen unserer Welt enthoben; zugleich aber wird er als berührbar geschildert, essend und trinkend vor den Augen der Jünger. Wenn erfunden, dann wäre es anders erfunden worden, viel näher an den Vorstellungen der damaligen Zeit und menschlicher Logik.

Was ich in aller Kürze nur angedeutet habe, sind Indizien, Hinweise, starke Hinweise, aber sicher kein Beweis für die Auferstehung Jesu. Den „Sprung“ in den Glauben muss jeder, jeder auch von uns, leisten, der mit dieser Botschaft konfrontiert wird und sich auf sie einlassen möchte.

Allerdings: die Botschaft selbst, die vom Leben, Sterben und Auferstehen Jesu – ist, ob wahr oder falsch, eine Tatsache; die Botschaft als solche gibt es in dieser unserer Welt seit 2000 Jahren. Und es gibt das daraus entstandene Christentum, das ohne die Auferstehungsbotschaft nicht existieren würde. Dass es die Auferstehungsbotschaft gibt, dass es das Christentum gibt, trotz des – menschlich gesehen – totalen Misserfolgs und Scheiterns Jesu von Nazareth, das braucht eine Erklärung. Die beste ist die, dass es einfach so war, wie es uns die Evangelisten schildern. Nichts deutet darauf hin, dass es ein unehrliches Spiel ist, das sie mit uns spielen.

Wer daher den Evangelien glaubt und aus dem Glauben an Jesus Christus, den Auferstandenen, bewusst sein Leben gestaltet, braucht – das wollte ich zeigen – seinen Verstand nicht an der Garderobe des Glaubens abzugeben. Im Gegenteil: mir scheinen die besseren, die vernünftigeren Gründe für diesen Glauben zu sprechen. Nicht zuletzt auch das, was er bewirkt hat. Nichts in unserer Welt hat Menschen so verändert, so sehr Hoffnung gespendet, so viel Kraft gegeben in Leid und Schicksalsschlägen, so sehr auf tätige Liebe hin geöffnet, so sehr nicht zuletzt auch unser Gottesbild verändert auf einen bis zur Kreuzestorheit liebenden Gott hin, der auf solch unfassbare (und nochmals: daher unerfindbare) Weise mit uns Menschen solidarisch geworden ist – als eben dieser Glaube. Kein Glaube, wenn er denn gelebt und nicht missbraucht wird, hat so viel Positives freigesetzt und setzt es frei wie der Glaube an den auferstandenen Herrn Jesus Christus. Ihm gilt unser Bekenntnis, damals wie heute:
Ja, der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden.

Pfr. Bodo Windolf

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