Geburt des Herrn, Weihnachten - In der Heiligen Nacht (H)

Predigtimpuls

Die Botschaft sickert allmählich ins Herz

1. Lesung: Jes 9,1-6
2 Lesung: Tit 2,11-14
Evangelium: Lk 2,1-14

Er erniedrigte sich
Manchmal ist man mit seinen Kindern hart gestraft. Da fangen sie an, sich die Haare grellgrün zu färben und zwicken sich Ringe in Nasenflügel und Oberlippe. Sie können einem leidtun, wenn sie behängt mit Wäsche aus dem Lumpensack und zerrissenen Jeans daherschlichen, als stammten sie aus heruntergekommenen Familien. Was geht bloß in ihnen vor? Ein vernünftiges Gespräch verweigern sie. Vorwürfe bis an die Grenze der Beleidigung schaff en sie gerade noch, bevor sie in trotziges Totalschweigen verfallen. Was haben wir als Eltern bloß falsch gemacht?
Solche Zeiten mussten auch Vater und Mutter Bernadone durchmachen. Ihr Sohn war erwachsen, gut erzogen, wohl gelitten. Er gab zu besten Hoffnungen für die Übernahme des Geschäftes Anlass. Dann fing es an mit einem frommen Tick. Sein fröhliches Wesen wandelte sich in verträumte Nachdenklichkeit. Er sonderte sich ab, trieb sich alleine herum, kam mit Obdachlosen in Kontakt. Dann ritt er die soziale Tour. Man könne die Menschen doch nicht einfach ihrem Elend überlassen. Die Reichen trügen Verantwortung. Man müsse teilen. Nichts gegen Almosen, aber der Kerl ging ans Betriebskapital und verteilte es bedenkenlos an die Herumlungerer. Was nützen vernünftige Argumente, wenn einer mit Bibelsprüchen daherkommt? Am liebsten hätte Herr Bernadone den Versager hinausgeworfen, aber davor schreckte er zurück. Es war doch sein Sohn.
Also gut, man ist um Frieden in der Familie bemüht. Man will fair sein und ist bereit, auch mal über den eigenen Schatten zu springen. Der Bischof sollte Schiedsrichter sein und die verschrobenen Bibelsprüche zurechtrücken. Die ganze Stadt nahm an diesem Drama Anteil. Der Auftritt vor dem Bischof war öffentlich, vor der Kirche. In die Enge getrieben, legte der junge Giovanni, den sie Französchen. Francesco nannten, alles bis auf die Haut ab, dem Vater zu Füßen. Er verließ splitternackt die Stadt.
Nach diesem skandalösen Auftritt konnte er sich nicht mehr unter den Leuten sehen lassen. Er durchstreifte die Gegend um Assisi, fand Unterkunft im Dickicht und in Tierschuppen. Er traf dabei auf Menschen, auf viele Menschen, die für die Leute oben in der Stadt nicht existierten. Sie waren verarmt, verwildert, krank.

Alles erscheint in einem anderen Licht
Mit dem wohlerzogenen Bürgerssohn ging es äußerlich rapide bergab. Im Innern aber trug er eine sehr beglückende Erfahrung. Dolcezza nannte er sie. Das deutsche Wort Süßigkeit klingt ein wenig abgeschmackt. Gemeint ist wohl ein unbeschreiblich sanftes Glücksgefühl. Man kann es sich nicht erzeugen. Es trifft einen wie ein warmer Strahl, wenn man im dunklen kalten Loch sitzt. Bei Franziskus war es beim ersten Mal buchstäblich so. Er saß als Kriegsgefangener in der Nachbarstadt Ferugia gedemütigt und krank im finsteren Verlies.
Durch die Dolcezza der Gottesberührung erscheint alles in einem anderen Licht. Reichtum wird schal und lästig. Armut wird als Freiheit und Leichtigkeit des Daseins erlebt. Die Nichtse im Schatten bekommen ein Gesicht, werden zu liebenswerten Gegenübern. Gott ist da, ganz nahe, besonders im Finstern. Das ist Dolcezza. Davon musste Franz erzählen, denn wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über.
Und während man in der Stadt festlich die Geburt des Herrn feierte, verkrochen sich die verbannten Kinder Evas in Schlupflöcher, suchten ein wenig Wärme und Nähe bei Ochs und Esel oder bei den Schafen. Die tägliche Erfahrung der eigenen Nichtigkeit hatte sich dem Bewusstsein eingeprägt: Mit uns hat Gott nichts zu tun. Wir sind seiner nicht wert. Er ist bei denen oben in der Stadt, die ihm festliche Gottesdienste abhalten und fröhlich in ihren Häusern feiern.
„So dürft Ihr nicht denken“ hat ihnen Francesco gesagt. „Es ist genau umgekehrt. Ihr seid Gottes bevorzugte Kinder.“ Er holt sie aus ihrem Schattendasein hervor, aus ihrer Stumpfheit und Begriffsstutzigkeit. Er erzählte ihnen, was Lukas erzählt: Das Gotteskind ist zur Welt gekommen nicht in der Wiege eines Königshauses, sondern in der Futterkrippe eines Stalles draußen vor der Stadt. Hirten, die nirgends zuhause waren, die man einfach übersah, waren bei der Ankunft des Lichtes im Reich des Schattens zugegen.
Franz hat nicht studiert und das Predigen nie gelernt. Als lebhafter Italiener legte er sich ganz ins Zeug. Er setzte in Szene, was er erzählte, packte eine Futterkrippe als Beweisstück, nahm Ochs und Esel zu Zeugen. Er beschwor die Hirten, die damals herumgestanden sein mochten wie seine Zuhörer jetzt. Gott ist nahe, besonders wo einer sich verlassen und vergessen fühlt, wo er auf der Flucht ist, wo er nicht weiß, wohin er sein Haupt legen soll.

Die Botschaft sickert allmählich ins Herz
Weihnachten, sofern wir es noch als christliches Fest begehen, ist geprägt durch die Krippenszene. Franziskus hat mit dieser Inszenierung begonnen. Sie ist für uns Teil der Frohbotschaft des Weihnachtsfestes geworden. Die Dolcezza Gottes, seine beglückende Nähe, rührt uns an, wenn im Alltag Bedrücktheit und Aussichtslosigkeit über uns herfallen.
Obwohl Franziskus sich ganz von seinem reichen Elternhaus getrennt hat, wurde er niemals ausfällig gegen reiche Leute. Es hat keinen Sinn, ihnen etwas zu entreißen. Das macht nicht frei, sondern böse. Die Freiheit zum Loslassen kommt aus dem Innern, aus dem Herzen.
Meistens sickert eine Botschaft nur langsam bis ins Herz. Nach Jahren haben die Mutter und eine Schwester den Franz verstanden und sind seinem Weg gefolgt, haben Haus und Familie verlassen und in freiwilliger Armut gelebt, zusammen mit Klara, seiner Freundin, die ihn von Anfang an verstanden hat. Franz war kein Weltverbesserer. Aber der Impuls seines schlichten Lebens hat damals die Welt verändert. Es war nicht menschliche Genialität und Energie, sondern Gottes Kraft. Franz war wie ein Funkturm, der eine Botschaft von fernher aufgenommen und verstärkt weitergegeben hat. Er selber wurde durch die Kunde verändert und hat sie als Veränderter ausgestrahlt, anfangs unter Skandal und Hohngelächter.
Das Wichtigste an Weihnachten ist die Botschaft, dass Gott die Menschen liebt, am meisten die im Schatten. Manchmal sitzen die in vornehmen Kleidern tief im Schatten der Vereinsamung. Der Weg zum gläubigen Mitfeiern mag ihnen aus vielerlei Gründen versperrt sein. Es ist aber wichtig, dass ihnen jemand die Botschaft bringt, die ins Herz sickert und verändert: Gott ist nahe. Er schenkt eine Freiheit und einen Frieden, den die Welt nicht geben kann.

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Birk verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1995; S. 488ff]

P. Dr. Gerd Birk SVD

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