01. Apr 2004
Wir beten, dass die Weihekandidaten sorgfältig auf ihren Dienst vorbereitet und die Geweihten zu ständiger Fortbildung angehalten werden.
Die allgemeine Verunsicherung im Hinblick auf die Berufung zum Priester
Wir alle nehmen seit geraumer Zeit wahr, wie die Zahlen der Priesteramtskandidaten in unseren Breiten zurück gehen. Es ist für einen jungen Mann ungleich schwerer geworden, den Schritt zum Studium der Theologie und ins Seminar zu wagen. Die gesellschaftliche und kirchliche Umgebung sind dabei oft nicht gerade förderlich. Wurde früher eine solche Entscheidung noch mit viel Unterstützung und "Beifall" begleitet, erfährt der Interessent heute vielmehr Unverständnis und Verunsicherung. Hinzu kommt die Beobachtung der Verantwortlichen, dass junge Menschen heute anscheinend immer unfähiger bzw. ängstlicher werden, eine Entscheidung zu treffen, die fürs ganze Leben gelten soll. Die kirchliche Bindung und eine veränderte religiöse Praxis vieler Jugendlicher haben sich ebenfalls sehr gewandelt. Wo in den Gemeinden Jugendliche und junge Familien nicht mehr signifikant vorkommen, scheint es äußerst schwierig zu sein, dass sich eine kirchliche Berufung beim Kind bzw. Jugendlichen entwickeln kann.
Worte belehren (nur), Beispiele ziehen an
Die Wahrheit dieses alten Sprichwortes gilt auch heute noch. Wo die existenzielle Wichtigkeit des Glaubens nur im Wort bleibt und nicht im Alltag - in Erfahrungen von erfüllender Freude oder auch Stütze und Sinn in Spannung und Leid - erfahren wird, da kann nur wenig oder gar nicht der Gedanke oder Wunsch aufkommen, sich in den Dienst Gottes und der Menschen zu stellen, um die "andere", die transzendente Dimension unseres Lebens zu begleiten. Die Erfahrung mit Priestern oder Personen, die authentisch das Evangelium zu leben versuchen, wird immer noch als ein wichtiger Faktor des eigenen Berufungsweges gesehen.
Sorgfältige und angemessene Vorbereitung
Auch junge Menschen haben heute grundlegende, existenzielle Fragen zu ihrem Leben, spüren eine gewisse "Unruhe" in sich, wollen die Welt verändern. Und sie suchen nach tragfähigen Antworten. Nach einem sinnvollen Leben, nicht nur nach purer Erfüllung ihrer sehr wandelbaren Wünsche. Ist dies schon ein Zeichen von Berufung für das "Andere"? Ein Theologiestudent beschreibt seine Situation vor dem Eintritt ins Theologenkonvikt so: "Ich wusste ja nicht, was auf mich zukommen würde. Ich hatte das Gefühl, die anderen kannten sich untereinander und wussten über alles Bescheid, nur ich nicht." Diese Unsicherheit des "Ich-wusste-ja-nicht" zeigt doch deutlich, wie weit für viele junge Menschen dieses Berufsziel bzw. der Weg dorthin unklar ist. Sie fühlen sich "irgendwie" angezogen und wollen helfen...
Menschliche Reifung und theologische Ausbildung
Was sucht ihr?, fragt Jesus die Johannesjünger, die ihm dazu auf seine Einladung hin folgen. Diese Frage ist heute ebenso den Interessenten zu stellen, und dabei muss auch nach den Motivationen gefragt werden. Welche Rolle spielt dabei die Suche nach Sicherheit in einer Gesellschaft, die stark verunsichert ist, wo grundlegende Werte nicht mehr gelten? Ist den Kandidaten bewusst - und wollen sie dies auch akzeptieren -, dass sie ihre Verantwortung nicht abgeben können, auch wenn sie Gehorsam geloben? Haben sie die notwendige Freiheit und Einsicht zur Entscheidung? Die vier Säulen: Geistliches Leben und menschliche Reifung, theologische Bildung und pastorale Befähigung werden darum in den offiziellen Ausbildungsdokumenten unterstrichen und kommen in allen Stufen zum Tragen (vgl. dazu die Rahmenordnung für die Priesterausbildung im Bistum Trier - ps-trier.de).
Man ist in den letzten Jahren auch dazu übergegangen, dem Theologiestudium noch ein Propädeutikum vorzuschalten (was dem Postulat und Noviziat bei Ordensgemeinschaften entspräche), wo existenzielle Fragen behandelt und spirituelle Grundlagen für eine entsprechende Entscheidung zum Priestertum gelegt werden. Durch ein Gemeindepraktikum soll die Möglichkeit gegeben werden, praktische Erfahrungen für den zukünftigen Dienst an den Menschen zu sammeln, wobei die Entscheidung, Priester zu werden, entsprechend reifen muss. Eine kompetente Begleitung und Auswertung sind in diesem Prozess entscheidend und unabdingbar.
"Darf ein Priester auch nach Glück und Erfüllung streben", fragte einmal ein Prediger. Wenn er das nicht dürfte, wie könnte er dann den Menschen verkündigen, dass Gott ein Leben in Fülle für jeden von uns will? Gläubige erleben ja heute ihren Priester mitunter ungeheuer gestresst, weil überlastet. Dies kann dann kaum ein positives Priesterbild vermitteln, das junge Leute anspricht und motiviert, selber diesen Weg zu gehen.
Pastorale Kompetenzen und beständige Lernbereitschaft
Ein lebendiges geistliches Leben als Grundlage und Stütze für die pastorale Arbeit ist unverzichtbar. Der Ausbildungsstufe entsprechend müssen außerdem pastorale Kompetenzen erworben und erprobt werden. Und dazu gehört auch, sich immer wieder Zeit zu nehmen, um zu reflektieren, zu lesen, zu studieren, um sich eine kompetente Sensibilität für die Fragen und Antworten heute zu bewahren. Nur allzu oft hapert es dann später im pastoralen Alltag an einer entsprechenden Gewichtung und Planung dieser notwendigen Lebensvollzüge, die spirituell und intellektuell einfordern und bilden.
Paul Zulehner ruft darum zu einer "Respiritualisierung der Kirche" auf und fordert "eine neue spirituelle Kompetenz der Priester". Diese fällt nicht vom Himmel. Sie muss erarbeitet und erbetet werden.
Dieser Beitrag ist entnommen aus der Zeitschrift "DIE ANREGUNG" Ausgabe 2/2004