01. Mai 2004
Wir beten, dass die Gläubigen auf die Fürsprache Mariens die Feier der Eucharistie als das Herzstück der kirchlichen Missionstätigkeit erkennen.
Vor 500 Jahren berichtete einer der portugiesischen Chronisten der conquista über die neue Welt enthusiastisch, dass die Indios leicht für das Christentum und die Zivilisation zu gewinnen seien. Gleich nach ihrer Ankunft im April des Jahres 1500 im heutigen Porto Seguro wurde eine feierliche Messe gefeiert. Wann immer die Portugiesen aufstanden oder sich hinknieten, taten die zuschauenden Indios das gleiche: "Sie machten alles genauso wie wir!", berichtet der staunende Chronist.
Über lange Zeit ging es in der Mission darum, dass die neuen Christen "alles genauso wie wir" machten. Mission und Zivilisation gingen Hand in Hand. Je besser die Neubekehrten die Gebräuche der Missionare erlernten, umso besser: Kleidung und das Essen mit Besteck wurden zu Zeichen des Fortschrittes, die Barockmusik der Guarani wird neuerlich bewundert und neu eingespielt (der Steyler Pedro Nawrot forscht in Bolivien und stellt sie weltweit vor).
Die Eucharistie war in dieser Missionsmethode immer ein zentrales Ereignis. Vor der Messe wurde der Katechismus auswendig gelernt. Nach der Messe kommen die anderen "Nummern" der Feiern und Feste der Gemeinden. Die Messe selber blieb freilich die längste Zeit ein eigenartiges Ritual: eine vielleicht geheimnisvolle, aber auf jeden Fall unverständliche Sprache; die zentralen Symbole von Brot und Wein hatten oft mit der traditionellen Kultur nichts zu tun. Bis zum heutigen Tag ist die Messfeier ein zentraler Teil der religiösen Kultur Lateinamerikas und wohl der ganzen christlichen Welt.
Ohne Messe kein Fest
Die religiöse Welt Lateinamerikas dreht sich um die fiesta. Das sind tagelange Feiern vor und nach dem Tag des Schutzpatrons des Dorfes und der Gemeinde. Das Fest ist nicht erst eine Erfindung des Christentums in Lateinamerika. Bei den Guarani Brasiliens und Paraguays hatte die Arbeit und Ernte nur Sinn, wenn sie zu einer fiesta beitrug. Als die Missionare die in ihren Augen verschwenderischen und tagelangen fiestas abschaffen wollten, weigerten sich die Indios, ihre Felder zu bestellen. In der Folge kam es zur Hungersnot.
Die fiestas führen allerdings auch immer wieder zu Übertreibungen und Auswüchsen, und die fordern Maßnahmen. In einer Steyler Pfarrei im Hochland Ekuadors wurde eingeführt, dass es bei der fiesta keine Betrunkene geben darf. Damit wollte man den Verkauf von versetztem Zuckerrohrschnaps und den Alkoholismus verhindern. Wo der padrecito im Verlauf der fiesta Betrunkene und Schnaps antraf, wurde die Messe abgesagt, und die fiesta war damit ins Wasser gefallen. Der Erfolg dieser Maßnahmen war allerdings nicht grossartig. Im Gegenteil: vor dem Ruf "der padrecito kommt" - sozusagen "Pater ante portas" - musste man in aller Eile die Betrunkenen verstecken und so die fiesta retten.
In den vergangenen Jahrhunderten ist die Eucharistie zu einem festen Bestandteil der religiösen Kultur geworden. Der brasilianische Missionar Antonio Carlos Meira beschreibt seine Erfahrung folgendermaßen (Spiritus, März 2004): Es ist klar, dass für die Leute im Hochland ohne die Messe keine fiesta möglich ist. Aber bei dieser Eucharistie geht es um ganz etwas anderes als unsere Vorstellung. Für die Christen meiner Gemeinden muss Eucharistie gefeiert werden und die Leute sind sich sicher, dass da etwas Wichtiges geschieht. Aber Teilnahme, Mitfeiern, Bekehrung, Gottesbegegnung in unserem Sinn findet da wahrscheinlich nicht statt. Daher macht sich P. Antonio keine Probleme, sondern feiert die Eucharistie so wie die Leute das von ihm erwarten. Für die Leute hat diese Feier eine wichtige religiöse, wenn auch nicht unbedingt christliche Bedeutung, und danach geht die fiesta weiter, die Welt wird damit wieder irgendwie ins Lot gebracht und das Leben hat für das ganze Jahr Sinn und Segen.
Bei P. Antonio geht es offensichtlich nicht mehr darum, dass die Leute alles "genauso machen wie wir". Christentum und Mission haben nicht mehr den Zweck eines mimetischen Effekts, in dem alle Welt sich nach den Regeln einer zentralen Autorität verhält.
Eine gefährliche Erinnerung
Tatsächlich geht es ja bei der Eucharistie wirklich nicht darum, dass die anderen alles genauso machen wie wir, sondern dass wir unser Leben so ausrichten wie Er. Ein einfacher Satz, der allerdings in der aktuellen Situation unserer Kirche keineswegs selbstverständlich ist. Vor ein paar Monaten geisterte ein angeblicher Entwurf für Verordnungen in den Medien und im Internet herum, der die kulturellen Gesten und Ausdrucksformen der Liturgie wieder einmal deutlich einschränken wollte: kein Applaus, kein Tanzen, usw.
Die Gemeinde derer, die Jesus nachfolgen, ruft sich in der Eucharistiefeier in Erinnerung, wie Jesus sein Leben im Kontext seiner Zeit ausgerichtet hat, ausgerichtet im Dienst an den Armen und Ausgeschlossenen der Gesellschaft. Das ist der Orientierungspunkt für die Gestaltung des eigenen Lebens im geänderten kulturellen Kontext dieser Gemeinde. Die Eucharistie ist dann eben genau nicht ein Jesusfilm, der weltweit gleich abgespielt wird, sondern die neue Ausformung in der Erinnerung. Es ist die Erinnerung, dass dieses Lebensprojekt zunächst und offensichtlich kläglich gescheitert ist und auch heute immer wieder in der gleichen Offensichtlichkeit vor den Forderungen einer egoistischen Zweckrationalität scheitern wird. Aber auch die Erinnerung, dass im Scheitern der Sinn des Lebens endgültig offenbar wird, und dass sich in dieser Erinnerung die Jünger erneut auf das gleiche Lebensprojekt verschwören.
Dann hat es Sinn, dass diese Feier mit einem "ite, missa est" (geht...) endet, beziehungsweise eben gerade nicht endet, sondern das Leben erst recht anfängt. Klar ist es auch, dass so ein Feiern nicht beruhigt und beschwichtigt und die Welt sich ruhig stellen lässt, sondern durchaus am Anfang der Mission steht.
Lateinamerika hat eine lange Tradition gefährlicher Eucharistiefeiern. Bischof Romero wurde mitten in einer Messe erschossen, in Guatemala wurden Hunderte von Katechisten ermordet, weil sie ihren Gemeinden die Eucharistie brachten, wie zum Beispiel Nicolás Tum Castro aus Chicamán, der die Hostien unter den tortillas (Brotfladen) versteckt hatte. Diese Eucharistiefeiern hatten allerdings immer einen Bezug zur Gesellschaftsveränderung. Sie halten in Erinnerung, dass das Lebensprojekt Jesu, das den Armen, den "anderen", den von der Gesellschaft Ausgeschlossenen ins Zentrum stellt, letztlich doch Zukunft hat und Auftrag an seine Jünger ist.
So eine Eucharistie ist tatsächlich Herz und Seele der Missionstätigkeit, weil die Mission auf eine neue Welt und Gesellschaft ausgerichtet ist.
Dieser Beitrag ist entnommen aus der Zeitschrift "DIE ANREGUNG" Ausgabe 3/2004