01. Jul 2004
Wir beten, dass unter den aktiven Missionsinstituten Gemeinschaft und Zusammenarbeit wachsen.
Nur Worte?
"Am Anfang war das Wort..." Diese Aussage ist eine grundlegende. Auch und gerade im Bereich der Sprache. Die in einer Sprache verwendeten Wörter sind manchmal leicht, manchmal weniger leicht zu verstehen. Wer beispielsweise die Gebetsmeinung des Monats August liest, wird sich fragen, was unter Missionsinstituten mit dem Wort "Mission" gemeint sein mag. Im Konzilstext Ad Gentes ist der Bruch zwischen der neuen Vorstellung am Anfang des Textes und der alten Redeweise später im Dokument ausreichend kommentiert. In den letzten 40 Jahren hat sich allerdings deutlich durchgesetzt, dass die Mission tatsächlich eine Wesensangelegenheit der Kirche ist, überall - daher auch der Singular -, und nicht mehr in geografischen Kriterien festgelegt werden kann. Das letzte Generalkapitel der Steyler Missionare hat ebenfalls von einer solchen geografischen Abgrenzung Abschied genommen, weil doch inzwischen praktisch überall auf der Welt Lokalkirchen bestehen, die ihre Missionsverantwortung überall wahrnehmen müssen (Kapiteldokument # 24). Die Gebetsmeinung scheint mit dem Wort "Mission" auf die vorvatikanische Sprachregelung zu tendieren.
Dann heißt es weiter, es ginge um Institute, die "aktiv" arbeiten. Ist damit ein Gegensatz zu "kontemplativ" gemeint? Dies würde die Missionspatronin Therese von Lisieux kaum verstehen, auch nicht der heilige Arnold Janssen, der seine drei Gemeinschaften in enger Zusammenarbeit sah. Es wird auch nicht eine Anspielung auf verschiedene Institute und Kongregationen sein, von denen berichtet wird, sie seien jetzt dabei, ihre "Berufungen" in unverantwortlicher Weise etwa in Indien und Indonesien zu "suchen", um den Betrieb der Altersheime in Europa zu gewährleisten. Was also soll "aktiv" bedeuten? Eine Identitätsfrage.
Die Identitätsfrage
Die Religiosen Lateinamerikas arbeiten an einem Projekt, das sich die Frage nach der Identität und dem Zweck des religiösen Lebens stellt. Inzwischen muss man von "Projekt" reden, weil die Wörter "Konzil" und "Synode" ausgemerzt worden sind und nicht länger politically correct sind. Es geht dabei um den "Emmausweg": im gemeinsamen Gehen mit dem unerkannten Jesus merken die beiden Jünger, dass sie ihre Geschichte und Zukunft in einem anderen Licht sehen können. Für die Ordensleute in Lateinamerika geht es dabei auch um die Frage ihrer Identität auf der Grundlage ihrer Charismen und um ihren Sinn im Zusammenhang mit ihrer Präsenz.
Woher bezieht eine Gemeinschaft ihre Identität? Die Rückbesinnung auf die Gründungszeit und das vom Heiligen Geist gewirkte Charisma der damaligen Zeit sind eine Möglichkeit, und der "Emmausweg" legt viel Wert auf diese Perspektive. Die Frage nach dem Gründungscharisma ist für viele religiöse Gemeinschaften gar nicht so einfach, wie man glauben sollte. Wo sind zum Beispiel die Sklaven, die die Mercedarier loskaufen sollen? Was tun die Steyler Missionare in Lateinamerika (kaum tätig in der Erstverkündigung oder im Pressewesen)?
Eine Möglichkeit besteht darin, auf dieses ursprüngliche Charisma zurückzugehen und von dieser wieder entdeckten ursprünglichen Identität dann nach Wegen zu suchen, die eine Umsetzung dieser Identität in der Gegenwart ermöglichen. Das führt allerdings meistens zu Bruchlandungen aufgrund der andersartigen Gegebenheiten des Kontexts.
Die andere Möglichkeit besteht darin, sich auf den Heiligen Geist zu besinnen, der seinerzeit in den Gründerpersönlichkeiten gewirkt hat und dem jeweiligen Charisma eine bestimmte Ausdrucksform gegeben hat. Dieser Geist wirkt auch in der Gegenwart, sehr oft außerhalb der Strukturen der Gemeinschaft - und der sichtbaren Kirche überhaupt - und ruft von dieser Gegenwart aus zu einer gläubigen Antwort. Die Frage ist dann nach der Offenheit des eigenen kleineren Geistes und dem Glauben an den Heiligen Geist. Den neuen Anforderungen der Gegenwart entsprechend würde die Identität vom Geist so verändert werden, dass sie in der gleichen Weise antworten würde wie das seinerzeit die Gründer taten - vielleicht anders, aber gleich gläubig. Die Identität bleibt nur erhalten, wenn sie sich den gegenwärtigen Anforderungen entsprechend verändert. Die Mission bestimmt die Identität der Gemeinschaft, nicht umgekehrt. Der "Emmausweg" setzt auf die kreative und herausfordernde Gegenwart des Heiligen Geistes nicht nur in der Vergangenheit, sondern vor allem auch in den Konflikten der Aktualität.
Interkongregationalität
Die Gegenwart macht vielen Kongregationen immer deutlicher, dass eine Beschränkung auf die eigenen herkömmlichen Arbeitsgebiete und Vorgehensweisen aussichtslos ist. Die Ordensleute berichten im Gegensatz dazu immer wieder, dass das gemeinsame Engagement einer bestimmten Herausforderung gegenüber ihr eigenes Leben bereichert.
In Kolumbien hat es über viele Jahre eine Arbeitsgruppe zu Gerechtigkeit und Frieden gegeben, die von vielen Kongregationen unterstützt worden ist. Ihre Arbeit in der Verteidigung der Menschenrechte - und Kolumbien hat leider seit Jahrzehnten eine Rekordposition in Menschenrechtsverletzungen - hat Geschichte gemacht. Auch Märtyrer. Und dieses Engagement hat viele Ordensleute radikal verändert. Angesichts der gemeinsamen Herausforderung sind - mit einem ironischen Unterton gesagt - nicht einmal mehr die Unterschiede von Jesuiten und Franziskanern von Belang.
Ähnlich ist es in Brasilien mit der Betreuung von AIDS-Kranken. Eine Schwester erzählte mir, dass sie mit dem Transvestiten Eduard "von Frau zu Frau" redet - "das ist 'Karin' für mich". Vielleicht eine etwas extreme Form, auf den anderen in seiner Eigenheit und in seinen Herausforderungen einzugehen.
Der Ort der Mission
Die Missiologiezeitschrift Spiritus hat in der letzten Ausgabe von 2003 nach dem Ort der Mission gefragt. Wo findet die Mission statt, wenn sie nicht mehr geografisch festgelegt ist (entgegen dem Anschein der Gebetsmeinung)? Der Titel der monografischen Nummer gibt einen ersten Hinweis: "Die Mission im Vorhof" oder im Hinterhof oder auf den Plätzen der Stadt. Auf jeden Fall außerhalb der Kontrolle der Sakristeien und Pfarrherren usw.
Die Mission wird dann wieder sehr interessant. Es geht weg von der Verwaltung herkömmlicher Aufgaben. Die Identität der Kongregationen wird von den Herausforderungen des alltäglichen Lebens der anderen bestimmt. Gleichzeitig wird die Antwort der verschiedenen Institute auf die Notwendigkeiten das christliche Leben bereichern. Auf diese Weise erfüllen die Institute einen wirklichen Dienst an der Welt. In der "guten alten Zeit" (?) des kolonialen Systems hatte es Sinn, dass die verschiedenen Institute in "ihren Missionen" als Einzelkämpfer arbeiteten und dabei aufopferungsvoll und eigenständig "ihre" Kirche einpflanzten. Im Zeitalter der Netzwerke, der globalen Zusammenarbeit und globalen Ausbeutung sind auch die Herausforderungen globaler geworden. Die Gemeinschaft und Zusammenarbeit derer, die in den alten und neuen Nöten und Anforderungen den Geist am Werk sehen, ist nicht nur eine gläubige Antwort, sondern auch ein Zeugnis für den einen Geist, der immer alles neu macht.
Dieser Beitrag ist entnommen aus der Zeitschrift "DIE ANREGUNG" Ausgabe 4/2004