Allgemeine Gebetsmeinung - Dezember 2004

01. Dez 2004

Wir beten, dass alle Christen, Männer und Frauen, bereitwillig ihrer persönlichen Berufung zu einem Leben nach dem Willen Gottes folgen.

Auf der Suche nach dem Weg

Es ist interessant zu beobachten, wie in der letzten Zeit wieder mehr Menschen "unterwegs" sind. Ich meine aber nicht in erster Linie die vielen Urlaubs- oder Dienstreisen, sondern das zunehmende Interesse an Pilgerreisen, an Wallfahrten. Es ist wieder "in", sich zu besonderen Orten aufzumachen - unter manch-mal doch schwierigen bzw. ungewohnten Bedingungen -, um etwas Außergewöhnliches zu "erleben". Was suchen die Menschen dort? Wohin geht ihr Sehnen und ihre Erwartung?

Die einen erfahren sich sicherlich in einer Situation der Krise. Sie brauchen Orientierung, suchen Hilfe oder Heilung, so etwas wie eine Erleuchtung, um ihr Problem oder ihr Leben besser in den Griff zu be-kommen. Gerade in solchen Situationen wird dem Menschen seine Verwiesenheit auf etwas ganz anderes bewusst, das ihn und seine Welt übersteigt. Diese transzendente Wirklichkeit wird durchaus nicht immer gleich mit Gott in Verbindung gebracht oder so gesehen. Auf dem Markt der Möglichkeiten - vor allem auch via esoterischer Literatur oder Internet - bieten sich heute alle möglichen Lehren oder Lehrer an, die den vermeintlichen Schlüssel zur Lösung aller Probleme zu haben vorgeben und auch den Weg dorthin zeigen könnten.

Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die durchaus noch eine Bindung zum Glauben oder zur Kirche haben und die vielleicht durch eine markante Begegnung oder ein bestimmtes Ereignis wieder auf das Ursymbol des Weges gestoßen sind, die den Lebensweg als Pilgerweg sehen, zu dem auch bestimmte Stationen, Orte oder Riten gehören, die Heil vermitteln können. Sie erfahren sich als Menschen, die in diese Welt gestellt sind, gerufen und berufen, ihr Leben gemäß der ihnen von Gott geschenkten Berufung zu gestalten und zu leben.


Von Gott geschaffen und berufen

In Gen 1,27-28 lesen wir dazu: "Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen." Zunächst wird ganz klar unser Ursprung mit Gott in Verbindung gebracht; sein Wille hat uns ins Dasein gerufen. Sein Segen begleitet den Menschen auf seinem Weg, damit er und sie fruchtbar seien und sich alles Geschaffene dienstbar machen. Darin liegt aber gleichzeitig eine große Verantwortung auf dem Menschen: Gott hat ihm die Erde anver-traut. Er traut uns zu, seine gute Schöpfung zu verwalten und zu gestalten, auf dass sie Lebensraum für viele biete. Dies gilt für alle menschlichen Wesen aller Zeiten und an allen Orten - ohne Ausnahme.

Ferner wird deutlich gesagt: Gott hat den Menschen nach seinem Abbild geschaffen, als Mann und Frau. So werden Ursprung und Auftrag noch einmal differenziert für Mann und Frau mit ihren je eigenen Fähigkeiten und Qualitäten gesehen. Es geht um ein Miteinander, nicht ein Gegeneinander. Darum geht es übrigens auch im neuen "Schreiben an die Bischöfe der Katholischen Kirche über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt". Da wird besonders Wert darauf gelegt, dass beide, Mann und Frau, aufgerufen sind, einer für den anderen da zu sein und zu leben. "In der 'Einheit der zwei' sind Mann und Frau von Anfang an gerufen, nicht nur 'nebeneinander' oder 'miteinander', sondern auch für den anderen zu leben..." Die interpersonale Gemeinschaft ist von Gott gewollt und stellt die Grundlage für alle weiteren Aussagen über das Verhältnis von Mann und Frau dar. Gerade mit Blick auf bestimmte feministische Tendenzen (unserer Tage) wird unterstrichen, dass es um ein Miteinander und nicht um eine Konkur-renz geht. Dass hier so manches noch im Argen liegt (die Kongregation der Glaubenslehre spricht von einer "potenziellen Konfliktsituation"), ist uns wohl allen bekannt und bewusst. Deshalb wird auch eine "gelebte Versöhnung der beiden Geschlechter, unterstützt vom Gebet" als unabdingbar angemahnt.


Als Christen berufen, den Willen Gottes zu erfüllen

Bei den genannten Beobachtungen ist allerdings noch zu unterstreichen, dass wir als Christen auch eine spezifische Aufgabe zur Mitgestaltung der Welt haben. Es ist nicht beliebig, auf wen oder auf welche Heilslehre wir uns berufen. Und es stimmt auch nicht, dass wir doch "alle den gleichen Gott haben (und anbeten)". Diese Simplifizierung findet leider immer wieder ihre Anhänger; manchmal aus Unwissenheit heraus, manchmal aber auch, weil man sich nicht die Mühe machen will, differenzierter zu schauen und dann auch entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Aus unserem Glauben heraus haben die Person Jesu Christi und seine Botschaft eine einmalige und herausragende Bedeutung auch für unser Handeln. "Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen." (Joh 4,34)

So können wir eigentlich an Jesus am besten sehen und erfahren, was dies dann auch inhaltlich bedeutet und somit auch für uns selbst zu einem erfüllten - nicht unbedingt leichten oder erst recht nicht bequemen - Leben zu finden. Jesus hat immer deutlich gezeigt, dass es ihm um diese Erfüllung des Willens Gottes geht und um den Menschen, und nicht bloß um die Erfüllung des Gesetzes. Der Einzelne mit seiner Individualität, eingebunden in die Gemeinschaft, wird von ihm angesprochen, eingeladen, ermutigt, ja geheilt, aber auch korrigiert und kritisiert.


Bereitwillig folgen

Wenn Jesus nach der wahren Erfüllung der Gebote gefragt wurde, die dann auch zum Heil führen, hat er immer auf den ursprünglichen Sinn der Gebote und des Gesetzes hingewiesen. Er hat den Menschen herausgefordert, sich in seiner von Gott geschenkten Freiheit zu entscheiden. Nie hat er dabei Zwang ausgeübt.

Beten wir, dass wir Christen, als Männer und Frauen, ebenso bereitwillig unserer persönlichen Berufung folgen können.


Dieser Beitrag ist entnommen aus der Zeitschrift "DIE ANREGUNG" Ausgabe 6/2004

Heinz Schneider SVD

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