01. Dez 2005
Wir beten für die Bischöfe in den jungen Kirchen: dass sie ihre Priester für eine ständige Weiterbildung gewinnen.
Weiterbildung, eine Seite der Lebensentwicklung
Weil die Grundstruktur des menschlichen Lebens von einer fundamentalen Lebensdynamik erfüllt ist, entwickelt sich das menschliche Leben in allen seinen Dimensionen ständig. Es liegt in seiner Natur, sich in seine eigene Zukunft und in seine künftige Gestalt hinein zu entwerfen. Ganz augenfällig und unübersehbar zeigt sich das besonders in den physischen, psychischen, spirituellen und arbeits- und dienstbezogenen Aspekten des menschlichen Lebens. Wer sich diesen Wahrnehmungen stellt und sie immer wieder in sein Bewusstsein hebt, wird das menschliche Leben insgesamt als Entwicklungsereignis und Entwicklungsprozess verstehen. Wer das einmal begriffen hat, wird das auch positiv bejahen und sich dann auch aktiv in dieses Entwicklungsereignis und in diesen Entwicklungsprozess einschalten. Das heißt dann auch, dass Weiterbildung als eine Form der aktiven Teilnahme an der Lebensentwicklung nicht eine Art Luxus ist, den sich Menschen leisten wollen oder nicht, sondern eine verpflichtende Aufgabe, so lange sie in dieser Welt leben.
"Träger" der Weiterbildung
Von hier her ist es eigentlich selbstverständlich, dass die Menschen allgemein und hier in unserem Fall die Priester selbst für ihre eigene Weiterbildung verantwortlich sind und sie mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, vorantreiben. Da die Priester aber, verwurzelt in der Ortskirche, in einer lebendigen Kommunikation mit den Mitbrüdern und allen Gläubigen leben, seien sie nun für bestimmte Erfahrungs-, Wissens- und Bildungsgebiete besonders qualifiziert oder nicht, sind sie alle in die Pflicht genommen, sich auch gegenseitig in dem Prozess der Weiterbildung zu unterstützen. So empfiehlt auch das Apostolische Schreiben über die Ausbildung der Priester "Pastores Dabo Vobis", 1992 von Papst Johannes Paul II. als Ergebnis der Bischofssynode von 1990 veröffentlicht, gerade diese Seite der Weiterbildung. Es weist dann auch auf die besonderen Weiterbildungsmöglichkeiten hin, die die Treffen des Bischofs mit den Priestern, Geistliche Übungen, regelmäßige Einkehrtage und Studientagungen und nicht zuletzt die geregelte, persönliche geistliche Begleitung eröffnen.
Phasen der Weiterbildung
"Pastores Dabo Vobis" behandelt in einem eigenen Kapitel das Thema der Weiterbildung der Priester. Darin legt es, neben dem obigen Hinweis, auch besonderen Wert auf die unterschiedlichen Lebensabschnitte, in denen die Weiterbildung von besonderer Bedeutung ist. "So wird die enge Begleitung von jungen Priestern durch fähige Betreuer und Mentoren herausgestrichen und die Schaffung von geeigneten Strukturen gefordert. Auf die Priester in den mittleren Jahren wird gesondert eingegangen, zumal - wegen ihres Alters und der Jahre im Dienst - Probleme, wie übertriebener Aktivismus oder das Hineingleiten in Routine, entstehen können. Auch ältere Priester bedürfen als eigene Gruppe der Weiterbildung. Sie brauchen Vertrauenserweise und Ermutigung für die Rolle, die sie noch als Mitglieder der Priesterschaft spielen können und sollen. Zuletzt werden jene angesprochen, die krank oder überlastet sind, also an körperlicher Schwäche und seelischer Erschöpfung leiden" (Dialog mit dem Wort Nr. 4, S. 15). In den unterschiedlichen Lebens- und Dienstphasen können und sollen nicht immer alle Dimensionen der Weiterbildung die gleiche Bedeutung haben. Die Weiterbildung muss sich also bedarfsorientiert, personen- und lebensphasenbezogen gestalten.
Weiterbildung als Bekehrung
Nach "Pastores Dabo Vobis" liegt eine zusätzliche Begründung und Motivation für den Prozess der Weiterbildung im Sakrament der Priesterweihe selbst. Es gilt, das Wort an Timotheus "Darum rufe ich dir ins Gedächtnis: Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteil geworden ist" (2Tim 1,6) im jeweiligen Heute der priesterlichen Existenz zu realisieren. Auch das Wort Jesu: "Komm und folge mir" ist eine bleibende, je neu ergehende und sich ereignende Einladung und erwartet eine Antwort, die je neu aus der gegenwärtigen Situation der priesterlichen Existenz zu formulieren ist. "Und in eben dieser Perspektive tritt die Bedeutung der Weiterbildung zutage: Sie ist erforderlich, um diesen beständigen Ruf oder Willen Gottes zu unterscheiden und ihm Folge leisten zu können" (Nr. 70). Von hier her ist eine umfassende Offenheit und ganzheitliche Lernbereitschaft gefordert, die sich auch, biblisch gesprochen, als Prozess einer ständigen Bekehrung bezeichnen lässt. Die Weiterbildung meint also eine ganzheitliche Lebensentwicklung. Sie hat solch einen Wert und solch eine Bedeutung gerade für die priesterliche Existenz, dass sie ohne die Wahrnehmung dieser Lebensaufgabe ins Leere läuft.
Dieser Beitrag ist entnommen aus der Zeitschrift "DIE ANREGUNG" Ausgabe 6/2005