Missionarische Gebetsmeinung - März 2006

01. Mär 2006

Wir beten, dass Zusammenarbeit und Austausch in der Weltkirche das missionarische Bewusstsein stärkt und die Missionsarbeit fördert.

"Wohlfühl-Kirche"

Unsere Pfarrei? Ich bin mit ihr ganz zufrieden. Wir haben unsere Kirche renoviert; die Orgel ist überholt; neue Fenster; die Liturgie ist sehr gepflegt; der Kirchenmusiker zeigt viel Initiative; drei Chöre; ein tolles Musical aufgeführt; die Kirche war brechend voll; wenn immer so viele kämen! Aber es geht ja noch; nur die Jugendlichen und Kinder kommen nicht mehr; wie soll das weitergehen? Und jetzt ist der Pfarrer alleine; kein Kaplan mehr; aber er tut alles für uns; er kann auch gut predigen; für die Alten wird viel getan; und für die Messdiener; doch, unsere Pfarrei läuft gut; die Vereine, der Kirchenvorstand; man versteht sich und gibt sich viele Mühe; wenn etwas weniger diskutiert würde, wäre das besser: aber was wollen Sie; wir helfen auch einigen Bedürftigen und Obdachlosen durch die Caritas; die Spenden für Misereor und die anderen sind auch gut. Man tut viel für uns und wir helfen auch; wir haben auch eine Patenpfarrei in Afrika: Ich fühle mich wohl in unserer Kirche! - Eine "Wohlfühl-Pfarrei", wie sie die Regel sind bei uns: Eine Gemeinschaft von Katholiken für Katholiken.


Kirche für alle

"Beten, dass ein missionarisches Bewusstsein entstehe?" Tun wir noch nicht genug für die Mission? Wir interessieren uns doch auch für die dritte Welt; - unser Laden! Wir hatten sogar einen Priester aus Afrika zur Urlaubsvertretung des Pfarrers. Wir hatten ihn sehr gern. Nur sein Deutsch...

Alles gut und schön, doch tut es mir leid, Sie enttäuschen zu müssen. Ihr Kirchenbewusstsein liegt - gelinde gesagt - sehr schräg. "Wohlfühl-Kirche", Versorgungskirche. Spätestens seit dem Konzil müssten wir eine andere Auffassung vom Wesentlichen unserer Kirche haben: keine Gemeinschaft von Katholiken für Katholiken, sondern Gemeinschaft von Katholiken für alle, für die ganze Welt. Unsere Kirche ist in ihrem Wesen missionarisch. Wo dieser Charakter verloren geht oder nicht gesehen wird, sind wir keine Kirche Christi. Durch Taufe und Eucharistie sind wir aufs Engste mit Christus verbunden. Wir nehmen teil an seiner Sendung, die ihm der Vater anvertraut hat, nämlich die Frohbotschaft allen Menschen zu verkünden und sein Reich auszubreiten. Kirche sein ist identisch mit gesendet zu sein, eine missionarische Gemeinschaft zu sein.


Missionare

Lange hat man gemeint, - und diese Meinung gibt es auch heute noch - Missionsarbeit sei etwas für einige Spezialisten in der Kirche, "hinausgehen in alle Welt..." Ja, es gibt sie, sie sind notwendig für eine Erstverkündigung und zum Aufbau von kirchlichen Gemeinschaften dort, wo die Menschen noch gar nichts oder kaum etwas von der Frohbotschaft Christi vernommen haben. Sie leisten diese Arbeit aufgrund einer ganz speziellen Sendung innerhalb der Kirche, "berufsmäßig" sind sie "Missionare" in nicht oder kaum "evangelisierten" Völkern. Beten, dass das Missionsbewusstsein zunehme", betrifft aber nicht ausschließlich die "Missionsberufe". Es betrifft uns alle.


Entdeckung: christliche Minderheit

Spätestens seit der Wiedervereinigung sind wir uns in unserer Heimat bewusst geworden, dass Deutschland "nicht mehr christlich" ist. (Viele wollen es immer noch nicht wahrhaben). Hier ist viel Beten und Wirken des Heiligen Geistes notwendig, um sich auf diese eigentlich gar nicht so neue Situation einzustellen, um die Rolle der Kirche zu überdenken und neu zu orientieren in der Gesellschaft der Nichtgetauften, Abständigen, Menschen, denen das Evangelium gar nicht oder kaum bekannt ist. Für all diese Menschen ist die Kirche da. Sie (jeder Einzelne von uns) sind gesandt; wir sind missionarische Kirche; wir haben die Berufung "Geh-hin-Kirche" zu werden. "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch." Wir sind eingebunden in diese Sendung Christi, nicht irgendwo, sondern in Köln, Frankfurt, Dresden, Berlin, oder wo sonst wir wohnen: Wir wohnen unter Nichtchristen oder Nicht-Praktizierenden. Das wird uns langsam aber sicher bewusst. Von dieser Entdeckung aber bis hin zu der gelebten Glaubensüberzeugung, dass unsere Gemeinden missionarische Verantwortung für sie alle trägt, ihnen Christus und sein Reich zu verkünden haben, ist es ein weiter Weg. - Da macht Beten Sinn: Da brauchen wir ganz viel Hilfe des Geistes Gottes.


Berührungsängste überwinden

Angst erfasst uns. Wir fühlen uns wie vor einer Mauer der Ablehnung. "Eine verdrossene und von Selbstzweifeln geplagte Kirche kann das freilich nicht, auch nicht eine Kirche, die sich vornehmlich mit sich selbst beschäftigt," schreibt Bischof Wanke aus Erfurt in einem Brief, als Anhang zu dem Schreiben der deutschen Bischöfe aus dem Jahre 2000 - "Zeit der Aussaat" - missionarisch Kirche sein". Darin wird die drängende Herausforderung für die Kirche in Deutschland dargelegt, missionarische Kirche zu sein. Wir Christen sind in der Unterzahl in Deutschland, wie auch weltweit. Uns ist eine Riesenaufgabe anvertraut: Gott und sein Reich, das wahre Glück und das Heil für alle Menschen.


Selbsterlebtes vermitteln

Unsere "Wohlfühl-Kirche" muss geöffnet werden; Umorientierung ist angesagt. Das ist schwer und nur durch eine Bündelung aller Kräfte zu erlangen. Die Rolle der lebendigen Wohlfühl-Gemeinschaft darf dabei nicht gering eingeschätzt werden. Sie ist erforderlich zur Einübung eines missionarischen Geistes. Nur wer Christus in Gemeinschaft erfahren hat, wer die wohlwollende Annahme in der Kirche erlebt hat, kann das Erfahrene weitergeben. Wer sich angenommen, geschätzt, geliebt, in Gemeinschaft glücklich fühlt, den drängt es, dieses Glück, Christus selbst weiterzugeben, anderen zu vermitteln, was mir selbst geistlicher Lebensbereich geworden ist. Hier liegt die Rolle unserer Gemeinschaften: das Glück erleben, Christ zu sein, um es weiter zu schenken. Die Gemeinschaften werden sich nach außen gedrängt fühlen, ihr Blick wird sich weiten über die eigenen Grenzen hinaus.


Die "Offiziellen" und "Professionellen"

Eine große Aufgabe fällt dabei allen Offiziellen zu. Die Weltkirche und auch die Kirche in Deutschland haben sich durch Konzil, Enzykliken, Verlautbarungen ganz klar zur missionarischen Wesensaufgabe der Kirche bekannt. Auf höchstem Niveau ist theoretisch alles klar. Es gilt dafür zu beten, dass dieser missionarische Geist nicht immer wieder überlagert wird von allem möglichen Kleinkram, der als wichtig für das Leben der Kirche angesehen wird. Ein regelmäßiger Kontakt und Austausch wären wünschenswert und sicher eine große Bereicherung. Dabei könnte sicher ein vertiefter Kontakt bedeutsam sein mit Ländern, die zu den ärmsten der Welt gezählt werden und im internationalen Spiel nur höflich zur Kenntnis genommen werden. Ihre Kirchen sind jung und zum Großteil tief missionarisch orientiert und entwickeln, oft unbekümmert um alte Traditionen, Glaubensformen und Initiativen, die uns immer wieder in Staunen versetzen und gelegentlich mitreißen (cf. Weltjugendtag).


Selbstevangelisierung

Um unser Missionsbewusstsein zu beleben, braucht es für uns immer wieder eine Selbstevangelisation. Immer tiefer unseren Christusglauben erleben, um uns leiten zu lassen hin zu den Mitmenschen, uns öffnen, andere spüren lassen, dass sie willkommen sind. Alle Tätigkeiten und Angebote in unseren Gemeinschaften müssen sich eine Überprüfung gefallen lassen, ob sie dem missionarischen Wesen unserer Kirche entsprechen; - wenn nicht, müssten wir sie fallen lassen oder neu ausrichten. Das kann Verzicht auf Altgewohntes verlangen und vielleicht schmerzliche Brüche hervorrufen. - Im gemeinsamen Suchen und Austauschen sollten wir dahin kommen, allem, was wir unternehmen, eine missionarische Dimension zu geben. Der Weg, der zu beschreiten ist, muss wegführen vom "Für uns" und hinführen zum "Für andere". Dies bedeutet: die Kirche öffnen, rausgehen, auf andere ohne Angst zugehen, mit ihnen den Weg des Glaubens auf Christus hin gehen, unbefangen, wie selbstverständlich, stolz unseren Glauben leben, durch unser ganzes Verhalten den Menschen zeigen: Gott sucht dich, er liebt dich, er nimmt dich an. Dazu möchten wir beitragen durch unser Zeugnis des Wortes, des Lebens und unseres Gebetes. "Mein Apostolat soll ein Apostolat der Güte sein. Wenn die Leute mich sehen, sollen sie sagen: 'Wenn dieser Mensch gut ist, muss seine Religion auch gut sein ... und sein Herr'." (Charles de Foucauld)

Ein Kreislauf schließt sich: Wir beten um das Entstehen eines gemeinsamen Missionsbewusstseins. Das verlangt und führt zu immer mehr Zusammenarbeit und Austausch zwischen den Verantwortlichen und mündet unweigerlich in einen verstärkten missionarischen Einsatz für die Menschen um uns und in der ganzen Welt. Und immer wieder beten wir von Neuem um den Geist Gottes, der uns die notwendigen neuen Wege und Initiativen finden und ergreifen lässt.

 

Heinz Schwis SVD, Kommentar zur Missionsgebetsmeinung März 2006 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 2/2006, Steyler Verlag, Nettetal

Heinz Schwis SVD

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