Missionarische Gebetsmeinung - Juni 2006

01. Jun 2006

Wir beten, dass der interreligiöse Dialog der Christen und die Inkulturation des Evangeliums alle Völker zu Christus führen.

Der Heilswille Gottes

Die zentrale Botschaft Jesu war das Reich Gottes, ein Symbol, das er bewusst wählte. Es beinhaltet alles, was er sagen und bringen wollte. Er selber gebraucht dieses Symbol 92 Mal. Man kann es nur umschreiben, um es verstehen zu können. Es ist der Traum Gottes für die ganze Schöpfung, die zu dem Zweck geschaffen wurde, um einmal die ganze Fülle Gottes auf geschöpfliche Weise darzustellen. Man kann es auch als den Heilswillen Gottes bezeichnen, der alle Geschöpfe dazu bestimmt hat, einmal an Gottes eigenem Leben in Jesus Christus teilzunehmen. Da dieses Reich Gottes für die ganze Schöpfung gemeint ist und daher alle und alles umschließt - und nicht nur die Kirche -, hat das Zweite Vatikanische Konzil die Kirche von diesem Plan Gottes her gesehen und ihre Sendung als einen Dienst am Reiche Gottes für die ganze Welt beschrieben. Papst Johannes Paul II. schreibt: „Das Reich Gottes ist für alle Menschen bestimmt, da alle dazu berufen sind, darin eingegliedert zu werden "... Die Kirche kann man nur in dieser breiten Perspektive des Heilsplanes Gottes verstehen, sowohl ihr Wesen wie auch ihre Sendung (RM, 14).  

Die frohe Botschaft, die die Kirche verkündet, ist daher immer eine Botschaft an alle Völker und Religion. Es ist neben dem Ruf zur Hinkehr zum Reich Gottes auch ein Ruf an alle, das Reich Gottes als schon gegenwärtig in ihrer eigenen Mitte zu entdecken und darauf zu antworten. Die Sendung der Kirche wird daher als eine dreifache verstanden. Erstens, in Wort und Sakrament zu verkünden, dass Gottes Reich schon gegenwärtig ist, und es zu feiern vor allem in der Liturgie. Zweitens, christliche Gemeinden zu bilden in allen Kulturen und unter allen Völkern, um das Reich Gottes, das schon gegenwärtig und lebendig ist in christlichen Gemeinden, diesen Völkern vor Augen zu führen, damit sie es konkret erfahren. Drittens, da Gottes Heilwille in Christus sich auch außerhalb der Kirche in der Welt, vor allem in den anderen religiösen Traditionen, schon vorfindet und erfahren lässt, muss die Kirche sich bewusst in einen Dialog mit der Welt und den anderen Religionen einlassen, damit das schon anfanghaft anwesende Reich Gottes gesehen und immer deutlicher und wirksamer hervorgebracht wird.

Genau diese dritte Tatsache spricht unsere Gebetsmeinung an. Die Christen sollen ihren nicht-christlichen Mitmenschen mit dem Wissen begegnen, dass Gott auch schon in deren Leben und in deren Religion als heilspendender Gott gegenwärtig ist, denn Gottes Liebe in Jesus Christus umschließt alle Menschen und sucht alle zu retten.

Mission wird zum Dialog, denn Dialog heißt ja, ich bringe nicht nur etwas Neues dem anderen, was er noch nicht hat, sondern ich empfange auch von ihm etwas, was ich noch nicht in Fülle habe. Weil Gottes Heil schon im anderen wirksam ist, werde auch ich beschenkt, wenn ich mit dem anderen in einen Dialog trete. Dialog heißt dann hier: schenken, aber auch sich selber beschenken lassen.

Die verschiedenen Kulturen, in denen der Mensch sich selber darstellt, und in denen er auch Gott finden kann als den, der sich ihm durch seine eigene Kultur und in ihr erschließt, sind im gewissen Sinne als Offenbarungsträger anzusehen und müssen ernst genommen werden. Das Evangelium verpflichtet die Kirche, in allen Kulturen nach dem Reich Gottes zu suchen, um es dann dort "Fleisch werden zu lassen", damit den Menschen Zugang zu diesem Heil in den Formen ihrer eigenen Kultur angeboten wird. Nur so wird die universale Bedeutung des Reiches Gottes für alle Menschen ernst genommen. Inkulturation ist daher ein Wesensbestandteil von Evangelisation. Anders ausgedrückt: Da alle Menschen Kulturwesen sind, muss Jesus auch kulturell verstanden und mit Freuden aufgenommen werden. Das gilt dann auch für die Kirche: Sie muss kulturell bedeutsam sein, wenn sie und ihre Botschaft verstanden und willkommen sein will. Um das hier gemeinte einmal bildlich darzustellen, möchte ich es in einem Gemälde aufzeigen, das ich in einer Kirche auf einer Insel in der Südsee gefunden habe. Es ist ein Gemälde von einem einheimischen Künstler, der das Gebetsanliegen vorausgeahnt und auf seine Art dargestellt hatte: Das Gemälde zeigt drei große Schiffe, die sich einer Insel nähern. Vorne am Bug stehen Missionare, einer davon, ein Bischof in vollem Ornat, Segen spendend mit einem großen Kreuz in der einen Hand und in der anderen die Bibel. Die übrigen Männer, in franziskanische Kutten gekleidet, knien in Gebetshaltung daneben. Entlang der Küste stehen die Einheimischen und schauen mit gespannten Gesichtern auf das Meer hinaus, in Erwartung der ankommenden Schiffe. Es sind Kinder, Erwachsene, Alte und Junge; selbst Hunde und Schweine mischen sich unter die Menge und beobachten die sich nähernden Schiffe.

Das besonders Auffallende in dieser Gruppe von wartenden Menschen jedoch ist Jesus, der genau in ihrer Mitte steht, in Hautfarbe und Tracht einer von ihnen, dicht umgeben von Kindern. Sein Gesicht strahlt Freude und Begeisterung aus, Er erhebt beide Hände und winkt den ankommenden Missionaren zu, als wollte er ihnen andeuten: "Seid willkommen, ich bin schon lange hier, ich freue mich herzlich, dass ihr endlich bis hierher gefunden habt."


Gott ist schon da

Sein Heil für alle ist schon am Werk, wo immer wir seine Botschaft vom Heil hinbringen wollen und sollen. Das Suchen Gottes nach dem Menschen hat schon Gestalt angenommen, er wartet auf uns. Unsere Aufgabe ist es, im Dialog mit den anderen das uns in Jesus Christus gebrachte Heil zur vollen Entfaltung zu bringen. Mission wird zum Dialog, es gibt keinen anderen Weg mehr, wie es der letzte Papst mit nie müde werdender Eindringlichkeit immer wieder betont und gefordert hat.  

Dialog ist aber eine vielfältige, innermenschliche Gegebenheit und betrifft viele Bereiche des Lebens. Einen Dialog führen verlangt tiefe Achtung, Feingefühl und Disziplin und bedeutet im Letzten eine Lebenshaltung, mit der ich dem anderen gegenübertrete. Weil das so ist, brauchen wir vor allem, wenn es um die letzten Fragen des Menschen geht, den Beistand des Heiligen Geistes, damit wir sein Wirken in der Welt und den anderen Religionen erkennen. Wir benötigen den Geist, der uns offen macht für sein Wirken in uns und in denen, mit denen wir den Dialog führen möchten. Es ist derselbe Geist im anderen, der auch mich führt.  

Das Gebetsanliegen zielt also im Letzten darauf hin, dass alle sich in der Kirche bewusst werden: Der Geist wirkt überall und will uns zur Fülle der Wahrheit führen. Es geht darum, dass wir das Reich Gottes oder den Geist Jesu überall entdecken und als schon wirksam gegenwärtig erfahren, wo wir sein Reich bewusst als angekommen in Jesus Christus verkünden wollen.

 

Johannes Füllenbach SVD, Kommentar zur Missionsgebetsmeinung Juni 2006 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 3/2006, Steyler Verlag, Nettetal

Johannes Füllenbach SVD

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