Missionarische Gebetsmeinung - Januar 2008

01. Jan 2008

Wir beten, dass die Kirche in Afrika - von Krieg, Ausbeutung und Armut bedroht - in der Vorbereitung und durch die Feier der Bischofssynode zu einem Zeichen der Versöhnung und der Gerechtigkeit wird.

Afrika und sein Zeugnis - aus der Sicht Chinas
Die Synode in Afrika wird geprägt sein von der großen Vielfalt und Lebenskraft der Kirche in Afrika. Trotz materieller Armut und sozialer Probleme ist Afrika ein schöner und reicher Kontinent, und die Kirche zeigt hier bemerkenswerte Entwicklungen, es gibt afrikanische christliche Musik, afrikanische Liturgien, einheimische Theologien, und es gibt viel Hoffnung für die Zukunft. Die Kirche ist ein Hoffnungsträger in Afrika, und Afrika ist auch ein Hoffnungsträger für die Weltkirche. Von China her auf Afrika zu sehen, mag vielleicht eine ungewohnte Perspektive sein, aber vielleicht gibt es da mehr Gemeinsames, als man auf den ersten Blick erwarten möchte.

 

China und Afrika
Bei einer Konferenz in Peking im Jahr 2003 war auch ein afrikanischer Theologe anwesend, und ich hatte die Ehre, für ihn zu übersetzen. Als er meinte, China und Afrika hätten die Ahnenverehrung, den Ahnenkult als große Gemeinsamkeit, wurde es plötzlich sehr still im Saal. Alle Chinesen haben gespannt zugehört, weil man ja doch gewohnt ist, sich als jahrtausendealte Kulturnation mit großem Schrifttum darzustellen, die schon ein großes Kaiserreich war, „als die Europäer noch auf den Bäumen saßen", etwas salopp ausgedrückt. Wie kann man dann Afrika mit China vergleichen!? Aber es stimmt schon: Unter dem Lack des Konfuzianismus ist die alte schamanistische Kultur in China nie ganz erstorben. Magische Praktiken und die Geister der Ahnen waren eine wichtige Realität im alten China. In der modernen sozialistischen Volksrepublik kehren die alten Traditionen teilweise wieder zurück, besonders in den Bauerndörfern auf dem Land. Wer mehr Kontakt zu den Leuten auf dem Land hat, hört bald Geschichten von Geistern, von Erscheinungen, von magischen Kräften, von Besessenen und (im christlichen Umfeld) von Teufelsaustreibungen. Die chinesische Theologin Zeng Baosun (1893-1978), eine der ersten Frauen Chinas, die ein Universitätsstudium in Europa abschließen konnten, schreibt über ihre Kindheit in der Provinz Hunan (Südchina): "Unsere Heimat war eine Region des tiefsten Aberglaubens, und ich selber konnte nach der Lektüre von Gespenstergeschichten aus Angst vor den Geistern nachts oft nicht einschlafen, habe im Halbschlaf magische Formeln gemurmelt, um die Dämonen abzuwehren." Als Frau Zeng dann in China um 1900 eine moderne, atheistische Erziehung erhielt, verlor sie mit der Furcht und dem Aberglauben auch jedes echte religiöse Gefühl, aber sie fand später zum Christentum und schrieb in den 1930ern ein wunderschönes Buch über religiöse Grunderfahrungen: in der Natur, in Freundschaft, in Leid und Tod.

 

Befreiender Glaube
Es ist eine Hoffnung, aber auch eine Realität, dass der Glaube an Christus die Menschen befreit, befreit von Angst, von Aberglauben, von den Dämonen. Der Glaube will alle befreien, in Nord und Süd, Ost und West. Wer sind aber die, die auf Befreiung warten, die "im Halbschlaf magische Formeln murmeln, um die Dämonen abzuwehren?" Was sind die dämonischen, zerstörerischen Kräfte, die uns bedrängen, die stärker sind als wir? 

Platon spricht im Symposium von vielen "Dämonen", die zwischen Gott und den Menschen vermitteln, und Eros sei eine von diesen dämonischen Kräften. Eros, das Verlangen nach dem Schönen und Guten, eigentlich eine positive Kraft, kann auch eine bösartige, exzessive, zerstörerische Tendenz werden. Man hat viel über die "Leibfeindlichkeit" und "Sexfeindlichkeit" des Christentums geschrieben, aber wenn man sieht wie viele Frauen und Männer in China in den Massagesalons der Städte sich von der einen oder anderen Form des Eros versklaven lassen, wie viel Zeit und Energie für "Sensation" und den "Rausch der Sinne" verwendet werden, dann möchte man sich gerne einer konservativeren Grundhaltung anschließen. Sind das nicht dämonische Kräfte, die Tausende von Frauen von einem produktiven Berufsleben abhalten und als "Unterhaltungs-Arbeiterinnen" oder "Wellness-Mädchen" in die Massageräume treiben? Es bedeutet auch, dass diese jungen Frauen keinen ordentlichen Beruf erlernen werden und es später als unqualifizierte Arbeitskräfte schwer haben werden. So weit ist das gar nicht entfernt von Afrika, wo viele Mädchen den Schulbesuch vorzeitig abbrechen müssen, weil sie einfach geschwängert und verheiratet werden.

 

Extreme
China ist von einem Extrem in das andere gefallen: in den 1950ern, 1960ern, 1970ern und auch noch in den frühen 1980ern waren Schuhe mit hohen Absätzen, enganliegende Kleidung, Lippenstift etc. als "kapitalistisch" verpönt, aber seit etwa 20 Jahren wird genau das nachgeahmt, was die amerikanischen Spielfilme und die westlichen Modetrends zeigen. Der "große Gott" Eros durchwirkt heute alle Werbeplakate und fast jede Internet-Seite in China. Aber wie viele Ehen scheitern heute in China an oberflächlicher Romantik, und wie viele geistliche Berufe werden unmöglich gemacht, weil der "süßliche Dämon der Liebe" die Gesellschaft "verhext", die Gedanken der Jugend einseitig in Besitz nimmt, die Menschen hypnotisiert? Als ob die traditionellen chinesischen Ideale (Zurückhaltung, Genügsamkeit, Askese) keine Anziehungskraft mehr besäßen. Die alten Römer hatten Tempel nicht nur für die Venus, sondern auch für andere Göttinnen: für die Pax (Frieden), Fides (Treue und Glauben), Justitia (Gerechtigkeit), Concordia (Eintracht), und es war klar, dass man sich für das Gemeinwesen einzusetzen hatte, auch mit persönlichen Opfern (wie etwa die jungfräulichen Vestalinnen, die das Staatsfeuer hüteten). Ein schöner Gedanke, dass der Kontakt mit dem Göttlichen kein dämonischer "Rausch der Sinne" sei, sondern ein nüchterner Dienst an der Gemeinschaft, ähnlich wie es die radikale Entscheidung für die evangelischen Räte in einem Ordensleben auch fordert.

Platons Symposium will den  Leser weiterführen zu einer höheren Lust und Freude hin, zur Freude am Geistigen, am Guten und Schönen. Ähnlich beschreibt es auch die Bibel: Glaube macht froh, führt zu einer Seligkeit in Gott. Wie sagt Seneca: "Verum gaudium res severa est." Echte Freude ist eine ernste Sache! Ist nicht der christliche Glaube eine sehr ernste Sache, aber auch die allerfeinste Freude? Erfahren wir das Christentum so in unserem Leben: als echte, tiefe Freude, als Kraft die von dämonischen Fixierungen befreit, die uns in die Weite führt? Wie wichtig ist es doch, dass wir alle, besonders die jungen Menschen in Instituten des geweihten Lebens, lernen, frei zu werden, dass wir frei sind für eine tiefe Freude und Begeisterung im Dienst an den "nüchternen Göttinnen": frei für den Dienst an Gerechtigkeit, Eintracht, Frieden!

 


Kommentar zur Missionsgebetsmeinung Januar 2008 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 1/2008, Steyler Verlag, Nettetal

Leo Leeb SVD

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