Allgemeinen Gebetsmeinung - März 2008

01. Mär 2008

Wir beten, dass alle Menschen zur Vergebung und Versöhnung untereinander und zwischen den Völkern bereit sind und die Kirche durch ihr Zeugnis zur Quelle einer neuen Menschlichkeit werde.

Nachgeben: ein Zeichen der Schwäche?
Schon als Kind habe ich gehört, dass körperliche Stärke und lautstarkes Sich- Äußern Ansehen verleihen sollten. Aber dann erlebte ich auch, wie dies nicht stimmte. Dass vielmehr die vermeintliche "Schwäche des Nachgebens" und das Vergeben sich nachher doch als die eigentliche "Stärke" herausstellten. Was vielen - und auch mir mitunter - so schwer fällt, nämlich nicht auf seinem Recht zu beharren, ist wohl ein wesentliches Merkmal des Vergebungsprozesses. Dem andern noch die andere Wange hinzuhalten, anstatt zurückzuschlagen, wird oft nicht als der angemessene Weg zur Problemlösung bzw. eines Neuanfangs gesehen. Das war schon in den Anfängen der Menschheit so - und ist leider heute nicht viel anders geworden. Die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen unserer Tage und die unzähligen privaten Konflikte zeigen dies täglich. Der andere soll zu Boden gehen, er muss für sein Vergehen (oft über Gebühr) bestraft werden - und dies wird weitergegeben an die Kinder und die Mitglieder eines Volkes oder einer Gruppe. Die Betreffenden haben überhaupt keine Berührungspunkte mehr mit dem (damaligen) Konflikt, aber es gehört gleichsam dazu, die "Ehre" der eigenen Gruppe zu retten bzw. wiederherzustellen.

 

Frauen und Männer des Friedens
Immer wieder hat es Frauen und Männer gegeben, die dieses angeblich eherne Gesetz für sich nicht akzeptieren wollten und konnten; die diesem Vergeltungsgesetz eine neue, eine qualitativ andere Alternative entgegensetzten: die Vergebung und die Bereitschaft bzw. das Bemühen um Versöhnung. Vom christlichen Glaubensansatz her liegt dem die beständige Mahnung der Evangelien zugrunde: Bekehre dich und richte dein Leben wieder neu auf Gott aus! Es steht Gott allein zu, zu richten und Neues zu schaffen. Was menschliche Kraft und Möglichkeit übersteigt, das ist bei Gott doch möglich. Wir dürfen und sollen uns nur darauf einlassen.

 

Nur Gott allein kann Sünden vergeben
Jesus zeigt in seinem Wort und in seinem Verhalten deutlich, dass dem Bösen, das zu Streit und Ungerechtigkeit führt, die Sünde zugrunde liegt: die Abkehr des Menschen von Gott und seine Verfallenheit an sich selbst und alles Endliche. Der Bezug zu Gott und damit auch zur transzendenten Wirklichkeit wird nicht mehr gesehen bzw. erfahren, und somit stellt sich der Mensch an die Stelle des Absoluten, an Gottes Stelle. Dann kann er selbst festlegen, was gut und böse ist; dann weiß er angeblich, was für ihn gut ist und ihm gut tut; dann werden die anderen in ihre Schranken gewiesen; denn zunächst steht einmal mein Interesse und mein „Heil" und Glück im Vordergrund. So kommt es zu Konflikten, zu Auseinandersetzungen, zu Hass und Krieg. Aus dieser Verstrickung kann der Mensch sich nicht selbst befreien; hier bedarf er der erlösenden Liebe, die von Gott kommt. Er allein kennt den Menschen durch und durch und weiß, was ihm gut tut, ohne dass dadurch der andere zu kurz kommt. Gottes Liebe schaut nicht auf die Person oder ihre soziale Stellung. Sie ist unbedingt. Sie allein schafft neues Leben. Deshalb ruft Paulus auch den Korinthern zu: An Christi statt bitte ich euch: Lasst euch mit Gott versöhnen. (vgl. 2 Kor 4)


Die Krise der Gottvergessenheit
Wo sich also der Mensch zum Maß aller Dinge macht, verliert er seinen tragenden Bezugspunkt und Grund. Dann hängen Recht und Gerechtigkeit irgendwie in der Luft und sind mehr von Eigeninteresse bestimmt als von dem, was wirklich dem Miteinander und der Würde des Menschen entspricht. Wie wichtig ist es da, dass von Seiten der Kirche, von Seiten der Christen, das Grundgebot Jesu "Liebt einander, wie ich euch geliebt habe" beachtet und vorgelebt wird. Unsere Welt heute braucht besonders dieses lebendige Zeugnis, nicht in erster Linie exakt formulierte Glaubensbekenntnisse oder Erklärungen. Die Menschen wollen an uns Christen ablesen, wie das geht: einander verzeihen und sich versöhnen. Und wie schwer fällt uns dies oft! Menschliche, allzu menschliche Verhaltensweisen treten dann wieder hervor. Das Alte Testament mit seinem (damals durchaus fortschrittlichen) Prinzip "Wie du mir - so ich Dir" feiert vielfach Auferstehung - und nicht das neue Gebot der Liebe, ja der Feindesliebe, wie es Jesus fordert.

 

Eine neue Menschlichkeit
"Bevor du zum Altar gehst - versöhne dich zuerst mit deinem Bruder... !", heißt es bei Mt 5,23-24. Eine Forderung, die wir alle kennen, die aber praktisch unter den Tisch fällt. Denn wo kämen wir da hin, wenn sich jeder daran halten würde. Könnten wir dann noch Liturgie feiern? Aber so ist das ja wohl nicht gemeint, versuchen wir uns rauszureden. Auf die Haltung komme es an. Aber haben wir ernstlich schon einmal versucht, dem anderen vorher wirklich die Hand zur Versöhnung zu reichen? Und wenn der Bruder oder die Schwester die Versöhnungshand nicht annimmt - dann stünde ich als der Blamierte da. Vielleicht lohnt es sich ja einmal nachzuschauen, wie dazu die Weisheit steht bzw. was sie dazu sagt.

 

Weisheit und Versöhnung
Es heißt, Versöhnung sei ein Akt der Weisheit. verstanden als Fähigkeit, andere Menschen zu achten, zu tolerieren und zu akzeptieren. Dies zeigt sich dann im Alltag mit all seinen Chancen und Krisen. Der Schmerz sei gleichsam der Vater und Liebe die Mutter der Weisheit, die in solchen Krisen dann eine versöhnende Rolle spielt. Was wissen wir Menschen eigentlich von unserem Konfliktpartner? Kennen wir seine Lebensgeschichte, die Hintergründe, die Emotionen, all das erfahrene Leid, die geschulterte Last dieses Lebens? Dahinter zu kommen ist sicherlich ein hartes Stück Arbeit, und mancher hat schon auf dem Weg aufgegeben. Zugegeben, alleine schaffen wir das nicht. Aber wir sind ja auch nicht alleine dabei. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." (Mt 18,20) Diesem Wort, dieser Zusage des Evangeliums sollten wir mehr vertrauen und so auf eine neue, vom Evangelium kommende Menschlichkeit setzen, und nicht der ach so beklagenswerten Realität, die uns vorhalten will, dass wir doch naive Träumer seien, die den Kontakt zur Wirklichkeit verloren hätten.

Wurde dies übrigens nicht auch schon Josef, dem Sohn Israels/Jakobs, gesagt: Seht, da kommt ja dieser Träumer! (vgl. Gen 37,19) Aber dieser Träumer blieb am Leben und konnte später sogar noch seine Familie, sein Volk retten. Er hegte keine Rachegedanken, was doch nur allzu menschlich und verständlich gewesen wäre. Aus einer Haltung der Liebe und der Verantwortung heraus reichte er seinen Brüdern die Hand zur Versöhnung - und ermöglichte damit neues Leben.

Jesus Christus hat uns, hat allen Menschen letztlich am Kreuz seine Hand ausgestreckt, um uns mit Gott und untereinander zu versöhnen. Wir brauchen sie nur anzunehmen.

 


Kommentar zur Allgemeinen Gebetsmeinung März 2008 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 2/2008, Steyler Verlag, Nettetal

Heinz Schneider SVD

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