Allgemeinen Gebetsmeinung - April 2009

01. Apr 2009

Wir beten für alle, die in Landwirtschaft und Forsten tätig sind: Segne ihre Arbeit mit einer guten Ernte und ermutige sie, mit den Menschen in vielen Regionen der Erde zu teilen.

Reiche Ernten - leere Mägen 

Wir sind am Bodensee von einer Fülle von Obstsorten umgeben, die auf großen Feldern angebaut werden: Erdbeeren, Himbeeren, Kirschen, Pflaumen, Äpfel, Trauben und Bimen. Vom Frühjahr bis zur Erntezeit beten wir nach jeder heiligen Messe für eine gute Ernte. Die Priester spenden dann mit einem Reliquiar den Wettersegen. Leben wir hier auch wie in einem Obstparadies, ist uns doch stets bewusst, dass diese Fülle ein Geschenk ist. Die Obstbauern bereiten den Boden vor, beschneiden, bewässern und spritzen die Pflanzen gegen Ungeziefer. Mit Netzen versuchen sie sich gegen Hagel zu schützen. Unwetter können die ganze Ernte zerstören. Aber Wachsen und Gedeihen schenkt Gott. Wir bitten Gott um gedeihliches Wetter, wissen zugleich jedoch auch, dass unser fahrlässiger Umgang mit der Natur die Ursache vieler Naturkatastrophen ist.

 

Der Hunger nimmt zu 

In diesem Jahr haben uns viele Krisen bewegt. Die Milchbauern fürchten um ihre Existenz und haben für höhere Milchpreise gekämpft. Die Finanzkrise hat Banken und Betriebe erschüttert. Sie hat zu Kurzarbeit und Entlassungen geführt. Die gestiegenen Lebensmittelpreise vermehren den Hunger in der Welt.  

Ist das Los unserer Bauern schon nicht einfach, ist es für Bauern in den sogenannten Entwicklungsländern bereits alarmierend. Diese Situation hat sich durch die Produktion von Bio- oder besser Agrarsprit dramatisch zugespitzt. Anfangs waren alle froh, dass mit dem Biodiesel Alternativen zum Erdöl gefunden wurden. Trotz harter Arbeit und reicher Ernten nimmt der Hunger seit einigen Jahren in vielen Ländern kontinuierlich zu, besonders in Afrika.

 

Nahrungsmittel für den Tank 

Wie kommt das? Viele Länder in Afrika, Lateinamerika und Asien sind verschuldet. An Biosprit können sie weit mehr verdienen als an Nahrungsmitteln. Als Biotreibstoffe oder besser Agrartreibstoffe bezeichnet man heute Benzin, Diesel oder Gas, die aus biologischen Produkten hergestellt werden. In den Medien wird meistens von „Biotreibstoff` gesprochen, da der Begriff „Bio" positiv klingt. Ethanol ist eine Form von Alkohol, der aus Zuckerrohr, Mais oder anderen Agrarprodukten gewonnen wird. In Brasilien besteht Benzin zum größten Teil aus Ethanol, das aus Zuckerrohr und in den USA aus Mais gewonnen wurde. Biodiesel wird aus pflanzlichen Ölen hergestellt. In Europa wird dafür vor allem Rapsöl verwendet, in Asien Palmöl und in Afrika Jatropha- oder Rizinusöl. Biogas entsteht durch die Fermentierung organischer Stoffe und ist die effizienteste Form von „Bio"-Energie. Die Energieausbeute ist doppel so hoch wie bei Ethanol oder Biodiesel. Viele Bauernhöfe in Deutschland gewinnen aus Gülle und organischer Materie Gas, auch aus Nahrungsmitteln wie Mais und Weizen. 

Arme Länder, aber auch Industriestaaten wie die USA, Europa oder China haben ein großes Interesse, ihre Abhängigkeit von arabischen oder russischen Energieimporten zu reduzieren. Energieabhängigkeit macht erpressbar. Agrartreibstoffe scheinen die Antwort zu sein. 

Da der Anbau von „Energiepflanzen" besser bezahlt wird, tritt er in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion. Flächen, auf denen bisher Mais, Reis oder Weizen angebaut wurden, werden jetzt für den Anbau von Zuckerrohr oder Jatropha benutzt. Große Mengen Mais oder Weizen werden zu Biosprit oder Biogas verarbeitet und stehen dem Weltmarkt nicht mehr als Lebensmittel zur Verfügung. Durch eine Verknappung an Nahrungsmitteln steigen die Preise. Das trifft jene Menschen besonders hart, die von nur einem Dollar am Tag leben müssen und das sind eine Milliarde Menschen. Etwa ein Viertel der Kinder unter fünf Jahren ist unternährt und etwa drei Millionen Kinder verhungern jährlich. Etwa alle drei Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen eigentlich vermeidbarer Krankheiten. 862 Millionen Menschen sind chronisch unterernährt. Nach dem Welternährungsbericht könnte die Landwirtschaft zwölf Milliarden Menschen normal ernähren (mit 2700 Kalorien pro Kopf täglich). Heute sind wir 6,4 Milliarden Menschen, also die Hälfte davon. Demnach besteht keine Notwendigkeit, dass auch nur ein Mensch wegen Hunger sterben muss. 

Mit den Milleniumszielen hatte die Menschheit sich zum Ziel gesetzt, Hunger und Armut in der Welt bis 2015 zu halbieren. Von diesem Ziel haben wir uns sehr weit entfernt. Wenn wir Gott aufrichtig für den Segen unserer Ernten danken, darf der Hunger von so vielen Menschen uns nicht gleichgültig lassen.

 

Gabriele Hölzer SSpS, Kommentar zur Allgemeinen Gebetsmeinung April 2009 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 2/2009, Steyler Verlag, Nettetal

ndk

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