Allgemeinen Gebetsmeinung - September 2009

01. Sep 2009

Wir beten für die Menschen in unserer Zeit, dass ihnen Gottes Wort bekannter wird und sich zu einer Quelle der Freiheit und der Zuversicht erschließt.

Auf den ersten Blick scheint diese Gebetsmeinung klar zu sein. Und doch kommen bei näherem Zusehen Fragen auf. Was ist mit „Wort Gottes" gemeint: das Wort von Gott, d.h. das Gott spricht, oder das Wort, das über Gott gesprochen wird?

 

Vor fast einem Jahr, vom 5.bis 26. Oktober 2008 fand in Rom unter dem Thema: „Wort Gottes im Leben und der Sendung der Kirche" die XII. Bischofssynode statt. Schon in den Vorbereitungsdokumenten wurde auf den Bedeutungsreichtum von „Wort Gottes" hingewiesen - unter den Symbolen von Symphonie und Harmonie. Das ewige Wort des Vaters (Joh 1,1), die Schöpfung (vgl. Gen 1,1; Ps 19,1) und besonders der Mensch (vgl. Gen 1,26), das Fleisch gewordene Wort (Joh 1,14) sowie das Wort der Propheten und der Apostel, das Wort der Schrift sowohl des „Alten" oder Ersten (vgl. Joh 5,39) als auch Neuen Bundes wie letztendlich auch das Zeugnis des Glaubens in der Lehre und in den Weisungen der Kirche – all das kann mit Wort Gottes gemeint sein. Welche Bedeutung von Wort Gottes ist in dieser Gebetsintention gemeint?

 

Es ist aufschlussreich, dass in der Offenbarungskonstitution (DEI VERBUM) des zweiten Vatikanischen Konzils vom Wort Gottes nicht als Substantiv, sondern verbal gesprochen wird: „Gott spricht", „Gott sucht das Gespräch". Während „Wort Gottes" eher das Ergebnis des Sprechens Gottes oder über Gott ausdrückt, wird durch Sprechen und Gespräch auf den dialogischen Charakter des Wortes hingewiesen; darin kommt schon zum Ausdruck, dass das Wort „bekannt, angenommen. und gelebt" werden soll.

 

In der Offenbarungskonstitution über das Wort Gottes wird Offenbarung bald zu Anfang als Sprechen Gottes umschrieben. „Gott hat in seiner Güte und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun (vgl. Eph 1,9): dass die Menschen durch Christus, das fleischgewordene Wort im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben und teilhaftig werden der göttlicher Natur (vgl. Eph 2,18; 2 Petr 1,4). In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1,15; 1 Tim 1,17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen. Das Offenbarungsgeschehen ereignet sich in Tat und Wort, die innerlich miteinander verknüpft sind." (DV 2).

 

Das Gespräch unter Freunden als Bild für die Offenbarung oder das Wort Gottes wird in einem weiteren Abschnitt zum Gespräch zwischen Braut und Bräutigam. „So ist Gott, der einst gesprochen hat, ohne Unterlass im Gespräch mit der Braut seines geliebten Sohnes, und der Heilige Geist, durch den die lebendige Stimme des Evangeliums in der Kirche und durch sie in der Welt widerhallt, führt die Gläubigen in alle Wahrheit ein und lässt das Wort Christi in Überfülle unter ihnen wohnen (vgl. Kol 3,16)." (DV 8). Das Wort Gottes ist also nicht eine Offenbarung, die sich ein für alle Mal in der Vergangenheit ereignet hat; Gott ist mit uns auch jetzt im Gespräch, er sucht fortwährend den Dialog.

 

Wo findet dieses Gespräch, dieser Dialog statt? Auf diese Frage antwortet das Konzil mit dem Verweis auf die heilige Schrift. „In den Heiligen Büchern kommt ja der Vater, der im Himmel ist, seinen Kindern in Liebe entgegen und nimmt mit ihnen das Gespräch auf. Und solche Gewalt und Kraft west im Worte Gottes, dass es für die Kirche Halt und Leben, für die Kinder der Kirche Glaubensstärke, Seelenspeise und reiner, unversieglicher Quell des geistlichen Lebens ist." (DV 21) Noch einmal ändert sich der Vergleich: das Gespräch unter Freunden sowie zwischen Braut und Bräutigam wird zum Gespräch des Vaters mit seinen Kindern. Und in dieses Gespräch tritt Gott mit uns ein durch die Heilige Schrift.

 

Wie geschieht dieser durch die heiligen Schriften vermittelte Dialog? Vielleicht durch Schriftstudium nach allen Regeln der modernen Exegese, zumal der historisch-kritischen Methode, von der dieses Dokument ja ebenfalls spricht? Das Konzil verweist auf einen anderen Umgang mit der Heiligen Schrift, den betenden Umgang, die sogenannte lectio divina. Die Gläubigen „sollen daran denken, dass Gebet die Lesung der Heiligen Schrift begleiten muss, damit sie zu einem Gespräch werde zwischen Gott und Mensch; denn „ihn reden wir an, wenn wir beten; ihn hören wir, wenn wir Gottes Weisungen lesen" (Ambrosius) (DV 25).

 

Diese Empfehlung des Konzils wird unter den Vorschlägen, die die Synode Papst Benedikt unterbreitet, in Nr. 22 unter der Überschrift „Wort Gottes und betendes Lesen" aufgegriffen: „Die Synode schlägt vor, dass alle Gläubigen, einschließlich der jungen Menschen, ermahnt werden sollen, sich der Heiligen Schrift auf dem Weg eines beständigen „betenden Lesens" (vgl. DV 25) anzunähern, also auf eine Weise, dass der Dialog mit Gott zur tagtäglichen Realität des Volkes Gottes wird.

 

Dazu ist es wichtig, dass
- man sich beim betenden Lesen tief mit dem Beispiel Marias und der Heiligen aus der Geschichte der Kirche verbindet, als denjenigen, die aus dem Heiligen Geist heraus das Lesen des Wortes verwirklicht haben;
-   gewährleistet wird, dass die Seelsorger, Priester und Diakone sowie in ganz besonderer Weise die künftigen Priester eine angemessene Ausbildung erhalten, damit sie ihrerseits das Volk Gottes in dieser geistlichen Dynamik bilden können;
-   die Gläubigen entsprechend ihren Umständen, ihren Kategorien und ihren Kulturen in die angemessenste Form des betenden Lesens eingeführt werden, und zwar persönlich und/oder gemeinsam (Lectio divina, Geistliche Exerzitien im Alltag, Sieben Schritte in Afrika und anderswo, verschiedene Gebetsmethoden, Bibelteilen in der Familie oder in kirchlichen Basisgemeinden usw.);
-   die Praxis des betenden Lesens anhand der liturgischen Texte, die die Kirche für die Eucharistiefeier an Sonn- und Werktagen vorgibt, gefördert wird, um besser den Zusammenhang von Wort und Eucharistie zu erfassen;
-   darauf geachtet wird, dass vor allem das gemeinschaftliche betende Lesen der Heiligen Schrift in ein Engagement im Bereich der Nächstenliebe mündet (vgl. Lk 4,18-19).

 

Die Synodenväter wissen sehr wohl um die weite gegenwärtige Verbreitung der Lectio divina und analoger anderer Methoden, sehen darin ein echtes Hoffnungszeichen und ermutigen alle Verantwortlichen in der Kirche, ihre Bemühungen in diesem Sinn noch weiter zu verstärken."

 

Wie dieser Abschnitt, so endete auch das Konzilsdokument mit einem Ausdruck der Hoffnung. „Der Schatz der Offenbarung, der Kirche anvertraut, erfülle mehr und mehr die Herzen der Menschen. Wie das Leben der Kirche sich mehrt durch die ständige Teilnahme am eucharistischen Geheimnis, so darf man neuen Antrieb für das geistliche Leben erhoffen aus der gesteigerten Verehrung des Wortes Gottes, welches `bleibt in Ewigkeit' (Jes 40,8; vgl. 1 Petr 1,23-25)."

 

„Gesteigerte Verehrung des Wortes Gottes" - darin kommt sicher das Anliegen dieser Gebetmeinung zum Ausdruck.

 


Ludger Feldkämper SVD, Kommentar zur Allgemeinen Gebetsmeinung September 2009 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 5/2009, Steyler Verlag, Nettetal

ndk

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