März 2014
Für die Rechte und die Würde der Frau [… für die Frauen in allen Ländern der Erde, dass sie stets Anerkennung, Schutz und Würdigung der Menschenrechte erfahren.]
Im Wesen ist es ein schlechtes Zeugnis für unsere Zeit, dass man immer noch für die Rechte und die Würde der Frau beten muss. Gerade am Anfang des Monats März werden die Themen der mangelnden gesellschaftlichen Gleichstellung der Frau in den Medien einen hohen Stellenwert einnehmen.
Die Kirche wird dabei leider nicht unerwähnt bleiben und es wird sicher allerhand Reformbedarf angemeldet werden.
Woran soll man Rechte und Würde der Frau ablesen? Ich schlage zwei Frauen aus dem Evangelium vor. Die Geschichte wird im Lukasevangelium (Lk 10,38-42) erzählt.
Da kommt Jesus zu Freunden und kehrt ein. Eine Frau namens Marta nimmt sich seiner an und bewirtet ihn vorbildlich. Ihre Schwester Maria setzt sich zu Jesus und hört ihm zu. Darauf folgt ein Familienstreit, Jesus solle doch Maria auf die anstehende Arbeit hinweisen.
Die Schriftstelle ist im Laufe der Zeit immer wieder interpretiert worden, oft in die Richtung, dass Marta das aktive Ordensleben darstellt, Maria aber das kontemplative und das sei besser.
Vielleicht darf man verstehen, dass Marta ihren Wert vom Handeln, ihre Würde vom Tun herleitet – sicher eine Maxime unserer Tage. Maria mit dem Hinhören auf Jesus als passive Figur würde eher in ein Schema traditioneller Kirchlichkeit passen. Schauen wir den Text aber genauer an:
Zu Füßen
Von Maria heißt es, sie „setzte sich dem Herrn zu Füßen“ (EÜ). Gemeint ist nicht eine Momentaufnahme aus einer Studenten-WG, sondern „zu Füßen sitzen“ heißt: Jünger sein. Paulus sagt, er sei „zu Füßen des Gamaliel“ gesessen (Apg 22,3). Die verschiedenen Übersetzungen wählen alle eine wörtliche Wiedergabe „zu Füßen sitzen“, sie geben nicht die Bedeutung des Wortes ein. Worum es geht, tragen diese Übersetzungen erst mit der Erwähnung des Zuhörens nach: „hörte sein Wort“ (Münchener Neues Testament; Drewermann), „hörte seiner Rede zu“ (Zürcher Bibel), „seinem Wort zuhörte“ (Elberfelder). Bekannt ist, dass ein Rabbi, der etwas auf sich hielt, Frauen unter seinen Jüngern und Zuhörern –„zu seinen Füßen“– nicht duldete. Aber Jesus war bekanntermaßen ein außergewöhnlicher Rabbi. Tatsache ist also, dass Jesus die Maria als Jüngerin akzeptierte.
Auch die Worte um Marta verdienen ein genaues Hinsehen: Die Einheitsübersetzung beschreibt ihre Arbeit als „in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen“. Andere Übersetzungen versuchen: „überbeschäftigt mit seinem Dienst“ (Münchener Neues Testament), „sehr beschäftigt mit vielem Dienen“ (Elberfelder), „viel zu schaffen mit der Bedienung“ (Zürcher), „abgelenkt mit vielem Dienen“ (Drewermann), „große Mühe mit der Versorgung der Gäste“ (Klaus Berger), „ständig bemüht, für das Wohl ih¬rer Gäste zu sorgen“ (Kammermayer). Im Originaltext des Evangeliums steht „diakonían“, das Fachwort für Dienste, die später das Diakonat (vgl. Apg 6,2) ausmachen. Das Wort kommt wieder am Ende des Verses 40, „die ganze Arbeit mir allein“ – auch dort wieder „diakonein“. Das Handeln der Marta besteht also darin, was die Aufgabe des „Diakons“ ausmacht.
Der Kyrios
Bei dieser Textstelle im Lukasevangelium geht es um die Stellung der Frau in der christlichen Gemeinde, nicht um eine Randbemerkung im Wanderbericht. Hier werden also „Rechte und Würde der Frau“ diskutiert. Es sollte nicht überraschen, dass Jesus nicht als Rabbi angesprochen wird, sondern viel höher, als „kyrios“, der auferstandene Herr.
Schließlich noch dieses Wort: Die formelle Erklärung des Kyrios, Maria habe „das Bessere gewählt“ (V. 42, Einheitsübersetzung). Auch hier verschiedene übersetzende Interpretationen: „Maria wählte aus den guten Teil“ (Münchener Neues Testament), „das gute Teil“ (Elberfelder), „nur eines ist wirklich wichtig! Das hat Maria verstanden“ (Kammermayer). Gemeint ist nicht die bessere von zwei möglichen Optionen, sondern es geht um das Eine, das gewählt werden soll.
Die Frage nach Würde und Rechte der Frau weist in der angeführten Evangelienstelle also zum „diakonein“ – kirchlich und gesellschaftlich noch lange nicht eingeholt, vielleicht auch uneinholbar – und dem unverzichtbaren „Einzigen“ (Besseren), dem „Jünger-Sein“ (zu Füßen), das der Kyrios fordert. Solches Recht und solche Würde sollten auch heute nicht von Minderen als dem Kyrios behindert werden.