Allgemeine Gebetsmeinungen - November 2014

November 2014

Für alle Menschen, die einsam, alt und krank sind: dass sie durch unser Verständnis und unsere Fürsorge die liebende Nähe Gottes spüren und erfahren.

P. Christian Tauchner SVD

Wir leben in einer Gesellschaft von Netzwerken, von Beziehungen und Verbindungen. Immer enger wird das Netz, in das man eingebunden ist, immer schneller die Verbindung. Dabei wohl oft auch immer kürzer und oberflächlicher, - so beklagen sich viele Menschen. Das Ideal sind die Jungen und Junggebliebenen, die Selbständigen und Unabhängigen, die ihr Leben allein bewältigen und gestalten können. Wo mit zunehmenden Jahresringen das Ideal der kraftvollen Eigenständigkeit in die Ferne rückt, wo sich doch unumgänglich Krankheiten und altersbedingte Beschränkungen einstellen, bieten sich immer umfangreichere Technologien für Tarnung und Täuschung an, um noch wenigstens so zu tun als wäre man jung, rüstig und optimistisch. Wer seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit schließlich doch verliert, muss damit rechnen, auch bald von den Strängen der Vernetzung und Verbindungen abgeschnitten zu werden. Wohl auch daher der verbissene Versuch, die eigene Selbständigkeit möglichst lange durchzuhalten. Alter und Krankheit auf längere Sicht führen dann bald in eine Ausgrenzung und für die Betroffenen wohl auch in eine immer umfassendere Einsamkeit, trotz bester Betreuung durch vielfältige Institutionen. 

Es ist vielleicht schwer zu sagen, in wie weit einsame, alte und kranke Menschen heutzutage ihre begrenzten Lebensmöglichkeiten als Gotteserfahrung deuten. Manche werden sie als unaussprechliches Leid erleben, viele als Kreuz, das sie eventuell noch in stummem Glauben auf sich nehmen. 

Das Anliegen der Gebetsmeinung spricht den Zusammenhang von Beschränkung und Einsamkeit, von Verständnis und von erfahrbarer Gottesliebe an. Der November hilft zu einer entsprechenden Besinnung in mehreren Anläufen: Am Anfang des Monats mit Allerheiligen und Allerseelen steht das memento mori, das Gewahr-Werden und der Trost von Heiligkeit und Aufgenommen-Sein in Gottes Gemeinschaft – die engste Vernetzung, sozusagen. Diese Tage bieten die Gelegenheit, die eigene Existenz, gleich ob jung und kraftvoll oder schon vom Verfall gezeichnet, in einen endgültigeren Horizont zu stellen. 

Mit Christkönig, dem letzten Sonntag des Kirchenjahres, dieses Jahr am 23. November, werden die Themen der Gebetsmeinung in einer zweifachen Richtung interpretiert und dabei zu einer Frage. Da geht es im Evangelium vom Gericht (Mt 25,31-46) um eine frohe Perspektive: Begegnung, Verständnis und Fürsorge spielen in der Erzählung Jesu tatsächlich eine lebenswichtige Rolle im Leben des Menschen. 

Problematisch wird die Erzählung Jesu allerdings dort, wo sie in dieser Begegnung die endgültige und heilsentscheidende Gottesbegegnung ansiedelt: Wer in seiner Lebenssituation von Beschränktheit, Ausschluss und Einsamkeit menschliche Zuwendung erfährt, darf darin die Zuwendung Gottes selbst erleben. Mir armem, krankem und einsamem Menschen begegnet Christus in jeder Zuwendung und liebenden Fürsorge, ich darf glauben, dass sich in diesen kleinen Momenten von Solidarität und Begegnung Gott selbst um mich kümmert.

Andererseits natürlich auch: In der Zuwendung und Fürsorge diene ich Gott selbst. Näher an Gott komme ich nicht heran, nicht einmal ein Credo ist dafür erforderlich (Mt 25 ist da sehr liberal: Das Tun zählt, sonst nichts). 

Für unsere Zeit wohl ein Widerhaken: Es geht nicht um die Glitzerwelt der Erfolgreichen und Vernetzten, in deren Umfeld man sich sonnen kann und eine Art Lebenssinn vorgespielt bekommt, sondern um die so leicht übersehbaren Alten, Kranken, Einsamen geht es, in denen Gott an-wesend ist. 

Glück und Lebenssinn sind dabei ein Angebot für beide Seiten: Den armen, kranken und einsamen Menschen begegnet ein menschenfreundlicher und liebender Gott, mir eröffnet Gott eine Heilsmöglichkeit im Dienst an Armen, Kranken und Einsamen, über die Zirkel des eigenen Netzwerks hinaus. Um im Sinne von Mt 25,37.44 zu schließen: „Wer hätte das gedacht…“.


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