Allgemeine Gebetsmeinungen Januar 2014

Januar 2014

… gib allen Menschen – bei allem wirtschaftlichen Fortschritt – große Achtung vor der Würde von Mann und Frau.

P. Christian Tauchner SVD

Der christliche Glaube hat viel mit dem Fortschrittsgedanken zu tun. Wir drehen uns nicht im Kreis, gebunden an eine ewige Wiederkehr unseres Schicksals. Die glaubende Erkenntnis Gottes entwickelte das Verständnis von Schöpfung, auch von ihrer Gebrochenheit, damit aber auch mit der Hoffnung einer ganz anderen Zukunft – damit wird die Geschichte in eine lineare, geradlinige Perspektive gebracht. 

Eine optimistische Sicht des Fortschritts setzte sich erst in der Neuzeit durch, der zufolge durch Forschung, Erfindung und Verstehen der Zusammenhänge in Natur und Gesellschaft allmählich die ganze Menschheit in einen glücklicheren Zustand gelangen würde. An den Versprechungen solcher automatischen Entwicklungen durch unsichtbare Hände eines angeblich gerechten Schicksals (Marktes) bekommen heutzutage allerdings auch hartgesottene Kapitalismusgläubige ihre Zweifel (wenn sie nicht zynisch genug sind, weiterhin ihre Bereicherung als Belohnung und Ergebnis der eigenen Verdienste anzusehen).

Der Gedanke des Fortschritts ist an die Freiheit des Menschen gebunden, es geht um den Willen und die Ausrichtung des Fortschritts. Darauf spielt auch die Gebetsmeinung an: Fortschritt hat mit der Würde des Menschen zu tun

Darüber wird der einigermaßen informierte Bürger unserer Tage allerdings lächeln, wenn er gutmütig ist: Längst ist klar, dass der wirtschaftliche Fortschritt sich gerade nicht mit der Würde des Menschen verträgt. Die Katastrophen der Bekleidungsindustrie (siehe die Fabriken in Bangla Desh), der Rohstoffgewinnung für die Informationstechnologie (siehe das Morden im Kongo) usw. stellen uns immer wieder vor Augen, wie wenig ein Menschenleben wert ist – vor allem, wenn es einige tausend Kilometer von uns entfernt ist. Der wirtschaftliche Fortschritt zielt meistens darauf ab, die Gewinne von Banken und Kapitalisten anonymer Konzerne zu vergrößern.

Die Kirche hat sich immer wieder mit dem Fortschritt auseinandergesetzt. Papst Paul VI. zum Beispiel mit seiner Enzyklika Populorum progressio (1967, immer wieder schön zitiert bei Benedikt XVI in Caritas in veritate, 2009) sah in der Entwicklung und im Fortschritt neue Möglichkeiten des Friedens. Aber dazu müsste diese Entwicklung gerade auf die Armen und die unterentwickelten Völker besondere Rücksicht nehmen (vgl. Populorum progressio 76ff.).

Auch Papst Franziskus hat in seinem apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium diese Fragen angesprochen: „Die Menschheit erlebt im Moment eine historische Wende, die wir an den Fortschritten ablesen können, die auf verschiedenen Gebieten gemacht werden. Lobenswert sind die Erfolge, die zum Wohl der Menschen beitragen, zum Beispiel im Bereich der Gesundheit, der Erziehung und der Kommunikation. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass der größte Teil der Männer und Frauen unserer Zeit in täglicher Unsicherheit lebt, mit unheilvollen Konsequenzen. Einige Pathologien nehmen zu“ (EG 52). In den folgenden Nummern seines Schreibens (52 – 60) bezieht sich der Papst auf Perspektiven, die gerade das Anliegen der Menschenwürde und der Würde aller Menschen anpeilt. Es lohnt sich – endlich einmal lohnt es sich wieder, ein päpstliches Rundschreiben zu lesen – diese Gedanken durchzumeditieren. Es überrascht nicht, dass in vielen führenden Zeitungen gerade diese Warnungen vor den unmenschlichen und die Menschenwürde bedrohenden Aspekten kritisiert oder belächelt werden. 

Papst Franziskus greift die Bischofssynode auf und orientiert die Evangelisierung darauf hin, die Gestaltung unserer Welt und Gesellschaft in Angriff zu nehmen und fortzuführen: „Ein authentischer Glaube – der niemals bequem und individualistisch ist – schließt immer den tiefen Wunsch ein, die Welt zu verändern, Werte zu übermitteln, nach unserer Erdenwanderung etwas Besseres zu hinterlassen. […] Die Erde ist unser gemeinsames Haus, und wir sind alle Brüder und Schwestern. Obwohl »die gerechte Ordnung der Gesellschaft und des Staates […] zentraler Auftrag der Politik« ist, »kann und darf die Kirche im Ringen um Gerechtigkeit […] nicht abseits bleiben«. Alle Christen, auch die Hirten, sind berufen, sich um den Aufbau einer besseren Welt zu kümmern“ (Evangelii Gaudium 183). Darum geht es in der betenden und handelnden Evangelisierung.


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