Gebetsmeinungen des Papstes - Juli 2015

Juli 2015

Wir beten zu Gott, unserem Vater, für alle, die in politischer Verantwortung stehen, dass sie ihren Dienst als eine hohe Form der Caritas erfahren und leben.

P. Christian Tauchner SVD

Bei dieser Gebetseinladung sieht sich der gläubige Beter wohl einem Dilemma ausgesetzt: Die Welten des Politischen und der Politik und der Bereich des Glaubens und der Religion, des Dienstes und der Caritas lassen sich nach unserer Erfahrung kaum noch in Beziehung bringen. In einem Atemzug darüber zu beten ist kein leichtes Unterfangen.

Heute wird den Politikerinnen und Politikern oft vorgeworfen, dass sie sich umso mehr von ihrem Volk entfernt haben, je höher sie gestiegen sind. Damit haben sie eigentlich den Sinn ihrer Arbeit und Verantwortung immer unmöglicher gemacht. Vor wenigen Wochen fanden in Österreich Regionalwahlen statt und die Landespolitiker von ÖVP und SPÖ fragen sich, warum sie die Bevölkerung nicht mehr für ihre Parteien mobilisieren konnten. Als ob es darum ginge, dass das Volk Parteien unterstützt und nicht vielmehr Parteien die Meinungen und Sichtweisen des Volkes vertreten. Es geht nicht darum, dass Politiker durch einen Urnengang in ihrem Job bestätigt werden. Höchste Ausformungen der Paranoia wurden unlängst sichtbar, als halb Bayern und Umgebung lahmgelegt wurden und nicht einmal in Innsbruck ein Paragleiter fliegen durfte, weil sich die höchsten „Vertreter“ der wichtigsten Demokratien der Welt zu einem Stelldichein verabredeten (wohlgemerkt: Demokratie, „wo das Volk die Macht hat“?!). Ich kann mir kein Gebet vorstellen, durch das solch abgehobenen und abgesonderten – absonderlichen? – Politikern ihre Tätigkeit als Dienst und Caritas weisgemacht werden könnte. Auch kein Marketinggenie schafft es, und dabei ist Marketing immer mehr die treibende Macht hinter dem Gehabe und Getue dieser Kreise. 

Unterscheidung tut allerdings auch in diesem Zusammenhang gut. Es gibt viele Menschen, die in politischer Verantwortung stehen und unter den Zwängen leiden, die sie vom politischen Marketing, von der Pflicht der Selbstdarstellung, von Partei- und Ideologiediktaten auferlegt bekommen. Und der größte Anteil der Politikerinnen und Politiker versucht wohl ehrlich und redlich, ihrer Bürgern zu dienen, „als hohe Form der Caritas“, auch wenn sie das nicht unbedingt so benennen. Das Blendwerk, das einem täglich von den Medien als nationale oder globale Politik präsentiert wird, verhindert die Wahrnehmung und Wertschätzung derer, die oft im lokalen Bereich ihre Verantwortung wahrnehmen. Es ist dieses Blendwerk, das das politische Tun überhaupt in Bausch und Bogen verurteilenswert macht, zur Politikverdrossenheit der Bürger führt und letztlich den dümmsten populistischen Maulhelden in die Hände spielt. 

Der gängige Diskurs über das Verhältnis von Glaube und Öffentlichkeit behindert den Beter zusätzlich. Da wird ja seit langem betont, jeder soll seine Religion im privaten Kämmerlein ausüben so viel er will, aber sich damit ja nicht in die Öffentlichkeit wagen. Religion ist Privatsache und muss es immer mehr werden – so das Resümee von Helmut Schmidt bis zu PEGIDA. Interessanter und provokativer sind da schon Meinungen und Aufforderungen an die aufgeklärte Öffentlichkeit, sich der Inspirationen der Religionen doch nicht zu berauben (zum Beispiel Habermas), sondern aus diesem Schatz von Utopien und Motivationen das politische Handeln zu gestalten. Das als eine theoretische Zumutung und Aufforderung zur Politik.

In die gleiche Richtung geht ein anderer Weg: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,45), in Worten des Evangeliums. Es ist die Überzeugung, dass es sich beim Christentum um das Tun der Nächstenliebe handelt, viel mehr als um ein richtiges Aufsagen von Katechismussätzen.

Wo Politiker in ihrer Amtsführung und ihrem gesellschaftlichen Engagement „dienen“ und eine „hohe Form von Caritas“ zeigen und erfahrbar werden lassen, da könnte der Beter sich schließlich selbst in Dienst genommen wissen, unabhängig ob dieser Politiker oder diese Politikerin zur eigenen Kirche oder zur eigenen Partei gehört. Mit solchen Politikern soll der Beter zusammenarbeiten und sie unterstützen, nicht nur im Gebet.


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