Allgemeine Gebetsmeinung des Papstes - September 2016

September 2016

Wir beten zu Gott unserem Vater, dass jeder Mensch zum Gemeinwohl und zum Aufbau einer Gesellschaft beiträgt, die die menschliche Person ins Zentrum stellt.

Simone Nefiodow, Dipl. Theologin

(Gutes) Verhalten soll „ansteckend“ sein? Beeinflusst mein Tun wirklich das meiner Mitmenschen? Es gibt eine sehr einfache, aber interessante Studie, bei der es um die Frage geht, welches Getränk ich im Restaurant bestelle und ob die Getränkewahl meiner Begleitung einen Einfluss auf meine eigene Bestellung hat. Dazu beobachteten die Forscher verschiedene Personenkreise beim Restaurantbesuch. Beeinflusst die Gruppenmeinung tatsächlich die Wahl der Getränke? Das Ergebnis spricht für sich: Je mehr Personen das gleiche Getränk orderten (30-65 %), desto eher bestellte auch ein Einzelner dasselbe Getränk. Ein ähnlich interessantes Ergebnis zeigte sich, als das Essverhalten am Buffet untersucht wurde. Wenn sich ein Gast großzügig am Buffet bediente, hat die hinter ihm stehende Person sich ebenfalls kräftig bedient. Hat ein Gast seinen Teller dagegen nur sehr sparsam befüllt, beeinflusste das die nachfolgenden Gäste insofern, dass sie sich ebenfalls wenig Essen auf den Teller legten. Das mag vielleicht kein harter wissenschaftlicher Beweis sein. Aber es zeigt, wie einfach es ist das Verhalten der Mitmenschen zu lenken. Könnte das auch für die Moral gelten? 

Die Gebetsmeinung dieses Monats lädt irgendwie zum Träumen ein: dass jeder Mensch sich für das Gemeinwohl einsetzt. Was wäre, wenn das nur jeder Zweite machen würde? Würde ein solches Handeln, ähnlich wie in der oben genannten Studie, auf das Tun Anderer abfärben und sie zum Mitmachen bewegen? Ist gutes Verhalten vielleicht doch ansteckend? Was, wenn jeder Mensch in seinem Freundeskreis, in seinem Sportverein, in seinem Büro etc. immer wieder auf Leute treffen würde, die ihre Zeit, ihr persönliches Engagement und ihr Gebet bewusst dem Gemeinwohl zur Verfügung stellen würden? 

„Ihr seid das Licht für die Welt ... Sie sollen eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen“ – so steht es im Matthäusevangelium. Unsere guten Werke sind Werkzeuge der Evangelisation, sie zeigen und verkünden den Menschen Gottes Liebe. Es ist wichtig darüber zu sprechen, was wir tun und warum, und dass wir andere zum Mitmachen bewegen. Vielleicht bin ich die Einzige in meinem Freundeskreis, in der Familie oder im Büro, die sich für das Gemeinwohl einsetzt. Vielleicht sind meine Mitmenschen gleichgültig, oder egoistisch, oder enttäuscht, oder zu verletzt, und machen deshalb nicht mit. Im schlimmsten Fall werden sie mich für meinen Einsatz verspotten. Aber wir haben einen Gott, der Herzen verwandeln kann, und dafür haben wir das Gebet. 

Träumen wir noch ein wenig. Was wäre, wenn für eine Mehrheit der Menschen die täglichen Gebete und die täglichen guten Werke so normal wären wie das tägliche Brot? Dann würde tatsächlich der Mensch im Zentrum der Gesellschaft stehen, so wie unser Papst in der aktuellen Gebetsmeinung fordert. Glauben wir überhaupt noch, dass das möglich ist? Wir sollten es glauben! Wir sollten allen Enttäuschungen widerstehen und gegen diesen pessimistischen Zeitgeist und gegen die Kultur des Todes unsere guten Werke, unser Engagement für die Gesellschaft und unser Gebet entgegenstellen. So können wir wirklich das „Licht der Welt“ sein. Bleiben wir also hartnäckig, tun wir Gutes, zeigen wir es ohne anzugeben und beten wir.


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