Missionsgebetsmeinung des Papstes – Juli 2016

Juli 2016

Wir beten zu Gott unserem Vater, dass die Kirche in Lateinamerika und in der Karibik das Evangelium mit neuer Kraft und Begeisterung verkünden kann.

P. Jean-Prosper Agbagnon SVD, Togo

„Wir glauben an Jesus, der zu uns kam, um uns Leben in Fülle zu bringen, und wir glauben an einen lebendigen Gott, der den Menschen Leben gibt und will, dass sie wirklich leben. Diese grundlegenden Glaubenswahrheiten werden zu wirklich unumstößlichen Wahrheiten, wenn sich die Kirche in das Zentrum vom Leben und Tod ihres Volkes begibt. Denn hier ist die Kirche, und mit ihr jede und jeder Einzelne, vor die fundamentale Wahl gestellt: für das Leben oder für den Tod zu sein. Mit großer Klarheit erkennen wir, dass Neutralität in diesem Punkt unmöglich ist.“ (Oscar Romero, 2. Februar 1980).


Nirgendwo sonst ist die katholische Kirche noch so einflussreich wie in Lateinamerika und in der Karibik. Hier sind (verglichen mit anderen Ortskirchen) die Anzahl und die Beteiligung der Katholisch-Gläubigen sehr hoch und intensiv. Es ist kein Wunder, wenn Lateinamerika der Spitzname „katholischer Kontinent“ gegeben wird.

Mit der vermeintlichen Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus waren bereits die Weichen für das Aufblühen des katholischen Glaubens auf „dem neuen Kontinent“ gestellt. Charakterisiert wird die Kirche Lateinamerikas insbesondere durch die sogenannten „Basisgemeinden“: das ist eine Form von Zusammenschlüssen von Gläubigen zur Belebung des Glaubens und von Handlungsinitiativen aus der gemeinsamen Feier des Glaubens. Ein solches pastorales Modell wird inzwischen sogar in vielen Kirchen außerhalb dieses katholisch geprägten Erdteiles angewandt. Aus diesem Pastoralaufbruch entwickelt sich auf wissenschaftlicher Ebene, unterstützt von kontextbezogenen biblisch-theologischen Reflexionen, die sogenannte „Befreiungstheologie“. Mit ihrer Positionierung und Parteinahme für die Armen wollen die Christen Lateinamerikas ein Sprachrohr für die Unterdrückten und Ausgebeuteten sein. Die weltweite Resonanz eines solchen pastoral-theologischen Anstoßes führte zu verschiedenen Bewegungen, welche über Lateinamerika hinaus als „Dritte-Welt-Theologie“ bekannt sind. Nicht nur die tiefe Gläubigkeit und eine starke Marienverehrung, sondern auch das sozio-politische Engagement sind besondere Kennzeichen eines lateinamerikanischen katholischen Christen.

Doch zugleich ist die katholische Kirche in den lateinamerikanischen Ländern mit erheblichen Problemen konfrontiert: die Anhänger/Verteidiger der sog. Befreiungstheologie müssen nicht nur aufgrund ihrer Option für die Armen Konflikte mit der Kirchenhierarchie austragen, die gesamte katholische Kirche in Lateinamerika befindet sich zudem auch in einem gespannten Verhältnis mit politischen und sozialen Mächten. Während vor allem in der Vergangenheit Christen, Laien und Geistliche, wegen ihrer gesellschaftskritischen Stellungnahmen mit Disziplinarmaßnahmen seitens des Heiligen Stuhls rechnen mussten, sind immer noch Verfolgung und Anschlägen auf Priester, Ordensleuten und Christgläubigen quasi an der Tagesordnung. Dass Oscar Romero durch seinen befreiungstheologischen Einsatz der Volkskirche den Verkündigungsweg wies, musste er in einem blutigen Attentat mit seinem Leben bezahlen. Ferner muss sich die katholische Kirche in Lateinamerika und in der Karibik mit der wachsenden Strömung freikirchlicher Bewegungen auseinandersetzen: Der Boom christlicher Sekten und der wachsende Übertritt von Katholiken zu evangelikalen Gemeinden lassen sich kaum zurückdrängen. Der Rückgang von Priester- und Ordensberufungen macht der dortigen Kirche zu schaffen, wenn auch das Engagement vieler Katecheten in den priesterlosen Gemeinden nicht zu unterschätzen ist. Angesichts dieser verschiedenen Herausforderungen bedarf die katholische Kirche Lateinamerikas und der Karibik einer geistlichen Unterstützung von Schwestern und Brüdern der weltweiten Christengemeinden.

Mit Papst Franziskus beten wir, dass die Kirche in Lateinamerika und in der Karibik das Evangelium mit neuer Kraft und neuem Elan verkünden kann.


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