Gebetsmeinung des Papstes im Juni

Juni 2022

Wir bitten um christliche Familien: dass sie in der Liebe wachsen und sich im Alltag bewähren.

Bedingungslose Liebe gibt es nur bei Gott. Wir müssen nicht erst diese oder jene Bedingung erfüllen oder uns ändern oder uns auf eine bestimmte Weise verhalten, um von Gott geliebt zu werden. Gott liebt uns. Nicht das, was wir tun, da hat Gott viel zu kritisieren und vieles zu beklagen. Aber uns liebt er, ohne jene Bedingungen und ohne jede Einschränkung. Seine Liebe ist im wahrsten Sinne des Wortes bedingungslos.

Aber in dieser Gebetsmeinung spricht unser Papst von bedingungsloser Liebe in christlichen Familien – ein Ideal, vielleicht sogar eine Utopie. Eltern, die ihre Kinder lieben, obwohl sie ihre Schule nicht schaffen, die falschen Freunde haben, nicht die Begabung haben, die sie sich für ihre Kinder gewünscht haben, die kein Interesse haben, den Familienbetrieb zu übernehmen, obwohl man das ja nur für sie aufgebaut hat, und überhaupt nicht so sind, wie sie sich ihre Kinder gewünscht haben.

Eine christliche Familie und Ehe unterscheidet sich u.a. dadurch von anderen Ehen, dass die Paare durch ihre Ehe Christus ähnlich zu werden versuchen und ihm nachfolgen. Die Ehe ist ein Sakrament, welches sich ein Leben lang entfaltet, sie ist ein Ort der Gottesbeziehung. Das allein ist schon ein sehr hoher Anspruch an eine Ehe.

Unser Papst stellt in dieser Gebetsmeinung noch ein weiteres Ideal hinzu: die bedingungslose Liebe. Ehepartner, die sich bedingungslos lieben, und das ein Leben lang, im Alltag, obwohl der Partner immer zu spät ist, seine Wäsche liegen lässt, Flaschen nicht richtig zudreht, grundsätzlich alles kommentiert, was man macht, die kleinen Aufmerksamkeiten nicht wirklich wertschätzt, unflexibel auf Veränderungen reagiert, die Zahnpastatube „falsch“ benutzt, das Licht brennen lässt – gibt es bedingungslose Liebe zwischen Ehepartnern überhaupt? Ist das nicht eine völlig utopische Gebetsmeinung?

Anscheinend kann man bis zu einem gewissen Grad lernen, so zu lieben. Ich habe im Internet eine Reihe von interessanten Tipps gefunden, mit deren Hilfe die Menschen eine Haltung entwickeln (können), so dass sie ihr Gegenüber bedingungslos lieben können. Eine der wichtigsten Haltungen dabei ist eine gesunde Portion Selbstliebe, aus der Liebe keinen Handel zu machen und den Partner nicht umerziehen zu wollen. Spannend fand ich den Hinweis, dass niemand bedingungslose Liebe einfordern darf. Bedingungslos zu lieben bedeutet nicht, schlechte Behandlung zu erdulden und sich alles gefallen zu lassen, weil der Partner „halt so ist“.

Außerdem spricht unser Papst von der Heiligung des Alltags. Anders formuliert, das Wachsen in bedingungsloser Liebe ist (auch) der Kampf gegen die Sünde. Und das ist etwas, das Menschen wirklich gut können, sich (gegenseitig) zur Sünde verführen, oder in die Sünde treiben. Und die Liebe ist das „Gegenmittel“, ein Weg, wie das, was durch die Sünde zerstört oder vergiftet wurde, wieder geheilt werden kann. Oft jedenfalls schafft die Liebe das.

Genau das bedeutet Nachfolge Jesu und im Sinne Gottes leben: In der Liebe zu wachsen und den Weg der Heiligung zu beschreiten. Immer wieder werden wir in der Bibel zu einer Haltung der Liebe, ja sogar der vollkommenen Liebe ermutigt. Dazu braucht es den festen Willen des Menschen, trotz aller Schwächen und trotz des menschlichen Versagens gemeinsam mit der alles verändernden Kraft von Gott den Weg der Heiligkeit zu gehen und den Alltag zu heiligen. Das ist oft schwieriger, als man denkt. Daher brauchen wir alle das Gebet. Also beten wir.

Simone Nefiodow, Dipl.-Theologin

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