März 2023
Wir beten für die vom Missbrauch betroffenen Menschen, dass sie auch innerhalb der Kirche Hilfe finden.
Nichts wird dem Zufall überlassen. Dank der wissenschaftlichen Forschung wissen wir inzwischen, dass die Täter hochkriminell sind, nicht therapierbar und sehr zielstrebig vorgehen. Jedes Detail ist akribisch geplant. Sowohl die Selbstinszenierung als unauffälliger, guter, kinderfreundlicher Mensch, die Täuschung der Umgebung wie auch die Suche nach geeigneten Opfern sind nahezu perfekt durchorganisiert.
Systematisch und zielstrebig wird nach geeigneten Opfern gesucht. Auch hier wird nichts dem Zufall überlassen. Jedes potentielle Opfer wird erst einmal getestet. Zeigt das Kind bzw. der Teeanager ein Mindestmaß an Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl, besteht die Gefahr, dass der Missbrauch publik gemacht werden würde, und das genügt den Tätern, um sich nach anderen, "geeigneteren" Opfern umzusehen. Übrig bleiben die Schwächsten der Schwachen. Das ist das Kriterium, nach dem sie sich ihre Opfer aussuchen. Und wäre das nicht genug, beginnt parallel zum Missbrauch eine systematische Diskreditierung der Opfer, damit ihnen keiner glaubt.
Die Opfer haben keine Chance.
Die Täter wissen sehr genau, was sie tun. Im Moment wird in unserer Kirche viel diskutiert, wie mit diesen Vorfällen und den Opfern umgegangen werden soll. Es geht um Strukturen, um Prävention und um Entschädigung. Gleichzeitig kündigt sich ein neuer Skandal an: Der Missbrauch von Ordensfrauen durch Priester und Äbtissinnen, vor allem in Afrika.
Ich habe, seitdem der Skandal offengelegt wurde, erstaunlich viele Predigten zu diesem Thema gehört. "Wir sind alle Sünder” – habe ich zum Beispiel gehört. Ja, das sind wir. Aber Sünder sind nicht automatisch Kriminelle, und nicht alle Kriminelle sind Vergewaltiger. Fast lachen musste ich, als ich in einer Predigt den Satz hörte: “Ich habe keine Erklärung, wie das passieren konnte”. Jetzt, wo ich die aktuelle Gebetsmeinung lese, wird mir klar, was alle diese Predigten gemeinsam haben: Keine nahm die Opfer in den Blick.
Aber genau diese Haltung nimmt unser Papst ein: Er schaut auf die Opfer und stellt sie ins Zentrum des Gebets. Was wir, ebenfalls durch die wissenschaftliche Forschung, wissen, ist, dass Missbrauch einen lebenslangen Schaden anrichten kann. Die Opfer brauchen Hilfe, und sie brauchen Heilung. Eigentlich haben wir als Christen eine Antwort für die Verwundeten und Verletzten. Aber wenn der Missbrauch durch Männer und/oder Frauen Gottes passierte, scheint dieser Weg verbaut. Unser Papst erinnert uns daran, dass wir mit dem Gebet auch dann helfen können, wenn alle Wege verbaut scheinen.
Und die Opfer brauchen das Gebet so dringend. Um sie sollte sich unsere Sorge drehen, für sie sollten wir da sein. Nehmen wir die Gebetsmeinung dieses Monats zum Anlass, und wenden wir uns den Opfern zu. Sie leiden schon viel zu lange. Beten wir darum, dass sie auch in unserer Kirche eine Antwort auf ihren Schmerz finden. Lassen wir sie nicht alleine und beten wir für die Opfer von Missbrauch.