Gott wirkt in der Welt

Deutschland

17. Nov 2022

Pater Franz Helm SVD ist Rektor in St. Gabriel (A) und Mitglied des Missionswissenschaftlichen Instituts. In einem Interview gibt er uns Einblick in seine vielfältigen Aktivitäten und seine persönliche Motivation.

Gott wirkt in der Welt

Wie ist Ihr Weg bei den Steylern bisher verlaufen?
Mit 18 Jahren bin ich in St. Gabriel in den Orden eingetreten. Mein Onkel väterlicherseits war Steyler Brudermissionar im Kongo, als Tischler. Nach meiner Ausbildung und der Priesterweihe bin ich für sechs Jahre nach Brasilien gegangen. Dort habe ich drei Jahre in der Pastoral mitgearbeitet und anschließend in Sao Paolo mein Doktoratsstudium in Missionswissenschaft zum Thema „500 Jahre Evangelisierung von Lateinamerika“ absolviert, da wurde viel über die Geschichte der Mission diskutiert. Meine eigentliche Missionsbestimmung war, in Brasilien eine pastorale missionarische Erfahrung zu sammeln, auch in Hinblick auf meine anschließende Tätigkeit bei Missio Österreich, dem päpstlichen Missionswerk, wo ich nach meiner Rückkehr für fünf Jahre als Generalsekretär tätig war. Dann hat sich die Organisation bei Missio verändert und meine Ordensprovinz brauchte mich als Präfekten. So bin ich dann drei Jahre in der Formation gewesen und anschließend haben mich die Mitbrüder zum Rektor in St. Gabriel gewählt.

In dieser Zeit bin ich schwer erkrankt, das war eine starke Zäsur. Auslöser war eine Krebserkrankung, die ich nur aufgrund einer Lebertransplantation im letzten Moment überlebt habe. Ja und nach dieser Zäsur war ich in verschiedenen Aufgaben tätig zwischen Jugendpastoral, die mich immer begeistert hat, und Missionswissenschaft andererseits, wo ich hier in kirchlichen Organisationen in Österreich einen Beitrag geleistet habe. Bei den Sternsingern hatte ich einige Jahre lang ein theologisches Grundsatzreferat, war dort Referent für Mission und Pastoral. Dann war ich ein Jahr lang theologischer Referent in der Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz für Mission und Entwicklung, in der verschiedene Organisationen, die weltkirchlich und entwicklungspolitisch arbeiten, zusammengeschlossen sind. Ja und sechs Jahre lang war ich kirchlicher Assistent der katholischen Frauenbewegung. Dann auch noch Generalsekretär der Ordenskonferenz hier in Österreich, drei Jahre lang. Also, ich war in verschiedenen Aufgaben eingesetzt … (er lacht).

Was bedeutet Ihnen denn Missionswissenschaft, bzw. wie ist Ihr Missionsverständnis?
Also ich verstehe mich nicht so sehr als Missionswissenschaftler, weil ich eher der Praktiker bin. Das Studium und Doktorat der Missionswissenschaft habe ich gemacht, weil es für den Job bei Missio notwendig war. Ich habe aber dann – das muss ich sagen – für mein Leben sehr davon profitiert, weil das für mich Grundeinsichten in den Glauben und in ein gelebtes christliches Engagement gebracht hat. Bei der Missionswissenschaft, die ich in Brasilien studiert habe, ist eine ganz starke Verbindung zwischen Glauben und Leben im Mittelpunkt gestanden: Was hat der christliche Glaube für Auswirkungen auf das Leben und auf das Handeln der Menschen, der Gläubigen, der Kirche? Das treibt mich um und beschäftigt mich. Wobei ich auch sagen muss, dass ich sehr dankbar bin – und da sind wir jetzt beim Missionsverständnis – für diese Sichtweise, die glaube ich ökumenisch auch ein Konsens ist, dass Gott der erste Missionar ist. Also Gott ist immer schon am Wirken. Missio Dei ist die Kurzfassung davon. Gott ist immer schon am Wirken und unsere Aufgabe ist es, zu erkennen, wo Gott sein Reich voranbringt. Wo dieses Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, der Liebe und der Kommunion, des Miteinanders, wo das am Wachsen ist in der Welt. Und das ist nicht beschränkt auf den Bereich der Kirche, schon gar nicht auf den Bereich der katholischen Kirche, sondern das ist etwas, das Gottes Geist überall wirkt. Und da einen wachen Blick dafür haben und dann sich zu verbinden und zu verbünden mit dem, wo Reich Gottes anbricht, wo Menschen sich einsetzen dafür. Wo ein Kampf gegen alles Lebenszerstörende ist. Also das ist für mich das, was Mission ausmacht.

Das Engagement für den Frieden ist eine Sendung Gottes.
Aufstehen für Gerechtigkeit und Frieden.

Auf Fotos sind sie gelegentlich bei Protestaktionen mit Plakaten zu sehen. Was bewegt Sie, auf die Straße zu gehen? Bewirkt ein solcher Protest etwas?
Das ist auch so eine Sichtweise, die ich schon durch mein Missionsverständnis habe: die Weltherrschaft ist nicht für das Christentum. Vielmehr wirkt Gott im Kleinen. In der Bibel steht vom Sauerteig und Senfkorn, das sind die Bilder für das Reich Gottes. Das Reich Gottes bricht immer im Kleinen an. Da, wo das Kleine wertgeschätzt wird und wo diese Alternativen des Lebens und der Zukunft Raum finden in der Welt, da bricht Reich Gottes an. Mich beseelt die Überzeugung, dass es sehr sinnvoll ist, in diese Alternativen zu investieren, und dass es sehr gefährlich ist, zu meinen, wir erobern die Macht und dann wird alles anders. Denn totalitäre Regime hatten wir schon genug im Lauf der Geschichte, auch wenn sie christlichen Anstrichs sind, es war immer zum Unheil.

Was genau meinen Sie mit Alternativen?
Mit Alternativen meine ich zum Beispiel, dass ich bei der katholischen Frauenbewegung bin und als Priester teilnehme an Frauenliturgien und mich da einklinke und nicht vorschreibe und bestimme, wie das sein muss, sondern in dem, wie ich da angefragt und gebraucht bin, als Unterstützer da bin. Und da wird eine Alternative gelebt, in einer doch sehr männlichen, patriarchalen Kirche, wenn die Frauen da zusammenkommen und in ihrer Art und Weise Liturgie feiern und dann kann sich auch die Art und Weise, wie eine Eucharistie gefeiert wird, stark verändern. Oder ein anderes Beispiel wäre die Besetzung einer Baustelle in der Lobau (die Lobau ist ein Augebiet am Rand von Wien), wo junge Leute versuchen, die Natur dort zu verteidigen, indem sie ein Camp machen. Da wurde ich angefragt: „Könnt´s da nicht einen Gottesdienst geben?“ und dass ich dann zustimme und wir uns miteinander anschauen, wie das sein könnte. Dort präsent zu sein finde ich wichtig. Wenn das Camp letztlich doch geräumt wird, hat es nach menschlichem Ermessen nichts gebracht, aber dieser Widerstand, das ist so ein Senfkorn, es ist vielleicht auch ein Staubkorn in diesem Getriebe der wirtschaftlichen Rationalisierung von allem. Daraus entsteht Sand im Getriebe, der entsteht durch viele kleine Staubkörner. Der ist wichtig, damit Veränderung geschieht. Damit das Andere, was durch Gottes Geist bewirkt werden will - nämlich die Bewahrung der Natur und nicht deren Zerstörung - dass das Andere im Blickwinkel bleibt und immer wieder präsent ist.

Einsatz für christliche Grundprinzipien.
Liebe geht doch durch den Magen.

Eine starke Motivation, die Sie antreibt.
Mich treibt die Überzeugung an, dass Gott in dieser Welt schon am Wirken ist. Und dass ich da Mitarbeiter sein kann zusammen mit vielen anderen Menschen guten Willens.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass viele gläubige Menschen genau diese Sicht auf die Wirklichkeit neu gewinnen und dass sie aktiv werden. Nicht im Sinne eines Aktivismus der sagt „Wir packen da jetzt an und wir schaffen das“, sondern im Sinn eines Mitarbeiter- und Mitarbeiterin-Seins an der Freude und am Leben und an der Zukunft der Menschen und des Planeten.

Die Erkrankung damals, von der ich gesprochen habe, lässt mich bewusster leben. Es war wirklich ganz knapp und fast wäre ich gestorben. Seitdem empfinde ich eine große Dankbarkeit für das Leben, es ist so ein Draufschlag, eine Zusatzzeit, die mir geschenkt ist und wo ich schon eine Verantwortung spüre, diese Zeit gut zu nützen, dieses Geschenk des Lebens einzusetzen, damit Leben und Zukunft möglich sind.

Interview: Renate Breuer
Fotos: Pater Franz Helm SVD

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