Mein Platz ist in Lateinamerika

Deutschland

20. Sep 2021

„Es ist schön, ein Missionar zu sein.“

Seit 2017 war Pater Michael Heinz SVD Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat in Essen. Seine Amtszeit ist zu Ende gegangen. Er freut sich darauf, nach Lateinamerika zurückzukehren. Ein persönlicher Rückblick und eine spannende Biografie.

Michael Heinz
Pater Michael mit Gustavo Gutierrez

Es heißt, Sie hätten über das MaZ-Programm (Missionar auf Zeit) zu den Steylern gefunden. Wie war das damals?
Naja, ich war Schüler am Arnold-Janssen-Gymnasium in St. Wendel. So bin ich zu den Steylern gekommen. Damals gab es noch kein MaZ im heutigen Sinne, das war erst im Entstehen. Ich habe die Berichte der Urlaubermissionare aus aller Welt gehört, und bin 1980/81 über Pater Paul Oden mit anderen Schülern nach Chile gekommen, um im Kinderheim zu helfen. Nun bin ich seit 1983 bei den Steylern, schon fast 40 Jahre, die Priesterweihe folgte 1992. Die MaZ wurden dann 1981 zum ersten Mal offiziell nach Nicaragua ausgesandt.

Bevor Sie zu Adveniat berufen wurden, waren Sie Missionar in Bolivien. Was ist für Sie das Wichtigste am Leben als Missionar in Südamerika?
Auch wenn die Zahl der Katholiken zurückgeht, ist Lateinamerika immer noch ein katholischer Kontinent. Und weil es dort schon immer zu wenig Priester gab, hat sich eine sehr junge, lebendige und sehr aktive Laienkirche ausgebildet, was sehr bereichernd ist. Daher gehörte die Aus- und Weiterbildung von Laien durch Bibelkurse von Anfang an zu meinen Aufgaben. Es ist schön, Missionar zu sein, wenn man merkt, die Leute antworten und machen mit, das macht große Freude. Das ist ja in Deutschland im Moment ein ganz anderes Arbeiten, Knochenarbeit, könnte man sagen.

Wie ist die aktuelle Entwicklung in Südamerika? Ändert sich da was?
Da ändert sich jetzt in diesem letzten Jahr was zum Schlechten, also die Anzahl der armen Menschen hat durch die Corona-Krise nochmal ganz stark zugenommen. Viele von ihnen arbeiten im sogenannten informellen Sektor, haben also keine richtige Arbeit. Wenn dann in Corona-Zeiten ähnlich wie bei uns hier plötzlich alles im Lockdown ist, dann geht das ans Eingemachte und da gibt es keinen Staat, der einspringt und sagt: hier, wir können euch über ein paar Monate mal weiterhelfen.

Pater Michael Heinz mit Papst Franziskus
Pater Michael in Bolivien

Welche Erfahrungen haben Sie als Leiter des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat gemacht?
Ich kam von Bolivien sozusagen direkt nach Essen in die Leitung von Adveniat und wurde sehr schnell in die alltägliche Arbeit eingeführt. Adveniat will ja vor allen Dingen eine Brücke zwischen der deutschen Ortskirche und den lateinamerikanischen Kirchen sein und natürlich auch ein Hilfswerk, das Projekte unterstützt. Die Arbeit war für mich persönlich sehr bereichernd, ich habe Lateinamerika noch einmal ganz anders kennengelernt. Ich hatte die Gelegenheit, bei der Heiligsprechung des Hl. Oskar Arnulfo Romero in Rom dabei zu sein und habe an der Amazonas-Synode teilnehmen dürfen. Das war natürlich ein Geschenk. Es hat mich darin bestärkt zu sagen, eigentlich ist mein Platz in Lateinamerika. Da kann ich mich gut einbringen mit den Beziehungen und den guten Kontakten, die ich über Adveniat hinzugewonnen habe. Das ist wirklich eine Bereicherung gewesen. Da will ich nun auch wieder gerne hin.

Wie haben Sie die Amazonas-Synode als Teilnehmer wahrgenommen?
Die Synode könnte man vielleicht mit einem Generalkapitel bei den Steylern vergleichen: es war eine Großgruppe, die durch den Austausch, durch Gebet, durch Zuhören und den Dialog geprägt war. Das hat der Papst ja für sehr wichtig gehalten, als er sagte, wir sollen „hörende Menschen“ sein. Er war während der ganzen Synode dabei und hat zugehört. Und die Themen, die die Amazonas-Synode angesprochen hat: Schutz des gemeinsamen Hauses, Schutz der indigenen Völker, der Menschen, die am Rande leben, das sind alles auch unsere Steyler Themen. Der Dialog mit den verschiedenen Kulturen, Inkulturation, Interkulturalität, das Thema, für die Armen da zu sein, für die an den Rand gedrängten, aber auch das Thema in Gemeinschaft zu leben, in interkulturellen Gemeinschaften … Also habe ich mich auf der Synode wie zuhause gefühlt und gedacht, es müssten jetzt viel mehr Steyler hier sein, das sind doch genau unsere Themen!

Sie gehen bald wieder zurück – wissen Sie schon, wohin?
Nein, aber es ist mein Wunsch, der lateinamerikanischen Ortskirche ein bisschen was zurückzugeben von dem, was ich – auch wirklich im Kontakt mit dem Papst - erlebt habe. Als Leiter von Adveniat hatte ich Gelegenheit, in einer Adveniat-Audienz mit dem Papst zu reden. Es hat mich sehr beeindruckt, wie der Papst als ganz einfacher Mensch wirklich das lebt, was er als Lateinamerikaner nach Rom mitgebracht hat. Da fühle ich mich auch verpflichtet zu sagen, okay, wenn er das gemacht hat, kann ich sicherlich auch von dieser Synode etwas zurückgeben. Und das würde ich auch gerne tun.

Haben Sie also das Gefühl, es bewegt sich was?
Oh ja! In Lateinamerika hat sich eine Amazonas-Kirchenkonferenz gegründet über die Ländergrenzen der 9 Länder hinweg, die einen Amazonas-Anteil haben. Da sind natürlich auch die Bischöfe mit dabei, aber nicht nur sie, sondern es sind auch Vertreter der Indigenen, der Ordensleute, der Laien dabei. Das ist ein neues Modell, das jetzt dort umgesetzt wird mit dem Auftrag, die vielen Beschlüsse der Amazonas-Synode auch in die Praxis vor Ort umzusetzen.

Meinen Sie, es hat für die Kirche etwas bewirkt, dass der Papst selber Lateinamerikaner ist?
Auf jeden Fall. Man merkt, dass er die Themen, die ihm wichtig waren, in die Weltkirche eingebracht hat. Das sind also diese Themen: die ständige Mission, an den Rand gehen, für die Armen da sein, synodale Kirche. Das sagte er ja auch und ich merke, er lebt es auch. Er kann nicht alles so durchsetzen, wie er das will, weil er ja auch nur einer ist und das merkt man auch manchmal – auch jetzt wieder mit den Diskussionen, wo es um die Homosexualität geht, oder die Stellung der Frauen in der Kirche, da würde er gerne schon viel stärker vorpreschen, aber da ist er eben auch eingebunden in ein System, der Vatikan ist auch ein System, wo er merkt, da muss er langsamer machen.

Ihr persönlicher Ausblick - was ist Ihnen wichtig?
Ich bin sehr dankbar für diese Jahre, die ich hier in Deutschland verbringen durfte, auch bei Adveniat, das war wirklich ein Geschenk. Ich glaube, die Verantwortung dafür liegt sowohl in Lateinamerika als auch weltweit, dass wir uns für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung – so sagen wir es ja immer - einsetzen und gemeinsam das Haus schützen, weil es sonst ganz schwierig werden kann für die kommenden Generationen. Wir als Kirche und wir als Steyler können da sehr viel tun. Wir sollten Vorreiter sein – gerade bei bewusstseinsbildenden Maßnahmen, aber auch konkret, wenn es um Energie, Solar oder Wind geht, alternativer Anbau, Landwirtschaft usw. Es muss noch viel mehr kommuniziert werden, was anderswo passiert, um das Bewusstsein zu schaffen. Und da sind die Steyler gut aufgestellt.

Interview: Renate Breuer
Fotos: Pater Michael Heinz SVD

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