01. Mär 2024
Psalm 3
Wie passend setzt Psalm 3 seinen Vorgängerpsalm fort! Dort rotteten sich die Völker zusammen zum Aufstand gegen Gott und seinen Gesalbten. Hier bekundet dieser sein unerschütterliches Vertrauen, das auch die Rede der Gegner nicht untergraben kann.
Psalm 3
1 EIN PSALM DAVIDS. ALS ER VOR SEINEM SOHN ABSCHALOM FLOH.
2 HERR, wie viele sind meine Bedränger;
viele stehen gegen mich auf!
3 Viele gibt es, die von mir sagen:
Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott.
4 Du aber, HERR, bist ein Schild für mich,
du bist meine Ehre und erhebst mein Haupt.
5 Ich habe laut zum HERRN gerufen;
da gab er mir Antwort von seinem heiligen Berg.
6 Ich legte mich nieder und schlief,
ich erwachte, denn der HERR stützt mich.
7 Viele Tausende von Kriegern fürchte ich nicht,
die mich ringsum belagern.
8 Steh auf, HERR,
rette mich, mein Gott!
Denn all meinen Feinden wirst du den Kiefer zerschmettern,
wirst den Frevlern die Zähne zerbrechen.
9 Beim HERRN ist die Rettung.
Auf deinem Volk liegt dein Segen.
Psalm 3 ist ein typischer Klagepsalm eines Einzelnen. Die Überschrift schreibt ihn König David zu – und tatsächlich kann man sich gut als Hintergrundsituation die Belagerung einer Königsstadt durch ein überlegenes feindliches Heer vorstellen (vgl. V7). Am Anfang steht dreimal das betonte Wort „viele“ (und in V7 noch einmal). Dem Beter macht die Vielzahl und Übermacht der Feinde zu schaffen. Die Spitze der Anfeindung besteht für ihn darin, dass sie ihm die Verbindung zu Gott bestreiten und ihn damit der Hoffnungslosigkeit ausliefern wollen. Doch ihrem Urteil setzt er sein ganzes Gottver-trauen entgegen.
Im Kriegsfall war es üblich, ein Orakel einzuholen, also Gott über den Ausgang der bevorstehenden Schlacht zu befragen. Der Beter hat das offenbar auch getan, letzte Nacht. Es muss positiv ausgefallen sein. Das hat ihm einen ruhigen Schlaf beschert – trotz des Riesenheeres, das ihn belagert. Auch jetzt, vor dem Beginn der Schlacht, flößt ihm das Gottesurteil Furchtlosigkeit ein. In der ruhig verbrachten Nacht angesichts einer äußerst bedrohlichen Situation zeigt sich abermals das ungebrochene Gottvertrauen des Beters.
Jetzt erst, am Anfang der 3. Strophe, kommt die Bitte um das entscheidende Eingreifen Gottes: „Steh auf, HERR!“ wird Gott, der Krieger, aufgefordert. „Rette mich, mein Gott!“ Widerlege, was sie sagten: „Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott.“ – Die zweite Hälfte von Vers 8 könnte Zitat des in der vorigen Nacht ergangenen Orakels sein. Gott wird ihnen aufs Maul geben, mit dem sie so frech geredet haben – heißt es in martialischer, gar nicht zimperlicher Sprache.
Die Generalaussage „Beim HERRN ist die Rettung“ widerlegt noch einmal die Rede der Gegner als grundsätzlich falsch. Zudem schreibt sie den Sieg Gott zu. Der letzte Halbvers begründet die Hoffnung auf den Sieg mit dem Segen, der auf Gottes Volk liegt.
Die Zuschreibung zu David ist sicherlich erst nachträglich erfolgt, später, als der Psalm geschrieben wurde. Wie kam es dazu? (Von den insgesamt 150 Psalmen im Buch werden in den Überschriften 74 David zugeschrieben, noch später, als der Psalter fertig war, wurde David zum Verfasser des ganzen Buchs.)
Von allen Davidgeschichten gab wohl vor allem die den Anlass für die Zuschreibung, die erzählt, wie David an Sauls Hof kam: Über König Saul war ein „böser Geist“ gefallen. Da ließ der Hof nach einem Mann suchen, der die Leier zu spielen verstand. Die Wahl fiel auf den jungen David, von dem dann gesagt wird: „Sooft nun ein Geist Saul überfiel, nahm David die Leier und spielte darauf. Dann fühlte sich Saul erleichtert, es ging ihm wieder gut und der böse Geist wich von ihm.“ (1 Sam 16,23) David besaß also die geheimnisvolle Kraft, mit seinem Leierspiel und mit seinen dazu gesungenen Liedern den „bösen Geist“ zu vertreiben. Und als derselbe Geist Saul dazu trieb, auf David den Speer zu werfen, um ihn umzubringen, verfehlte ihn dieser, weil er gerade seine Lieder sang. Das also ist die Meinung der Erzähler: In der Poesie und Musik Davids steckt eine geheimnisvolle Macht, die das Böse vertreibt und vor dem Bösen rettet. Mit derselben Kraft besiegte er auch den Riesen Goliat, und eben diese Kraft steckt in „seinen“ Psalmen.
Die antiken Beter beteten die Psalmen mit König David, damit sich die rettende Kraft der Königsherrschaft Gottes ihre Bahn in diese Welt bricht, in der so vielfach ein „böser Geist“ waltet und in der sie wie David gegen Goliat antreten müssen.
Auch wir tun gut daran, nicht alle Psalmen krampfhaft auf unser Leben zu beziehen, sondern sie mit König David, mit dem Christus Jesus, mit so vielen Menschen durch die Jahrhunderte und von heute zu beten. Die Psalmen müssen nicht unsere derzeitige Situation und Gefühlslage zur Sprache bringen, damit die geheimnisvolle Kraft, die in ihnen steckt, in uns zu wirken beginnt: das Vertrauen in Gott, die beständige Verbindung mit ihm.
Pater Michael Kreuzer SVD